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PolitikAsien

NGO ruft zu Spenden für afghanische Pässe auf

8. November 2021

Die deutsche NGO "Mission Lifeline" sammelt Geldspenden für bedrohte Personen in Afghanistan. Damit sollen Pässe zur Ausreise finanziert werden.

Kabul, Afghanistan | Taliban wollen wieder Pässe ausgeben
Bild: Jorge Silva/Reuters

Mit einem ungewöhnlichen Spendenaufruf will die deutsche NGO "Mission Lifeline", eine Organisation, die vor allem durch ihre Seerettungsaktionen für Flüchtlinge im Mittelmeer bekannt wurde, bedrohten Afghanen helfen, in den Besitz eines Reisepasses zu gelangen.

Anfang Oktober warteten noch knapp 25.000 Afghanen mit Aufnahmegenehmigung auf ihre Ausreise nach Deutschland. Dies meldete die Deutsche Presseagentur (dpa) vor einigen Tagen unter Berufung auf eine ihr vorliegende Ausreiseliste der Bundesregierung. Laut einem vertraulichen Bericht über die Lage in Afghanistan des Auswärtigen Amts sei es zu "Hinrichtungen" von ehemaligen Regierungsmitarbeitern und Sicherheitskräften sowie von politischen Gegnern und Mitgliedern der Zivilgesellschaft durch die Taliban gekommen. Vor allem in den Städten beklagten Vertreter dieser Gruppen eine "massive Beschneidung ihrer Grundrechte und Freiheiten" und müssten Vergeltung fürchten. Des weiteren gebe es Berichte über Hausdurchsuchungen, willkürliche Verhaftungen, gewaltsames Verschwindenlassen.

Vor diesem Hintergrund hat Axel Steier, Gründer und Sprecher von "Mission Lifeline", einen Spendenaufruf auf Twitter lanciert, um bedrohte Afghanen in den Besitz eines Reisepasses zu bringen.

Er stehe in Kontakt mit sehr vielen Afghanen, die eine Aufnahmezusage der Bundesregierung hätten, das Land aber nicht verlassen könnten, so Axel Steier im Interview mit der DW.

Riskante Passbeschaffung

Steier weist darauf hin, dass sich die Lage für diese Menschen in den vergangenen Wochen verschärft habe. Bis in den Oktober hätten Afghanen auch mit anderen Ausweispapieren als einem Pass nach Pakistan ausreisen können. Dafür hätten so genannte Verbalnoten, ausgestellt vom Auswärtigen Amt, genügt. Diese würden inzwischen aber von Pakistan nicht mehr akzeptiert, das jetzt einen gültigen Reisepass verlange.

"Sehr wenige Menschen haben Pässe, und daran kann die Ausreise scheitern. Zum anderen haben natürlich sehr viele Personen, die sich derzeit verstecken müssen, Schwierigkeiten, an Pässe zu gelangen, ohne sich zu gefährden", berichtet Steier.

Noch Tausende Afghanen warten auf den Abflug aus aus KabulBild: Marwan Tahtah-Balkis Press/abaca/picture alliance

Den bedrohten Afghanen will "Mission Lifeline" nun durch Spenden aus Deutschland zu einem Pass verhelfen. Die Gelder überweist die Organisation an eine Agentur in Afghanistan, die sich dann um die Pässe kümmere. "Das geschieht, indem die Agentur Personen engagiert, die die Pässe bei den zuständigen Behörden abholen." Bearbeitet würden die Anträge meist von Beamten, die bereits unter der gestürzten Regierung Dienst taten.

Kritik an der Bundesregierung

Vor den Schaltern bildeten sich meist lange Schlangen von Wartenden, die von den Taliban teils überwacht und teils schikaniert würden. Die von der Agentur engagierten Boten sorgten dafür, dass für die gefährdeten Personen nicht so viele Wege anfielen und sie sich nicht vor Schaltern anstellen müssten. Denn damit nähmen sie das Risiko auf sich, von den Taliban entdeckt zu werden. "Insofern ist diese Hilfe für sie überlebenswichtig."

Die Kosten für die Beschaffung eines Reisepasses und eines Flugtickets belaufen sich laut Steier auf rund 800 US-Dollar für Erwachsene und 600 US-Dollar für Kinder. "All das bezahlt die Bundesregierung nicht", kritisiert Steier: "Sie lässt die Leute im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen."

Warteschlange vor dem Passamt in Kabul 2016 Bild: DW/H. Sirat

"Wir stehen in ständigem intensivem Austausch sowohl mit den Nachbarländern Afghanistans als auch mit weiteren internationalen Partnern wie Katar, um weitere Ausreisen zu ermöglichen", heißt es in einer Stellungnahme aus dem Auswärtigen Amt gegenüber der DW. "In diesen Gesprächen wird auch thematisiert, dass viele Afghaninnen und Afghanen keine Pässe haben."

Derzeit, heißt es in der Stellungnahme weiter, sei eine Ausreise in die Nachbarländer Afghanistans nur mit Pass und Visum möglich. "Gerüchte über Möglichkeiten, Pässe zu kaufen, haben wir zur Kenntnis genommen. Da sich die Bundesregierung aber an Recht und Gesetz halten muss, können wir den Kauf von Pässen nicht unterstützen."

"Begrüßenswertes Engagement"

Auf der Regierungspressekonferenz vom 3. November auf das Engagement von "Mission Lifeline" angesprochen, bekräftigte Sprecher Christofer Burger das grundsätzliche Interesse des Außenministeriums an einer Zusammenarbeit mit NGOs. Das Auswärtige Amt, so Burger, stehe im Rahmen seiner Bemühungen um Hilfe für bedrohte Afghanen auch im Austausch mit mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen, die zum Teil ganz hervorragende Arbeit leisteten. Es gebe Dinge, die ein Staat und eine Regierung besser könnten als Zivilgesellschaft. "Aber es gibt auch Dinge, die Zivilgesellschaft besser kann. Deswegen ist das aus unserer Sicht ein durchaus begrüßenswertes Engagement solcher Gruppen."

Bislang seien knapp 61.000 Euro zusammengekommen, teilte Steier am 4. November per Twitter mit. Offen ist freilich, wie lange die Agentur ihre Dienste wird anbieten können. "Wenn die Taliban die derzeitige Lücke bemerken", sagt Steier, "machen sie sie dicht."

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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