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Neuwahlen: mit Social Media und Likes in den Wahlkampf

Helen Whittle
14. November 2024

Die deutsche Politik schaltet um auf Wahlkampf-Modus. Welche Rolle dabei soziale Medien spielen - und was Elon Musk damit zu tun hat.

Blick auf einen Auftritt der AfD auf Socialmedia unter der Überschrift: "Alice Weidel rechnet mit Ampel ab"
Auf TikTok erfolgreich: die in Teilen rechtsextreme AfDBild: Guido Schiefer/IMAGO

Mit einer lebhaften Debatte im Bundestag hat am Mittwoch (13.11.) der Wahlkampf in Deutschland begonnen. Gleich zu Beginn stand eine Warnung vor dem Missbrauch sozialer Medien. "Seit gestern kursieren im Netz KI-generierte Fake Videos über mich", berichtete Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der CDU, der größten Oppositionspartei im Bundestag.

"Das gibt einen Vorgeschmack auf die Art und Weise des Wahlkampfs, den Sie hier in Deutschland offensichtlich zu führen bereit sind", sagte Merz in Richtung der SPD. Einer ihrer Abgeordneten hatte ein Video geteilt, in dem ein Computer-generierter Merz seine Verachtung der Demokratie zum Ausdruck bringt.

Bis zu den am 23. Februar geplanten vorgezogenen Neuwahlen dürften ähnliche Inhalte in den sozialen Medien die Runde machen. Doch nicht nur aufgrund der Angst vor Desinformation werden soziale Medien im Wahlkampf wohl im Fokus stehen.

Kanzler (links) und Kanzlerkandidat: Olaf Scholz und Friedrich Merz am 13.11. im BundestagBild: Felix Zahn/photothek/picture alliance

Es ist vor allem der Erfolg der in Teilen rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD), der den Einfluss der sozialen Medien für Wahlen in Deutschland deutlich gemacht hat. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen im September erhielt sie knapp über 30 Prozent der Stimmen. Dies wurde zum Teil darauf zurückgeführt, dass es der AfD gelang, viele Erstwähler auf TikTok zu erreichen.

Laut Matthias Kettemann, Experte für Internetregulierung und Medienrecht an der Universität Innsbruck in Österreich, ist es unmöglich, genau zu sagen, welchen Einfluss soziale Medien auf die öffentliche Meinung und demokratische Entscheidungsprozesse haben. Klar sei jedoch, dass immer mehr Menschen die sozialen Medien nutzten und dass es einen Trend zur Polarisierung gebe. 

"Die Parteien der extremen Rechten und der extremen Linken schneiden in den sozialen Medien tendenziell besser ab, weil sie einfachere Geschichten zu erzählen haben, die wiederum zusammen mit den Verstärkungsalgorithmen der Plattformen das Engagement fördern", sagt Kettemann der DW.

Beobachter sind auch über den wachsenden Einfluss des reichsten Manns der Welt, den Eigentümer der Plattform X, Elon Musk, besorgt. Er war wohl Trumps wichtigster Verbündeter bei seiner Kampagne zur Wahl des US-Präsidenten. Nach dem Zusammenbruch der Regierungskoalition in Deutschland am 6. November bezeichnete Musk den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz als "Narr".

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen gab derweil nach sechs Jahren Pause ein überraschendes Comeback auf der Mikroblogging-Plattform und sagte, er halte es nicht für richtig, X den "Schreihälsen und Populisten" zu überlassen.

Schlammschlacht statt Debatte?

"Das größte Problem ist die Desinformation von oben", sagt Jörg Hassler, Experte für digitale und politische Kommunikation an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zudem konzentrierten sich Politiker vermehrt auf persönliche Angriffe auf ihre Konkurrenten oder nebensächliche Themen wie Wahltermine.

"Die wichtigen Themen sind, wie gut es der Wirtschaft geht, ob die Menschen in der Lage sind, staatliche Unterstützung zu bekommen und ähnliche mehr. Aber es scheint, dass viele Politiker nicht daran interessiert sind, darüber zu sprechen", sagt Hassler der DW.

