Vor dem ersten regulären NFL-Spiel auf deutschem Boden am Sonntag in München steigen Spannung und Vorfreude. Das Interesse an American Football ist riesig und Deutschland wird für die US-Profiliga immer wichtiger.
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"Wir hätten mehr als drei Millionen Karten verkaufen können", sagt Alexander Steinforth gegenüber der DW vor dem Spitzenspiel zwischen den Seattle Seahawks und den Tampa Bay Buccaneers, das am Sonntag in der Arena in München stattfindet. Mit einem gewissen Stolz fügt der Geschäftsführer der National Football League (NFL) für Deutschland hinzu: "Wir haben in den letzten Jahren eine großartige Entwicklung für die NFL und den American Football in Deutschland erlebt."
Deutschland sei der Wachstumsmarkt Nummer eins. "Wir verzeichnen ein zweistelliges Wachstum, wenn es um die Fangemeinde und die soziale Reichweite geht", erklärt Steinforth. "Wir freuen uns sehr, dass wir endlich das erste reguläre Saisonspiel hier in Deutschland austragen können, nicht nur für uns, sondern vor allem für unsere Fans."
Tom Brady in München
Die Vorfreude der deutschen Football-Fangemeinde auf das Spiel wurde sogar noch gesteigert, als der legendäre Buccaneers-Quarterback Tom Brady, der im Februar eigentlich seinen Rücktritt erklärt hatte, nach nur 40 Tagen im Ruhestand verkündete, seine Karriere doch noch einmal fortzusetzen. Und nicht nur die Fans von Brady und den Buccaneers fiebern dieser bislang einmaligen Gelegenheit entgegen. Auch die Seahawks haben in Deutschland eine große Anhängerschaft. Die NFL-Franchise aus Seattle hat mit den 1300 Mitglieder starken "German Sea Hawkers" sogar den größten deutschsprachigen Fanklub.
Diese Popularität ist zum Teil auf die Erfolge der berühmten "Legion of Boom" zurückzuführen. Der Spitzname geht auf die - vor allem wegen der herausragenden Verteidigung - sehr erfolgreiche Periode der Seahawks zwischen 2012 und 2015 zurück. Damals begann auch die Ausstrahlung von NFL-Spielen im frei empfangbaren Fernsehen in Deutschland.
"Wir spielen in dieser sehr coolen Arena, die auf den Bildern fantastisch aussieht", sagte Brady am Montag in seinem Podcast. "Das Stadion wird rocken, und wenn es auch nur annähernd so ist, wie bei den Bundesligaspielen, dann wird das eines der epischsten Spiele, die wir je erlebt haben. Ich bin super aufgeregt", fügte er hinzu.
Letzter Versuch, Europa zu erobern
Vor dem möglicherweise "epischen Spiel" in München war die NFL in der Vergangenheit mit mehreren Versuchen gescheitert, American Football auch auf dem europäischen - und insbesondere dem deutschen - Markt nachhaltig zu verwurzeln. Mit Unterbrechungen gab es von 1991 bis 2007 die World League of American Football (WLAF), die später in NFL Europe umbenannt wurde. Die Teams, die nicht alle über die gesamte Dauer mit dabei waren, kamen aus Frankfurt, London, Barcelona, Berlin, Düsseldorf, Köln, Hamburg, Amsterdam und Edinburgh. Auf dem Feld standen allerdings meist keine Europäer, sondern hoffnungsvolle US-Talente, die zunächst keinen Platz in einem NFL-Team ergattert hatten. Einen Massenboom löste die europäische Football-Liga aber nicht aus, daher wurde sie nach mehreren verlustreichen Saisons schließlich eingestellt.
Zurück blieb jedoch eine tiefe Verbundenheit der eingefleischten Football-Fans mit den deutschen Teams, wie den Rhine Fire aus Düsseldorf, den Frankfurt Galaxy und den Hamburg Sea Devils. Dieses Fanpotential nutzte im Jahr 2021 die semiprofessionelle und von der NFL unabhängige European League of Football (ELF), indem sie bei Ligagründung unter anderem Teams von den alten NFL-Europe-Standorten unter deren alten Namen aufnahm.
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American Football zweitbeliebteste Sportart
Die ELF, die eng mit der NFL zusammenarbeitet, wurde binnen kürzester Zeit zum Erfolgsmodell: In der ersten Saison kamen sechs von acht Mannschaften aus Deutschland, dazu jeweils eins aus Polen und Spanien. Schon im zweiten Jahr expandierte die Liga mit vier neuen Teams, zwei aus Österreich und je eins aus Deutschland und der Türkei. 2023 kommen neben einer Mannschaft aus München vier weitere aus Italien, Ungarn, der Schweiz und Tschechien hinzu. Bereits im ersten ELF-Jahr zeigte eine im Auftrag von Online Marketing Rockstars (OMR) durchgeführte Umfrage, dass American Football bei den 14- bis 49-Jährigen in Deutschland die zweitbeliebteste Sportart nach Fußball ist.
