Neukaledonien wird Staat, bleibt aber Teil Frankreichs
13. Juli 2025
Ein Jahr nach den schweren Unruhen in Neukaledonien haben Vertreter Frankreichs und der politischen Lager des Überseegebiets ein Abkommen geschlossen. Das in Bougival westlich von Paris unterzeichnete Dokument sieht vor, dass Neukaledonien als eigener Staat anerkannt wird - gleichzeitig aber innerhalb der französischen Republik verbleibt. Sowohl Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als auch neukaledonische Politiker bezeichneten das Abkommen als "historisch".
"Ein Staat Neukaledonien innerhalb der Republik: Das ist eine Wette auf Vertrauen", erklärte Macron bei der Bekanntgabe der Einigung. Das Abkommen schlage ein "neues Kapitel" in den Beziehungen zwischen Frankreich und der pazifischen Inselgruppe auf, betonte der Präsident weiter.
Gewalt, Misstrauen und ein langer Weg zur Einigung
Dem Kompromiss war eine Phase großer politischer Spannungen vorausgegangen. Im Mai 2024 war es in Neukaledonien zu massiven Unruhen gekommen, bei denen 14 Menschen ums Leben kamen. Auslöser war eine geplante Wahlrechtsreform, durch die Festlandfranzosen schneller als bisher an lokalen Wahlen teilnehmen sollten. Besonders die indigene Bevölkerungsgruppe der Kanaken - sie machen über 40 Prozent der Bevölkerung aus - sah darin eine Gefahr für ihren politischen Einfluss.
Macron reagierte mit einem Vorschlag für neue Verhandlungen. Vertreter aller politischen Lager, darunter Befürworter einer vollständigen Unabhängigkeit ebenso wie Anhänger des Verbleibs bei Frankreich, nahmen daran teil. Zehn Tage lang wurde bei Paris intensiv diskutiert.
Einigung mit weitreichenden Folgen
Das 13-seitige Abkommen sieht vor, dass Neukaledonien in der französischen Verfassung als eigener Staat verankert wird und internationale Anerkennung erlangt. Es soll eine neukaledonische Staatsangehörigkeit geben, wobei die französische Nationalität gleichzeitig beibehalten werden kann. Ein wirtschaftlicher und finanzieller Wiederaufbaupakt ist ebenfalls Teil des Plans.
"Dieses Abkommen wird uns helfen, uns aus der Spirale der Gewalt zu befreien", sagte Emmanuel Tjibaou, ein kanakischer Abgeordneter, der an den Verhandlungen teilgenommen hatte. Er sprach von einem "schwierigen Weg", der jedoch eine gemeinsame Zukunft ermögliche.
Auch die Gegenseite lobte den Kompromiss. Nicolas Metzdorf, ein Vertreter der pro-französischen Seite, nannte die Vereinbarung das Ergebnis eines "anspruchsvollen Dialogs". Die Einführung einer neukaledonischen Nationalität bezeichnete er als "echtes Zugeständnis".
Ein Sonderkongress soll nun die nächsten Schritte festlegen. Laut Auszügen, die vom öffentlichen Rundfunk Neukaledoniens veröffentlicht wurden, könnten diese unter anderem größere Autonomie in den Bereichen Außenpolitik, Sicherheit und Justiz beinhalten. Langfristig könnte sich Neukaledonien zudem einen eigenen Namen, eine neue Flagge und eine eigene Hymne geben.
Die wirtschaftlichen Perspektiven spielen ebenfalls eine zentrale Rolle im Abkommen. Die neukaledonische Wirtschaft ist stark vom Nickelabbau abhängig und leidet unter strukturellen Problemen sowie hoher Verschuldung. Ziel sei eine Diversifizierung und Reduzierung der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom französischen Mutterland.
Erneutes Referendum für Neukaledonien
Das Abkommen muss noch vom französischen Parlament bestätigt werden. Eine gemeinsame Sitzung beider Kammern ist für dieses Jahr geplant. Voraussichtlich im Februar 2026 soll ein Referendum in Neukaledonien folgen, in dem die Bevölkerung über die Umsetzung entscheidet.
Frankreich hatte Neukaledonien in den 1850er Jahren kolonisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zum französischen Überseegebiet, 1957 erhielten alle Kanaken die französische Staatsbürgerschaft. In den vergangenen Jahrzehnten wurde über die politische Zukunft der Inselgruppe bereits mehrfach abgestimmt, mit drei Referenden und zwei vorhergehenden Abkommen.
pgr/wa (afp, ap)
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