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Musik

Neujahr mit den Wiener Philharmonikern

Gaby Reucher
31. Dezember 2021

Das Konzert der Wiener Philharmoniker begeistert weltweit Fernsehzuschauer. Diesmal dirigiert Daniel Barenboim - und das mit Publikum vor Ort, trotz Corona.

Daniel Barenboim beim Dirigieren in Nahaufnahme
Daniel Barenboim dirigiert Neujahr die Wiener PhilharmonikerBild: NIKOLAY KRUSSER

Ein beschwingter Walzer auf dem Parkett kann die Sorgen des Alltags für einen Moment vergessen machen. Auch, wenn der Walzer gar nicht getanzt wird, sondern nur im Konzertsaal erklingt. Klassische Konzerte mit heiterer Tanzmusik zum Jahreswechsel erfreuen sich hierzulande großer Beliebtheit. So etwa das Silvesterkonzert der Semperoper in Dresden, das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker oder das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.

Keins dieser festlichen Konzerte ist international über die Medien so verbreitet wie das der Wiener Philharmoniker. Ihr traditionelles Neujahrskonzert wird weltweit von über 90 öffentlichen Fernsehsendern aus dem "Goldenen Saal" des Wiener Musikvereins unter anderem durch die European Broadcast Union (EBU) übertragen. Ob in Japan, China, den USA oder Brasilien, überall erklingen die bekannten Walzermelodien von Johann Strauß und Zeitgenossen. In Kenia genauso wie auf den Karibischen Inseln und natürlich in den Ländern der Europäischen Union. In Deutschland überträgt das Zweite Deutsche Fernsehen traditionell das Konzert am Neujahrstag, das mit 16 Kameras aus allen Perspektiven vom Österreichischen Fernsehen begleitet wird.

Die Wiener Philharmoniker füllen die Bühne im "Goldenen Saal" des Wiener MusikvereinsBild: Lois Lammerhuber

Daniel Barenboim und die Wiener Philharmoniker

Zum Jahreswechsel 2021/22 wird Daniel Barenboim das berühmte Konzert leiten. Der in Buenos Aires geborene Dirigent und Pianist arbeitet schon seit 1965 als Pianist mit den Wiener Philharmonikern zusammen, seit 1989 auch als Dirigent. In Berlin ist er Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden und Chefdirigent auf Lebenszeit der Staatskapelle Berlin.

Darüber hinaus rief Barenboim 1999 gemeinsam mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said das West-Eastern Divan Orchestra ins Leben. Das Ensemble bringt friedenstiftend junge Musiker aus Israel und den arabischen Ländern zusammen. Mit Barenboim wollen die Philharmoniker, wie es offiziell heißt, "einen von Hoffnung, Freundschaft und Frieden geprägten Neujahrsgruß an die ganze Welt richten".

Das erste Neujahrskonzert im Auftrag der Nazis

Die Wiener Philharmoniker, 1842 gegründet, gehören zu den renommiertesten Klassikorchestern der Welt. Mit dem Dirigenten Felix von Weingartner gastierte das Orchester 1922 erstmals außerhalb Europas in Südamerika. Richard Strauss (nicht verwandt mit Johann Strauß) dirigierte das Orchester immer wieder zwischen 1906 und 1944. Auch große Namen wie Arturo Toscanini oder Wilhelm Furtwängler prägten die Geschichte der Philharmoniker. Furtwängler war unter anderem von 1933 bis 1945 Hauptdirigent des Orchesters.

Auch der Dirigent Wilhelm Furtwängler arbeitete mit den Nationalsozialisten zusammen. Hier 1948 mit den Berliner Philharmonikern. Bild: AP

In dieser Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft begann auch die Tradition, Konzerte mit Werken der Strauß-Familie zum Jahreswechsel zu spielen. Sie wurden zunächst über den Reichsfunk ausgestrahlt, später dann auch über das Fernsehen. Am 31. Dezember 1939 fand in Wien das erste "Johann-Strauß-Konzert" zum Jahreswechsel statt. Jüdische Musiker wurden entlassen, von den Nazis vertrieben und verfolgt.

Während des Zweiten Weltkriegs sollte die heitere Walzermusik von Johann Strauß gezielt vom Grauen des Krieges ablenken. Die Konzerte waren Teil der nationalsozialistischen Propaganda. Die Musik von Johann Strauß (Sohn) war dem "Reichpropagandaminister" Joseph Göbbels sogar so wichtig, dass er den Komponisten sozusagen "arisierte". Er ließ Dokumente fälschen, in denen Johann Strauß' jüdische Herkunft notiert war. Das wurde kurzerhand gestrichen. 1946, nach dem Krieg, hießen die "Johann-Strauß-Konzerte" dann "Neujahrskonzerte".