"Wir haben festgestellt, dass es ein enormes Interesse an dem Sport und der Liga gibt, und das freut uns", sagt Alexander Steinforth. "Wir sind uns bewusst, dass es in Deutschland historisch gesehen eine sehr starke Verbandsinfrastruktur gibt, wahrscheinlich die stärkste in ganz Europa, und wir sind überzeugt, dass alles, was gut für American Football ist, nicht nur der NFL, sondern auch allen anderen deutschen American-Football-Akteuren zugutekommt."
Steinforth: "Wir wollen, dass Kinder American Football spielen"
Entscheidend wird sein, dass sich die NFL nicht nur auf das bestehende Interesse am American Football konzentriert, sondern gleichzeitig dafür sorgt, dass die Leidenschaft für das Spiel schon in jungen Jahren beginnt und gefördert wird. Als Einstieg in den American Football dient Flagfootball, die kontaktlose Version des American Football, die von Jugendmannschaften gespielt wird. Allein in Frankfurt gibt es derzeit 25 Flag-Football-Teams. Alexander Steinforth ist der Meinung, dass dies eine der wichtigsten Möglichkeiten ist, neue Fans für das Spiel zu gewinnen.
"Das Spiel in München ist eine Sache, aber für uns geht es darum, das ganze Jahr über aktiv zu sein", erklärt er. "Deshalb investieren wir viel Zeit und Mühe in unser landesweites Flagfootball-Programm. Wir wollen sicherstellen, dass es nicht nur ein Medienprodukt ist, sondern wirklich etwas Greifbares." Im Oktober leitete daher Mike Rucker, ehemaliger NFL-Profi der Carolina Panthers, ein Flagfootball-Training und ein lokales NFL-Flagfootball-Turnier in Frankfurt, an dem 90 Spieler aus gemischten Ligen teilnahmen.
Die Panthers sind neben den Kansas City Chiefs, den New England Patriots und den Buccaneers eines von vier NFL-Teams, die 2021 einen Fünfjahresvertrag über internationale Marketingrechte für Deutschland erhalten haben. Die Liga hat sich außerdem zu drei weiteren regulären Saisonspielen in den nächsten vier Jahren verpflichtet: eines in München (2024) und zwei in Frankfurt (2023 und 2025).
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.
American Football - ein simples Spiel?
Die Sportart ist eigentlich einfach: zwei Teams, 100 Yards, zwei Endzonen, zwei Tore. Jedoch steckt mehr als nur ein bisschen Passen, Laufen und Kicken dahinter. Hier die wichtigsten Begriffe.
Bild: Getty Images/R. Foldy
Spielidee
Das Spielfeld ist 100 Yards lang. Das angreifende Team hat jeweils vier Versuche, um zehn Yards weiter zu kommen. (First, Second, Third and Fourth Down). Gelingt das, gibt es wieder vier Versuche für die nächsten zehn Yards. Der Ball kann getragen oder gepasst werden. Ziel ist die Endzone an der Kopfseite des Spielfelds. Dahinter stehen die Torstangen, durch die Field Goals erzielt werden können.
Bild: picture-alliance/Newscom
Elf gegen Elf
Jede Mannschaft hat elf Spieler auf dem Feld, die sich an der "Line of Scrimmage" (Gedrängelinie) gegenüberstehen. Eine Mannschaft besteht aus mehreren Teams, dem angreifenden Team (Offense), dem verteidigenden Team (Defense) und Special Teams für besondere Spielsituationen, wie Field Goal oder Kickoff. Im Schnitt bestehen die Profikader der National Football League (NFL) aus 35 bis 40 Spielern.
Bild: Getty Images/R. Foldy
Kickoff
Durch Münzwurf wird entschieden, welche Mannschaft zunächst verteidigt - sie führt auch den Kickoff aus. Der Ball wird aus einem kleinen Plastikständer, dem "Tee", weit in die gegnerische Hälfte gekickt. Das angreifende Team fängt ihn und läuft damit so weit wie möglich nach vorne. Dort wo der Kickoff Return gestoppt wird, geht es anschließend mit dem ersten First Down des Spiels weiter.
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Touchdown
Wird der Ball erfolgreich in die gegnerische Endzone getragen oder gepasst, ist das ein Touchdown, der sechs Punkte bringt. Anschließend gibt es die Möglichkeit, weitere Punkte zu erzielen. Entweder durch den Extra-Point-Kick, bei dem der Ball von der 15-Yard-Linie durch die Torstangen gekickt wird (ein weiterer Punkt), oder indem er erneut in die Endzone getragen oder gepasst wird (zwei Punkte).
Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Dempsey
Field Goal
Neben dem Touchdown ist das Field Goal die gängigste Variante Punkte zu erzielen. Wenn die Offense im vierten Versuch nah genug am gegnerischen Tor ist, das sich hinter der Endzone befindet, versucht sie ein Field Goal. Der Ball muss dabei über die Quer- und zwischen den Vertikalstangen hinduch geschossen werden. Die Defense darf versuchen zu blocken. Ein Field Goal gibt drei Punkte.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Sachs
Punt
Muss das angreifende Team in den vierten Versuch und ist dabei noch nicht auf Field-Goal-Distanz an das gegnerische Tor herangerückt, wird der Ball meist gepuntet. Das bedeutet, er wird aus dem Lauf im hohen Bogen über die Defensive hinweg in die gegnerische Hälfte gekickt. Damit wechselt das Angriffsrecht, allerdings möglichst weit weg von der eigenen Endzone.
Bild: Getty Images/J. O. Watson
Quarterback
Der Quarterback ist der Regisseur des Spiels. Er sagt die Spielzüge an und verteilt die Bälle an seine Mitspieler. Zum Beispiel an den Running Back, einen Läufer, der versucht, den Ball möglichst weit durch die Verteidungsreihe des Gegners zu tragen - oder mit einem langen Pass auf Spieler, die sich weiter vorne freigelaufen haben. Der Quarterback darf aber auch selbst mit dem Ball laufen.
Bild: picture alliance/The Record/D. Parhizkaran
Wide Receiver
Die Wide Receiver sind normalerweise die schnellsten Spieler des Teams. Sie sprinten an den Außenseiten nach vorne, laufen sich frei und warten auf einen langen Pass. Haben sie den Ball gefangen, versuchen sie, ihn bis in die Endzone zu tragen. Mit einem erfolgreichen Pass auf den Wide Receiver kann das angreifende Team oft mehr als 20, 30 oder mehr Yards mit nur einem Spielzug überbrücken.
Bild: picture-alliance/dpa/E. S. Lesser
Tackle
Während die Offense versucht, den Ball möglichst weit nach vorne zu tragen, ist es das Ziel der Defense dies zu unterbinden. Allerdings darf nur der ballführende Spieler getackelt und zu Fall gebracht werden. Auch beim Tacklen gibt es Regeln: Verboten sind zum Beispiel der Griff ins Helmgitter, das Behindern des Passempfängers beim Fangen oder ein Stoß mit dem Helm gegen den Helm des Gegners.
Bild: picture-alliance/dpa/T. Maury
Sack
Führt die Defense ein erfolgreiches Tackling gegen den Quarterback aus, nennt man das einen Sack. Meist kommt es dazu, wenn die Defensive gut steht, der Quarterback keine passende Anspielstation findet und den Ball daher zu lange hält. Gesackt zu werden, ist für den Quarterback immer peinlich, möglicherweise schmerzhaft und wird von der Defense entsprechend gefeiert.
Bild: picture-alliance/dpa/D. Eulitt
Fumble
Lässt ein Spieler den Ball unfreiwillig aus den Fingern gleiten, kann das schlimme Folgen haben. Durch solch ein Fumble wird der Ball frei, das bedeutet die verteidigende Mannschaft kann sich beeilen, ihn aufzunehmen und sich dadurch das Angriffsrecht sichern. Insbesondere gegen Ende von knappen Spielen und in der Nähe der eigenen Endzone können Fumbles daher schmerzhaft sein.
Bild: picture alliance/TNS/S. Riche
Interception
Laut wird es auf den Rängen immer dann, wenn es der Defense gelingt, einen Pass abzufangen. Der Verteidiger, der den Ball fängt, wird damit sofort zum Angreifer und kann versuchen, durch die gegnerischen Reihen soweit es geht nach vorne zu sprinten. Für den Quarterback ist eine Interception eine Peinlichkeit. Sie passiert in der Regel aber nicht öfter als maximal ein- bis zweimal pro Partie.
Bild: picture-alliance/dpa/L. W. Smith
Coaches
Neben dem Cheftrainer (Head Coach) hat jedes NFL-Team etwa 15 Assistenztrainer. Es gibt eigene Koordinatoren für die Offense und die Defense, einen Trainer für den Quarterback, einen für die Special Teams und weitere für einige andere Positionen. Während des Spiels sind die wichtigsten Trainer per Headset miteinander und mit den Schlüsselspielern auf dem Feld verbunden und geben Kommandos.
Bild: Getty Images/R. Carr
Schiedsrichter
Da American Football ein sehr schnelles Spiel mit hohem Körpereinsatz ist, braucht es eine ganze Crew von Schiedsrichtern, um alles mitzubekommen. Mindestens sind vier, in der Profiliga NFL sogar sieben Unparteiische pro Partie auf dem Feld. Jeder von ihnen überwacht einen anderen Bereich des Spiels. Der Ober-Schiedsrichter heißt Referee, oder wegen seiner weißen Kappe auch "Whitecap".
Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Dempsey
Cheerleader
Für gute Stimmung im Publikum sorgen - neben gelungenen Aktionen auf dem Feld - die Cheerleader. Für viele US-amerikanische Mädchen und junge Frauen ist es ein Traum, ein NFL-Cheergirl zu werden. Allerdings sind die Auswahlverfahren und die Arbeitsbedingungen hart - bei geringer Bezahlung.