Im so genannten "Hymnenstreit" einigen sich die Teambesitzer der nordamerikanischen Football-Profiliga NFL auf eine neue Regelung. Die Spielergewerkschaft ist alles andere als begeistert.
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Spieler der nordamerikanischen Football-Profiliga NFL müssen künftig stehen, während die Nationalhymne abgespielt wird. Sollten sie als ein Zeichen des Protests knien, würden die Vereine und auch die Spieler bestraft, teilte NFL-Commissioner Roger Goodell am Mittwoch beim Frühjahrstreffen des Verbands. "In dieser Saison soll das gesamte Personal des Teams und der Liga stehen und der Flagge und der Nationalhymne Respekt erweisen", heißt es in der Erklärung, die von den NFL-Teambesitzern abgenickt wurde. Allerdings ließen sie protestierenden Spielern noch eine kleine Hintertür offen: "Personal, das sich dafür entschieden hat, für die Hymne nicht aufzustehen, darf in der Umkleidekabine bleiben, bis die Hymne abgespielt ist."
Mit dieser Entscheidung zog die NFL die Konsequenz aus dem so genannten "Hymnenstreit", in den sich auch US-Präsident Donald Trump eingeschaltet hatte. NFL-Profis hatten während der Hymne immer wieder das Knie gebeugt, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze und Rassendiskriminierung zu protestieren. Trump hatte diese Spieler als "Hurensöhne" bezeichnet, die gefeuert werden sollten. Auf die NFL-Teams hatte er Druck ausgeübt.
Spielergewerkschaft nicht eingebunden
Die Spielergewerkschaft NFLPA kritisierte die Entscheidung der Teambesitzer und warf ihnen vor, nicht in die Diskussion eingebunden worden zu sein. Wenn sich Spieler hingekniet hätten, sei es nie darum gegangen, gegen die Nationalhymne zu protestieren, teilte die NFLPA mit: "NFL-Spieler haben ihre Patriotismus durch ihre sozialen Aktivitäten gezeigt, durch ihren Dienst an der Gemeinschaft, mit ihrer Unterstützung unseres Militärs und der Exekutive - und ja, auch durch ihre Proteste, um die Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, die ihnen am Herzen liegen."
Urheber der Protestform kaltgestellt
Sportlerproteste: Gebeugtes Knie, erhobene Faust
NFL-Quarterback Colin Kaepernick war der Erste, der sich aus Protest gegen Polizeigewalt gegen Schwarze während der Hymne hinkniete. Er steht in einer langen Reihe von Sportlern, die ein politisches Zeichen setzten.
Bild: AP
Black Power in Mexiko City
Das Bild der beiden US-amerikanischen 200-Meter-Läufer Tommie Smith (2.v.r.) und John Carlos (r.) ist zur Ikone geworden. Bei der Siegerehrung der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko City recken sie die Faust im schwarzen Handschuh nach oben, das Zeichen das Black-Power-Bewegung, die sich für politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der schwarzen Bevölkerung einsetzt.
Bild: AP
"Kein Vietcong hat mich je Nigger genannt!"
Eng mit Black Power ist auch die Nation of Islam verbunden, der US-Bürgerrechtler Malcolm X (l.) angehört. Prominentes Mitglied der "Black Muslims" wird 1964 Boxweltmeister Cassius Clay alias Muhammad Ali (r.). 1967 verweigert Ali den Wehrdienst, weil er nicht in den Vietnamkrieg geschickt werden möchte. Er verliert daraufhin seine WM-Titel und seine Boxlizenz.
Bild: picture-alliance/AP Photo
Widerstand auf den Knien
Im August 2016 stand Colin Kaepernick für die US-amerikanische Nationalhymne, die vor jedem Spiel gespielt wird, nicht auf. Im Gegenteil: Der Quarterback der San Francisco 49ers kniete sich aus Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze hin. Es kam zum Eklat, befeuert durch Tweets des US-Präsidentschaftskandidat Trump. In der neuen Saison bekam Kaepernick keinen neuen Vertrag mehr.
