Neues Wahlrecht in Sicht
17. Oktober 2012Bei den Gesprächen über ein neues Wahlrecht für den Bundestag hat es nach Angaben der Oppositionsparteien SPD und Grünen einen Durchbruch gegeben. Wie es aus Berlin hieß, einigten sich die Fraktionen grundsätzlich auf ein Modell mit Ausgleichsmandaten.
"Damit werden Überhangmandate vollständig neutralisiert", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Die Chancen sind jetzt gestiegen, dass wir uns bis Weihnachten auf einen konkreten Gesetzentwurf einigen." Nach Angaben der Grünen will lediglich die Partei "Die Linke" den Kompromiss nicht mittragen. Die Regierungspartei CDU teilte mit, nach "Fortschritten" bei den Gesprächen strebe man eine Einigung in der nächsten Sitzungswoche an.
Rechenspiele
Die Neufassung war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht zentrale Teile des bisherigen Wahlrechts für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Karlsruher Richter hatten insbesondere die Praxis bei den Überhangmandaten verworfen. Diese entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland über die sogenannte Erststimme mehr Direktmandate erhält als ihr - nach der sogenannten Zweitstimme - an Sitzen im Bundestag prozentual zustehen. Mit ihrer Zweitstimme bestimmen die Wähler in Deutschland die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag, mit ihrer Erststimme entscheiden sie sich für einen Direktkandidaten im Wahlkreis.
Eigentlich umfasst der Deutsche Bundestag 598 Abgeordnete. Die Hälfte von ihnen wird per Direktwahl - also über die Erststimme - gewählt, die andere Hälfte zieht über die von den Parteien in den 16 deutschen Bundesländern vorgegebene Landeslisten ins Parlament ein. Derzeit sitzen 620 Abgeordnete im Bundestag, da es bei der Wahl 2009 mehr als 20 Überhangmandate gab, die damals alle an CDU und CSU fielen. Somit verfügt die schwarz-gelbe Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP über eine deutlich komfortablere Mehrheit (330 zu 290) als sie diese gemäß Zweitstimmen-Anteil hätte.
Widerstand
Die geplante Neuregelung könnte dazu führen, dass der nächste Bundestag deutlich größer wird, da Überhangmandate durch zusätzliche Sitze für die anderen Parteien ausgeglichen werden sollen. Dies kritisiert vor allem die Linksfraktion. Deren Rechtsexpertin Halina Wawzyniak monierte, das jetzt verabredete Modell hätte bei allen Bundestagswahlen seit 1994 zu einer teils erheblichen Vergrößerung des Parlaments geführt. Das sei jedoch nicht akzeptabel. "Ein größerer Bundestag bedeutet nicht mehr Demokratie."
wa/sti (dpa, dapd, afp, rtr)