Die Wiener Philharmoniker und der Walzerkönig

Der Schwerpunkt mit Musik von Johann Strauß, Vater und Sohn, sowie anderen Musikern aus der Strauß-Dynastie ist beim Wiener Neujahrskonzert bis heute geblieben. Dabei hatten sich die Philharmoniker zu ihrer Gründungszeit schwer getan mit dieser "wienerischen Unterhaltungsmusik". Erst die Anerkennung der Komponistenfamilie Strauß durch Komponisten wie Richard Wagner oder Johannes Brahms überzeugte das Orchester.

Der "Walzerkönig" von Wien: Johann Strauß (Sohn)Bild: picture-alliance/dpa

Die Strauß-Tradition der Wiener Philharmoniker geht auf den Dirigenten Clemens Krauss zurück. Bei den Salzburger Festspielen hatte er Anfang der Dreißiger jedes Jahr ein ähnliches Programm zusammengestellt. Er war es auch, der 1939 das erste Strauß-Konzert zum Jahreswechsel mit den Wiener Philharmonikern für die nationalsozialistische Spendenaktion "Kriegswinterhilfswerk" dirigierte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg durfte Krauss im Zuge der Entnazifizierungsprozesse der Alliierten nicht mehr dirigieren. Erst 1948 kam er dann zurück und leitete bis 1954 sieben weitere Neujahrskonzerte. Heute wechseln die Dirigenten der Neujahrskonzerte jedes Jahr. Nach 2009 und 2014 leitet Daniel Barenboim zum dritten Mal das Wiener Orchester zum Jahreswechsel.

Ein klassisches Strauß-Programm

Vielleicht hat es etwas mit der Wiederkehr der Kultur in Corona-Zeiten zu tun, dass das Programm des diesjährigen Wiener Neujahrskonzertes mit dem Phönix aus der Asche beginnt, jenem mythischen Vogel, der verbrennt, um aus seiner Asche wieder aufzuerstehen. Zu Beginn steht nämlich der "Phönix-Marsch" von Josef Strauß, Bruder von Johann Strauß. Auch Johann Strauß, der sogenannte Walzerkönig, hat dem Vogel seinen Walzer "Phönix-Schwingen" gewidmet.

Insgesamt 15 Märsche, Walzer und Polkas stehen am 1. Januar 2022 auf dem Programm. Die berühmte Ouvertüre zur Operette "Die Fledermaus" von Johann Strauß darf dabei ebenso wenig fehlen wie seine "Champagner-Polka".

Wiener Tanzmusik modern

Kirill Petrenko kann das diesjährige Silvesterkonzert aus Krankheitsgründen nicht dirigierenBild: Emmanuele Contini/NurPhoto/picture alliance

Mit Wiener Tanzmusik der "etwas anderen Art" werden die Berliner Philharmoniker das Jahr 2021 beenden. Ihr Chefdirigent Kirill Petrenko musste kurzfristig absagen, wegen "akut aufgetretener Rückenschmerzen". Für ihn springt sein israelischer Kollege Lahav Shani ein. Die Bühnenmusik des jüdischen Komponisten Erich Wolfgang Korngold "Viel Lärm um nichts" steht in Berlin ebenso auf dem Programm wie Maurice Ravels "La Valse", eine moderne, orchestral gewaltige Version des Wiener Walzers.

Neben der digitalen Übertragung sind auch Zuschauer in Berlin zugelassen. Das Silvesterkonzert der Semperoper in Dresden mit Melodien der "Goldenen 20er Jahre" wurde wegen Corona für das Publikum abgesagt und wird nur vom Fernsehen und Online übertragen. Die Wiener Philharmoniker dürfen dagegen bislang neben der weltweiten TV-Übertragung 1000 Zuschauer in den Goldenen Saal des Wiener Musikvereins lassen, der normalerweise 2000 Zuschauer fasst. Dabei kommt die 2G+-Regel zur Anwendung, bei der nur geimpfte oder genesene Gäste unter zusätzlichem Vorweis eines gültigen PCR-Tests und FFP2 Maske das Konzert besuchen dürfen.

Hier geht es zum ZDF-Livestream des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker am 1. Januar um 11 Uhr MEZ.

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