Bild: Reuters/USA Today Sports/K. Lee
Breite Unterstützung
Seit dem ersten Hinknien Kaepernicks, sind viele seinem Beispiel gefolgt. Auch in der kürzlich gestarteten neuen NFL-Saison, knien Spieler und Offizielle bei der Hymne. US-Präsident Trump kommentiert das Verhalten weiterhin auf Twitter - teilweise garniert mit wüsten Beschimpfungen. Das forderte unter anderem eine Antwort von Basketballer LeBron James heraus: "Unser Präsident ist ein Arschloch!"
Bild: picture-alliance/dpa/M.York
Ein Symbol der Tyrannei
Jahre bevor Colin Kaepernick der US-Hymne den Respekt verweigerte, wollte NBA-Basketballer Mahmoud Abdul-Rauf nicht aufstehen, wenn in der Halle "The Star-Spangled Banner" gespielt wurde. Der Grund: Der gläubige Moslem sah in der US-Flagge ein Symbol der Tyrannei. Aufzustehen stehe daher im Gegensatz zu seinem Glauben. Er wurde kurz gesperrt und betete fortan immer, wenn die Hymne lief.
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Spencer Green
Schwarzes Leben zählt
Nach dem Freispruch eines weißen US-Amerikaners, der den schwarzen Teenager Trayvon Martin erschossen hatte, entstand 2013 die "Black Lives Matter"-Bewegung. Mit dabei war unter anderem Basketball-Superstar LeBron James. 2014 trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift: "I Can’ Breathe". Das waren die letzten Worte von Eric Garner, einem Schwarzen, der im Würgegriff eines weißen Polizisten erstickte.
Bild: imago/UPI Photo
Gleiche Chancen für alle
Sechs Jahre bevor die australische Läuferin Cathy Freeman bei Olympia in Sydney zur Nationalheldin wird, bringt sie Teile der konservativen Bevölkerung gegen sich auf. 1994 bei den Commonwealth Games geht Freeman, selbst eine Aborigine, mit der Flagge der australischen Ureinwohner auf die Ehrenrunde. Sie will damit auf die Benachteiligung ihrer Volksgruppe in der Gesellschaft aufmerksam machen.
Bild: picture-alliance/Zumapress
Opfer der Politik
Hätte er starten dürfen, er hätte wohl mindestens eine Medaille gewonnen, vielleicht sogar Olympisches Gold. Doch da die westliche Welt die Olympischen Spiele 1980 nach dem Einmarsch Russlands in Afghanistan boykottiert, kann der deutsche Zehnkämpfer Guido Kratschmer in Moskau nur zuschauen. Vier Jahre später revanchiert sich der Ostblock mit seinem Boykott der Spiele von Los Angeles.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Leonhardt
Gegen Ausgrenzung und Unterdrückung
Als Feyisa Lilesa beim Olympia-Marathon in Rio als Zweiter über die Ziellinie läuft, hebt er die überkreuzten Arme, die Hände zu Fäusten geballt. Der Äthiopier möchte mit dieser Geste auf das Unrecht hinweisen, dass dem Volksstamm der Oromo in seiner Heimat widerfährt. Obwohl sie die größte Volksgruppe des Landes sind, haben sie politisch kaum Einfluss. Proteste werden gewaltsam niedergeschlagen.
Bild: Getty Images/AFP/O. Morin
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Den Anfang hatte im August 2016 Colin Kaepernick gemacht, damals erfolgreicher Quarterback der San Francisco 49ers. Er trat eine regelrechte Welle los, der sich später auch Sportler außerhalb des Footballs anschlossen. Kaepernick erhielt in der folgenden NFL-Saison keinen Vertrag mehr. Seitdem wartet er auf ein neues Engagament. "Sportlern sollte die Beschäftigung nicht verweigert werden auf der Basis von parteiischen politischen Provokationen durch die Exekutive unserer Regierung", erklärte Kaepernick im Oktober 2017 in Richtung Trump. "Ein solcher Präzedenzfall bedroht alle patriotischen Amerikaner und erinnert an die dunkelsten Tage unserer Nation." Kaepernick hat die NFL-Teambesitzer verklagt. Er wirft ihnen vor, sich abgesprochen zu haben, um ihn aus dem Football zu verbannen.