Neustart für deutsche Luftfahrtbranche
18. Juni 2021Merkel forderte am Freitag bei der Nationalen Luftfahrtkonferenz eine "disruptive Erneuerung". "Und das nicht irgendwann, sondern so schnell wie möglich, weil ja die Produktzyklen in der Luftfahrtindustrie sehr lang sind."
Die Bundeskanzlerin sprach sich dafür aus, die Nutzung synthetischer Kraftstoffe weiter voranzutreiben. Sie werden mit Hilfe von Strom hergestellt. "Derzeit lassen Preise und Menge noch zu wünschen übrig", sagte Merkel.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte, Kraftstoffe aus sauberer Elektrizität seien heute zehnmal so teuer wie herkömmliches Kerosin. "Das werden wir nur gemeinsam mit dem Staat schaffen." Mehrkosten müssten kompensiert werden. Merkel zeigte sich überzeugt, dass die Preise sinken. Sie verwies auf die Solarenergie. Als Umweltministerin in den 90ern habe sie nie gedacht, dass damit Preisrentabilität erreicht werden könnte.
Herausforderungen durch Corona-Krise und Klimawandel
Corona-Krise und Klimawandel stellen die deutsche Luftfahrt vor riesige Herausforderungen. In einer gemeinsamen Presseerklärung des Landes Brandenburgs, des Bundesverkehrs- und des Bundeswirtschaftsministeriums als Veranstalter der Nationalen Luftfahrtkonferenz hieß es: "Mit Blick auf die jetzt bevorstehende Rückkehr des Luftverkehrs sind sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig: Um erfolgreich und nachhaltig aus der Krise hervorzugehen, müssen rechtzeitig die wichtigen technologischen Zukunftsthemen wie Klima- und Umweltschutz und internationale Wettbewerbsfähigkeit in den Fokus gerückt werden."
Nötig sei einerseits die "Freiheit des Fliegens mit einem Konzept für saubereres und klimaneutraleres Fliegen", sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im ZDF-"Morgenmagazin" mit Blick auf die Entwicklung neuer Kraftstoffe. Zweitens seien internationale Regeln nötig für "einen Luftverkehrsbereich, der auch Zukunft hat" und von "deutschen Innovationen aus angeregt" werde. Wichtig sei außerdem die Flottenerneuerung.
"Keine Staatswirtschaft in Deutschland"
Zur Frage, ob der Bund beim Personalabbau bei der Lufthansa angesichts staatlicher Milliardenhilfen für den Konzern und als inzwischen größter Anteilseigner nicht intervenieren müsse, sagte Scheuer, dass es wegen der in der Corona-Pandemie eingebrochenen Passagierzahlen ganz klar sei, "dass auch die Luftverkehrswirtschaft und die Airlines sich weiterentwickeln" und an den "neuen Herausforderungen ausrichten" müssten. Zudem verwies er darauf, dass es in Deutschland eine soziale Marktwirtschaft "und keine Staatswirtschaft" gebe.
Im Vorfeld hatten vor allem die Gewerkschaft Verdi und die Vereinigung Cockpit (VC) davor gewarnt, dass ein zunehmender Personalabbau den Neustart gefährden könnte.
Bei der zweiten Nationalen Luftfahrtkonferenz, die erste fand 2019 am Flughafen Leipzig/Halle statt, diskutierten hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie von Verbänden und Gewerkschaften darüber, wie der Branche der Neustart nach der Corona-Krise gelingen kann. Neben Scheuer und Merkel nahmen auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) an der Veranstaltung teil, die teils virtuell und teils am Flughafen Berlin Brandenburg BER stattfand.
Kritik von Umweltschützern
Die Umweltschutzorganisation Robin Wood und das Netzwerk Stay Grounded beklagten, dass keine Umweltverbände an der Konferenz beteiligt waren. Anstelle von Mobilitäts-Konzepten, die mit der 1,5 Grad-Grenze des Pariser Klimaschutz-Abkommens vereinbar seien, stünden "die 'Wiederbelebung' der Luftfahrt und illusorische Versprechen wie vermeintlich 'klimaneutrales' Fliegen auf dem Programm".
Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), erklärte, Ökologie und Klimaschutz spielten auch für viele, die jetzt in den Urlaub fahren wollten, eine "große Rolle". Generell hoffe er auf "einen starken Sommer und etwas mehr Urlaub für unsere sehr urlaubsbedürftigen Menschen".
ul/bea (dpa, afp)