Wie Rechtsextreme auf Social Media manipulieren

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In Deutschland unterliegt Wahlkampf-Kommunikation in traditionellen Medien rechtlichen Grenzen, zum Beispiel durch Datenschutzgesetze und Gesetze zur Parteienfinanzierung. Doch die sozialen Medien sind zur wichtigen Informationsquelle geworden. Zahlreiche Inhalte zirkulieren zwischen den sozialen Medien und den traditionellen Medienkanälen.

Gemäß der jährlichen Umfrage des Reuters Institute for the Study of Journalism gaben 2022 erstmals mehr Bundesbürger an, dass sie Nachrichten hauptsächlich online und nicht im Fernsehen verfolgten. Nach der aktuellen ARD/ZDF-Medienstudie nutzen 7 Prozent der deutschen Bevölkerung X regelmäßig, Instagram 37 Prozent, Facebook 33 Prozent und TikTok 18 Prozent.

"Mit sozialen Medien kann man keine Wahlen gewinnen, aber man kann sie verlieren", sagt Hassler. Er verweist auf das Beispiel von Armin Laschet, der als CDU-Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2021 antrat. Laschets Wahlkampf war praktisch gescheitert, nachdem Videos von ihm in Sozialen Medien geteilt wurden. Sie zeigten ihn lachend - bei einem offiziellen Besuch in einer von extremen Überschwemmungen verwüsteten Region in der Mitte Deutschlands, wo Menschen in den Fluten gestorben waren. Auf X, damals noch Twitter, verbreitete sich Empörung unter dem Hashtag "#laschetlacht".

Gefahr durch Einfluss aus dem Ausland

Ausländische Akteure könnten bei der bevorstehenden Bundestagswahl ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, sagt Medienrechtler Kettemann der DW. Mit Desinformationskampagnen und Bot-Farmen auf Messaging-Apps wie Telegram und WhatsApp würden sie bestimmte Narrative verbreiten. 

 "Wir wissen, dass Russland bestimmte politische Parteien in Deutschland bevorzugt. Sie wollen die Polarisierungstendenzen innerhalb der deutschen Gesellschaft verschärfen. Und das ist eine Gefahr, der wir uns im Vorfeld der Bundestagswahl sehr bewusst sein sollten", warnt Kettemann. Die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) setzen vielfach auf pro-russische, sozialkonservative, einwanderungs- und klimaschutzfeindliche Themen.

Versuche zur Regulierung von Social-Media-Plattformen

Die EU hat mit dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act - DSA) bereits ein umfassendes Regelwerk für soziale Medien und digitale Marktplätze eingeführt. Es soll schädliche Aktivitäten im Internet sowie die Verbreitung von Desinformationen verhindern.

In einer im Juli veröffentlichten vorläufigen Untersuchung stellten die EU-Aufsichtsbehörden fest, dass X gegen den DSA verstoße. Sie erklärten, dass das System der blauen Häkchen für verifizierte Konten "die Nutzer täuscht", dass die Plattform "die erforderliche Transparenz in Bezug auf Werbung" nicht sicherstelle und "Forschenden keinen Zugang zu seinen öffentlichen Daten" gewähre.

Nun gelte es, die Gesetzgebung umzusetzen, sagt Kettemann. Das werde nicht mehr rechtzeitig vor der Bundestagswahl im Februar geschehen. "Einige Plattformen wie X scheinen in keiner Weise den EU-Vorschriften zu entsprechen, so dass es eine ziemliche Herausforderung sein wird, diese Plattform mit den demokratischen Werten und den EU-Vorschriften in Einklang zu bringen", analysiert er.

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Dies könnte in Zukunft noch schwieriger werden, weil die Rolle von Elon Musk in der US-Politik wächst, befürchtet Kettemann. Der designierte US-Vizepräsident JD Vance hatte in einem Interview angedeutet, dass die USA ihre Unterstützung für die NATO zurückziehen könnten, wenn die EU versucht, Musks X zu regulieren.

Kettemann fordert die etablierten demokratischen Parteien auf, ihre Aktivitäten auf den Social-Media-Plattformen zu verstärken. Sie sollten das Feld nicht denjenigen überlassen, die Desinformationen streuen.

"Wir müssen den Kampf aufnehmen", betont er. Das sei besonders wichtig, weil sich immer mehr Wähler, besonders junge Wähler, vor allem in den sozialen Medien über Politik und Weltgeschehen informierten.

Dieser Text wurde aus dem Englischen übersetzt.

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