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Neunte Zinserhöhung in Folge im Euroraum

27. Juli 2023

Die Euro-Währungshüter legen angesichts der anhaltend hohen Inflation nach. Sie heben die Zinsen im gemeinsamen Währungsraum erneut an. Für Sparer sind das gute Nachrichten.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde während der Pressekonferenz am 27.7. 2023 in Frankfurt
Bild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Die Euro-Währungshüter schließen nach der neunten Zinserhöhung in Folge erstmals eine Pause nicht aus. "Wir könnten die Zinsen anheben, wir könnten eine Pause machen", sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Donnerstag in Frankfurt mit Blick auf die nächste Sitzung des EZB-Rates im September. Sollte sich der Rat dann für eine Zinspause entscheiden, müsse diese nicht unbedingt eine längere Zeit dauern.

"Ich kann versichern, dass wir nicht die Zinsen senken", betonte Lagarde. Die Notenbank werde anhand von Daten von Sitzung zu Sitzung entscheiden. "Wir wollen der Inflation das Rückgrat brechen. Die Daten werden zeigen, wie viel Boden wir noch gut machen müssen." Zuvor hatte der EZB-Rat eine weitere Zinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte beschlossen. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, steigt damit auf 4,25 Prozent. So hoch war der Leitzins zuletzt zu Beginn der globalen Finanzkrise Anfang Oktober 2008. Forderungen nach einer Zinspause werden lauter, auch weil sich die Aussichten für die Konjunktur im Euroraum zuletzt eintrübten.

Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen haben die Währungshüter angesichts der hohen Teuerung die Zinsen seit Juli 2022 in einer beispiellosen Serie angehoben. Auch die US-Notenbank Federal Reserve legte im Kampf gegen die Inflation nach und hob am Mittwoch den Leitzins auf den höchsten Stand seit 22 Jahren an. Der Leitzins liegt nun in der Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent.

"Job der EZB zunächst getan" 

Für Ulrich Kater, den Chefvolkswirt der Dekabank, ist "der Job der EZB mit dieser Zinserhöhung erstmal getan. Ab jetzt schließt sich das Fenster für weitere Leitzinserhöhungen, denn die Inflation wird im Herbst deutlich sinken. Trotzdem sind wir jetzt in einem geldpolitischen Unschärfebereich, in dem man eine ganze Zeit abwarten muss, ob die bisherige Dosis an Zinserhöhungen ausreicht, um die Inflation auch langfristig auszutreiben. Eine Lockerung der Geldpolitik ist daher bis weit ins nächste Jahr hinein nicht in Sicht."

Die EZB habe "wirkungsvoll Zähne gezeigt" im Kampf gegen die Inflation, urteilt Moritz Schularick, der neue Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft. Jetzt spricht seiner Meinung nach vieles dafür, "jetzt zunächst die realwirtschaftlichen Effekte abzuwarten und eine Pause einzulegen, um die Auswirkungen der Zinserhöhungen valide bewerten zu können. Die Effekte der Zinserhöhungen sind inzwischen deutlich sichtbar: Der Immobilienmarkt ist eingebrochen, und die Firmenkreditvergabe ist deutlich gefallen. Die Wolken am Konjunkturhimmel verdunkeln sich, insbesondere die Wachstumsschwäche in Deutschland tritt durch die hohen Zinsen nun deutlich zu Tage." 

Mit hohen Zinsen gegen die Teuerung

Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Zwar schwächte sich die Inflation im Juni ab. Im Währungsraum der 20 Staaten lagen die Verbraucherpreise nach Angaben des Statistikamtes Eurostat um 5,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Mai war noch eine jährliche Teuerungsrate von 6,1 Prozent verzeichnet worden. Die Rate liegt aber weiterhin deutlich über dem mittelfristigen Inflationsziel der EZB von zwei Prozent, bei dem die Notenbank Preisstabilität gewahrt sieht. Höhere Teuerungsraten lassen die Kaufkraft der Menschen schwinden: Verbraucherinnen und Verbraucher können sich für ihr Geld weniger leisten. Sie treten beim Konsum auf die Bremse. Das belastet das Wirtschaftswachstum, für das der private Konsum eine wichtige Stütze ist.

Auf der anderen Seite verteuern steigende Zinsen Kredite für Unternehmen, weshalb die eine oder andere Investition ausfallen könnte. Auch das bremst die Konjunktur. "Über die Juli-Sitzung hinaus werden Anzeichen einer sich abkühlenden Wirtschaft und nachlassender Inflationsdruck die Diskussion bei der EZB darüber, wie weit man gehen soll, kontroverser machen", meint daher ING-Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Sparer profitieren nach jahrelanger Flaute von steigenden Zinsen für Tagesgeld und Co. Der Durchschnittszins bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote liegt nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox aktuell bei 1,31 Prozent (Stand 20. Juli 2023). Anfang August 2022 waren es nur 0,05 Prozent. Allerdings gibt es bei 141 von 738 ausgewerteten Geldhäusern den Angaben zufolge auf dem Tagesgeldkonto nach wie vor keine Zinsen.

Für Kreditnehmer wird es durch steigende Zinsen teurer, vor allem Bauherren bekommen das deutlich zu spüren. Seit Frühjahr 2022 sind die Zinsen für Baukredite in Deutschland, die sich an der Verzinsung von Bundesanleihen orientieren, der Bundesbank zufolge im historischen Vergleich unerwartet stark gestiegen. Die Analyse zeige, "dass die Banken in Deutschland den Zinssatz für Wohnungsbaukredite an private Haushalte seit Mai 2022 stärker angehoben haben als zu erwarten gewesen wäre", hieß es im Bundesbank-Monatsbericht Juni.

hb/ul (dpa)

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