1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Spanien: Risiko für Regierungschef Sánchez

Santiago Sáez rb
15. Februar 2019

Spaniens Regierungschef Sánchez zieht Konsequenzen aus dem abgelehnten Haushaltsplan: Er ruft Neuwahlen bis Ende April aus. Doch das könnte sein politisches Ende bedeuten, wie Santiago Saez aus Madrid berichtet.

Spanien Pedro Sanchez
Bild: Getty Images/AFP/P.-P. Marcou

Die Parlamentssitzung zur Verabschiedung des Haushaltsentwurfes für 2019 galt als eine reine Formalität. Aber letzte Woche änderte sich die Ausgangslage entscheidend: Die Verhandlungen mit den katalanischen separatistischen Parteien PDeCat und ERC scheiterten. Noch vor einem Jahr hatten die Separatisten die Bewerbung von Pedro Sánchez um das Amt des Ministerpräsidenten unterstützt. Doch in den Verhandlungen zum Haushalt präsentierten sie dafür ihre Rechnung: Sie forderten, dass die Regierung im Gegenzug für ihre Zustimmung zum Budget das Recht Kataloniens auf Selbstbestimmung anerkennt.

Das war aber genau die rote Linie, die die Regierung auf keinen Fall überschreiten wollte. Die Fronten verhärteten sich. Damit war die Haushaltsabstimmung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sánchez, der die sozialdemokratische PSOE leitet, versuchte, einen Vermittler zu benennen. Umsonst. Die Abgeordneten, die sich für eine Unabhängigkeit Kataloniens einsetzen und die dem Kabinett zuvor eine Liste mit 21 Forderungen vorgelegt hatten, lehnten dies ab. Zu den Forderungen gehörten das Recht auf Selbstbestimmung, der Einsatz internationaler Vermittler und die Einstellung aller Prozesse gegen Führer der katalanischen Separatisten.

Eine Wahl als Ausweg aus dem Dilemma

Sánchez wies das Papier zwar zurück, aber das hinderte rechte Parteien nicht daran, ihn des Verrats zu beschuldigen. Angeblich habe Sánchez einigen Forderungen des katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra nachgegeben. Sánchez geriet also unter Druck von Seiten der Separatisten wie des konservativen Lagers. Was tun? Der Regierungschef hat sich für vorgezogene Neuwahlen entschieden - für den 28. April. Die nächste reguläre Parlamentswahl wäre erst im Juni 2020 fällig gewesen. Doch eine "Weiter-so-Politik" ist für Sánchez offenkundig nicht mehr in Frage gekommen.

Ministerpräsident Sánchez und der katalanische Regionalchef Quim Torra im GesprächBild: Reuters/A. Gea

Ob sich dieses Manöver aber für ihn und seine PSOE auszahlt, ist fraglich. Zumindest nach jüngsten Umfragen. Sie sehen Vorteile für die Rechtsparteien. Deren Anhänger verbuchten bei der Regionalwahl in Andalusien einen enormen Stimmenzuwachs. Dabei war die bevölkerungsreichste Region Spaniens vier Jahrzehnte lang eine Hochburg der sozialdemokratischen PSOE. Dennoch: Nach einer Online-Umfrage der Zeitung El Pais führt die PSOE derzeit die Umfragen mit rund 24 Prozent an. Die konservative PP liegt bei 21 Prozent, die liberale Ciudadanos folgt mit knapp 18 Prozent. Die linke Podemos-Partei verliert weiter an Fahrt. Nach monatelangen internen Streitigkeiten ist sie auf 15 Prozent abgerutscht.

Unterstützung von Trumps Ex-Strategen

Die  rechtsextreme Vox, die bei den Wahlen in Andalusien ins Regionalparlament einzog, würde rund 10 Prozent der Stimmen erhalten. Entscheidend wird aber sein, wer mit wem koaliert. Im Moment deuten Umfragen auf einen Sieg einer möglichen Allianz aus konservativer PP, liberaler Ciudadanos und rechter Vox hin. Der politische Aufstieg von Vox, der Partei, die vom Rechtspopulisten und US-Präsident Trumps ehemaligen Chefstrategen Steve Bannon, beraten wird, hat das konservative Lager gespalten. Vox findet vor allen bei jenen konservativen Wählern Zuspruch, die jeglichen Dialog mit den katalanischen Separatisten ablehnen.

