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Grüner Vizekanzler Robert Habeck will kein Verlierer sein

12. November 2024

Während in Berlin der Streit über den Termin für Neuwahlen gelöst wird, setzt sich Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen in Lissabon für Start-Up-Gründerinnen ein.

Deutschland Berlin 2024 Vorstellung der Herbstprojektion 2024 Robert Habeck
Bild: Bernd Elmenthaler/IMAGO

Robert Habeck, Deutschlands Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, ist zu seiner vielleicht letzten Auslandsreise nach Lissabon gereist. Der Grünen-Politiker hat Gründerinnen von deutschen Start-Ups mit nach Portugal genommen - zur jährlichen Technologie-Konferenz "Web-Summit" mit bis zu 70.000 Teilnehmern. Sie sprechen über Geldquellen, Synergien, Kontakte und über die Probleme von Frauen, sich in einer immer noch männerdominierten Welt durchzusetzen.

Kreative Gründungsideen sind eines von Habecks Lieblingsthemen. Das ist wohl auch der Grund, warum Habeck diese kurze Reise nicht abgesagt hat. Jede andere hätte er wohl sausen lassen, weil zuhause in Berlin nach dem Bruch der Regierungskoalition nichts mehr so ist wie vor einigen Tagen. Aber diese Reise wollte er noch machen, und wenn es seine letzte als Minister und Vizekanzler ist. Am Mittwoch hält er auf dem Web-Summit eine kurze Rede.

Robert Habeck (4.v.re.) wollte es sich trotz Ampel-Aus in Berlin nicht nehmen lassen, zur Technologiekonferenz nach Lissabon zu reisenBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Auch in Portugal holt Habeck die deutsche Regierungskrise ein

Aber natürlich lässt ihn die dramatische Situation im politischen Berlin auch hier, fast 2800 Kilometer entfernt, nicht los. Die Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten, Habecks Grünen und der wirtschaftsnahen FDP ist zerbrochen am ewigen Streit über Wirtschafts-und Haushaltsfragen. Der Kanzler entließ Finanzminister Christian Lindner (FDP), dessen Partei verließ danach die Regierung.

Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sind deshalb seit einer Woche die Hauptfiguren einer Minderheitsregierung. Die ganze Woche über haben vor allem Scholz und der deutsche Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) immer heftiger über den Termin für Neuwahlen gestritten. Jetzt soll die Wahl am 23. Februar stattfinden.

Kurzer Blick zurück auf die Ampel-Koalition

Habeck zuckt die Achseln. Aus dem Streit um den Wahltermin hat er sich weitgehend herausgehalten. Und auch die Ampel ist für ihn jetzt Geschichte. Eine Aufarbeitung des Streits wird es mit ihm nicht geben: "Wenn Beziehungen zerbrechen, dann sind die Rosenkriege danach immer das Dümmste. Der hat geschnarcht, der hat nie eingekauft, die war immer unpünktlich. Wer will das wissen?"

2021 schmiedeten Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Linder (FDP) (v.l.n.r.) die sogenannte Ampelkoalition Bild: Mike Schmidt/IMAGO

Aber dann streift er doch kurz die Gründe des Niedergangs dieser Dreier-Koalition, die nach den Farben der Parteien Ampel genannt wurde: Rot, Gelb, Grün. Vor einem Jahr entschied das oberste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht: Die Ampel-Regierung darf rund 60 Milliarden Euro, eigentlich gedacht für Corona-Hilfen, nicht einfach für den Klimaschutz ausgeben.

Seitdem fehlte der Ampel das Geld für so gut wie alle Projekte. In Lissabon sagt Habeck der DW dazu: "Wir haben uns dann noch ein Jahr so durchgeschleppt. Aber im letzten Jahr ging nicht mehr viel zusammen. Genau an dieser Frage: Wie sieht eine gerechte Finanzierung von Gegenwart und Zukunftsprojekten aus?"

Kandidatur als Kanzler

Die Regierung wurde mehr und mehr als zerrissen wahrgenommen, alle drei Parteien büßten in den Umfragen erheblich an Zustimmung ein. Habeck zieht ein ernüchterndes Fazit: "Es ist historisch sehr, sehr ärgerlich, dass diese Ampel-Regierung so einen schlechten Ruf hatte und am Ende zum Scheitern verurteilt war." Das war's.

Kein verträumter Blick zurück, ab jetzt ist für den Vizekanzler Wahlkampf. Am nächsten Wochenende soll er auf einem Parteitag seiner Grünen zum Kanzlerkandidaten gewählt werden. Ganz schön kühn, diese Kandidatur als Kanzler: Die Umfragen sehen die Grünen derzeit bei 11 Prozent. Ein neuer Regierungspartner ist nicht in Sicht.

Der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck auf der Technologiekonferenz "Web Summit" in LissabonBild: Sebastian Gollnow/picture alliance/dpa

Habeck will von solchen Bedenken nichts wissen: "Ich habe jetzt keine Lust, hier als Verlierer vom Platz zu gehen. Es gibt jetzt gar keinen Grund, verzagt und verdrießlich zu sein. Ich habe lange geprüft nach diesen schwierigen Jahren, in denen ja auch mir gegenüber Vertrauen verloren gegangen ist, ob ich da noch ein Angebot machen kann. Und die Antwort ist: Ja."

Robert Habeck wird zum Wahlkämpfer

Er will das im Wahlkampf auf zwei Arten tun: Mit einer schonungslosen Analyse der Lage der Welt, darunter macht er es nicht. US-Wahlsieger Donald Trump, China, die Kriege in der Ukraine und in Nahost. Und was das alles für die Exportnation Deutschland bedeutet. Dann will er neue Angebote machen, obwohl die denen der Ampel nicht ganz unähnlich sind: "Wir haben in dieser Wahlperiode die Energie sauber gemacht, in der nächsten machen wir sie günstig. Wir müssen Mieten bezahlbar machen und eine neue Form von genossenschaftlichem Bauen fördern."

In den Umfragen liegen die Konservativen weit vorn, die Populisten von links und extrem-rechts könnten weiteren Zulauf bekommen. Am Ende eines kurzen Wahlkampfs könnte eine Koalition von CDU/CSU und den Sozialdemokraten stehen. Ob da noch Platz für die Grünen ist? Habeck will die Hoffnung nicht aufgeben. Das klägliche Ampel-Aus, so viel lässt er sich anmerken, ist ihm peinlich. Es kann nur besser werden. Für Koalitionsüberlegungen in alle Richtungen (außer mit den Populisten) zeigt er sich offen.

Seine letzte Reise als Minister? Vizekanzler Robert Habeck mit deutschen Ausstellern auf dem "Web-Summit" in LissabonBild: Jens Thurau/DW

Die Gründerinnen der Start-Up-Unternehmen fassen zum Abschluss der Reise nach Lissabon zusammen: Es fehlt an Kinderbetreuung, bei der Suche nach Investoren werden immer noch gründende Männer bevorzugt.

Zurück in Berlin will Habeck das alles zusammenfassen und weiter für die Frauen werben - auch in der nächsten Wahlperiode. Für den Moment will er wohl einfach so tun, als ginge es weiter für ihn.

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