Der Chef der rechtspopulistischen Partei Vox, Santiago Abascal, fühlt sich von Umfragen gestärktBild: Getty Images/AFP/C. Quicler

Dennoch gibt es nach Einschätzung von Experten gute Gründe, die Sánchez bewogen haben, Neuwahlen auszurufen. Ein Grund sei die Tatsache, dass seine Rivalen nun vereint auftreten würden, sagt der Politikwissenschaftler und Herausgeber des Magazins Politikon, Pablo Simon. "Sánchez braucht PP, Ciudadanos oder Vox als einen homogenen Block auf der einen Seite und sich selbst auf der anderen Seite." Zudem könnten regionale und lokale Wahlen, die für den 26. Mai geplant sind, zu Allianzen zwischen PSOE und Ciudadanos führen, was Sánchez Strategie entscheidend voran bringen würde.

Neue Blockade nicht auszuschließen

"Wenn das rechte Bündnis von den 350 Sitzen im Parlament nicht eine absolute Mehrheit von mindestens 176 Sitzen erhält, gewinnt Sánchez", erläutert der Politikwissenschaftler Simon. Dann hätte der Ministerpräsident auch die nötige Luft, "um andere Wege zur Bildung einer stabilen Regierung auszuloten". Simon geht davon aus, dass die meisten Parteien in diesem Fall eine Koalition unter Beteiligung der Rechtspopulisten von Vox scheuen würden. So wie die Dinge stehen, wird Sánchez aber wohl keine Mehrheit anführen, wenn die Katalanen nicht ihre Meinung ändern. Es könnte zu einer weiteren Blockade und Wahl kommen.

Auch für die katalanischen Parteien ERC und PDeCat ist die vorgezogene Neuwahl von hohem Risiko. Wenn die rechten Parteien Stimmenzuwächse verzeichnen oder sogar gewännen, könnte die nordöstliche Region mit der Anwendung von Artikel 155 der Verfassung konfrontiert werden. Demnach könnte Madrid die Kontrolle über die Regionalregierung übernehmen. Das praktizierte letztes Jahr bereits vorübergehend die Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. "Wenn es eine rechte Regierung gäbe, die Artikel 155 anwendet, würde es hässlich werden, da selbst Katalanen, die sich nicht für eine Unabhängigkeit einsetzen, ihre Position überdenken würden", sagt Magda Bandera, Chefredakteurin der Zeitschrift La Marea.

Schwung für radikale Separatisten

Der Geschäftsführer des Instituts für politische Analysen Teneo, Antonio Barroso, weist auf eine weitere Entwicklung hin, die Sánchez Plan gefährden könnte. Der Prozess gegen Führer der katalanisch-separatistischen Unabhängigkeitsbewegung habe "dem radikaleren Flügel Schwung verliehen". Während des Prozesses wäre es politisch schädlich, wenn die Parteien, die sich für die Unabhängigkeit einsetzen, "als Unterstützer Madrids wahrgenommen würden", erklärt Barroso der DW. Sánchez müsste mit heftigem Widerstand aus Katalonien rechnen.

Der Prozess gegen Führer der katalanischen Separatisten belastet das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Madrid und BarcelonaBild: Reuters TV

Die Kommunalwahlen am 26. Mai könnten die Dinge noch komplizierter machen. Der interne Wettbewerb zwischen ERC und PDeCat, die die katalanische Bürgermeisterin Ada Colau stürzen und die Macht in Barcelona übernehmen wollen, wächst. "Für sie ist der politische Raum Spaniens zweitrangig. Die katalanische Regierung und das Rathaus von Barcelona sind das, was ihnen wirklich wichtig ist", erklärt der Politikwissenschaftler Simon. Auch diese Rivalität dürfte es für Sánchez nicht einfacher machen, eine Mehrheit zu finden.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen