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Politik

Nicaraguas Armee distanziert sich von Ortega

Gabriel González Zorrilla
14. Mai 2018

Das Militär in Nicaragua erklärt, dass es sich nicht an der Unterdrückung der Proteste im Land beteiligen will. Der Druck auf Präsident Daniel Ortega nimmt zu - ist aber noch nicht kritisch, meinen Beobachter.

Nicaragua Proteste gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega
Bild: Reuters/O. Rivas

Nach den blutigen Protesten in Nicaragua hat sich am Wochenende zum ersten Mal das Militär in den Konflikt zwischen Regierung und Demonstranten eingeschaltet: In seiner Stellungnahme betont es, dass der Dialog der einzige Weg ist, "um nicht wieder gutzumachende Auswirkungen auf unser Volk, unsere Wirtschaft und unsere Sicherheit zu verhindern". Die Gespräche sollen noch in dieser Woche unter Vermittlung der Bischofskonferenz stattfinden.

"Mit der Erklärung vom Wochenende macht das Militär deutlich, dass es sich nicht für einen Machterhalt von Daniel Ortega und seiner Frau instrumentalisieren lässt", sagt Sabine Kurtenbach vom Hamburger GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg im DW-Interview.

Aus ihrer Sicht ist die Stellungnahme des Militärs gerade deswegen so interessant, weil sich die Rolle der Streitkräfte in Nicaragua deutlich vom Militär in anderen Ländern Zentralamerikas unterscheidet. Zwei historische Gründe seien dafür ausschlaggebend: "Zum einen wurde nach 1979 der komplette repressive Apparat des Somoza-Regimes aufgelöst. Schon da setzte eine Entpolitisierung des Militärs ein. Als dann zum anderen die Sandinisten 1990 die Wahlen gewannen, gab es viele Stimmen im Land, die eine komplette Auflösung der Streitkräfte nach dem Vorbild Costa Ricas und Panamas forderten. Die komplette Entpolitisierung der Streitkräfte war sozusagen ihre einzige Überlebenschance", erklärt Sabine Kurtenbach.

Aus diesen Gründen habe das Militär in den 90er Jahren und nach der Jahrtausendwende in Nicaragua keine besondere innenpolitische Rolle gespielt. Erst im Zuge der zunehmenden Machtkonzentration in den Händen Daniel Ortegas und seiner Frau Rosario Murillo könne man einen Trend zur Politisierung beobachten, sagt die Lateinamerika-Expertin.  

"Viele Leute mögen Ortega und seine Frau"

Mit ihrer Erklärung vom Wochenende hat sich die Armee "als politischer Player ins Spiel gebracht und ist in der Lage, die Waagschale zur einen oder anderen Seite zu senken", sagt Elvira Cuadra, Direktorin am Institut für Strategische und Politische Studien in Managua. Diese Positionierung des Militärs sei ihrer Meinung nach ein "gutes Zeichen", obwohl nicht bekannt sei, ob es eine Rolle im Dialog übernehmen werde, den es zusammen mit diversen oppositionellen Kräften fordert - und wenn ja, welche. "Im Moment gebe ich der Armee den Vorteil des Zweifels", sagt Cuadra.  

Sebastian Huhn, Zentralamerika-Experte an der Universität Osnabrück, zeigt sich überrascht, aber auch erfreut über den Schachzug des Militärs: "Die Armee stand ja nie im Verdacht, eine Marionette Ortegas zu sein. Das Militär hat innenpolitisch nie eine Rolle gespielt. Ortega baut seine Macht nicht auf dem Militär auf, sondern auf seinem Populismus. Repressive Maßnahmen hatte er lange Zeit gar nicht nötig." 

Unter Druck: Präsident Daniel Ortega und seine Frau, Vizepräsidentin Rosario MurilloBild: Getty Images/AFP/I. Ocon

Dem stimmt auch Sabine Kurtenbach zu. Daniel Ortega habe es verstanden, seinen politischen Einfluss über Klientelismus und Populismus zu sichern, "aber die aktuellen Vorgänge zeigen, dass er nicht alle Institutionen im Land kontrolliert."   

Nach elf Jahren an der Regierung wird die Situation also selbst für einen erfahrenen Populisten wie Daniel Ortega brenzlig. Die Reform der Sozialversicherung, die als Auslöser der Proteste Mitte April gilt, hat er längst zurückgenommen. Die Proteste nahmen kein Ende, es kam sogar zu blutigen Straßenschlachten. Die nicaraguanische Menschenrechtsorganisation CENIDH geht mittlerweile davon aus, dass dabei mehr als 50 Menschen ums Leben gekommen sind.   

Undurchsichtige Rolle des Bruders    

Trotzdem "mögen viele Leute Ortega und seine Frau", sagt der Sozialwissenschaftler Sebastian Huhn. Die letzten Wahlen im November 2016 gewann Ortega mit überragenden 72,5 Prozent der Stimmen. "Er hat in der Bevölkerung immer populistisch kleine Geschenke verteilt, doch jetzt geht langsam das Geld aus Venezuela aus." Sebastian Huhn rechnet damit, dass Ortegas bisherige Beliebtheit sinkt - allerdings nicht wegen seines zunehmend autoritären Regierungsstils, sondern weil er nicht mehr in der Lage sei, die Sympathie der Menschen mit kleinen Geschenken zu erkaufen. Seine Macht erodiere an vielen Stellen, meint auch Sabine Kurtenbach - "aber es ist noch nicht kritisch".  

Sogar innerhalb von Ortegas Familie scheint es gravierende Meinungsverschiedenheiten zur Lage im Land zu geben. Nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA war es sein eigener Bruder, Humberto Ortega, ehemaliger Verteidigungsminister und pensionierter General des Heeres, der den aktuellen Chef des Heeres, Julio Avilés, dazu bewegt habe, eine aktivere Rolle im aktuellen Konflikt zu übernehmen. Der zwei Jahre jüngere Bruder von Daniel Ortega hat sich in den vergangenen Tagen wiederholt für einen offenen Dialog zur Beilegung der Gewalt ausgesprochen.

"Dialog ist immer gut", sagt Sabine Kurtenbach, "aber es ist einfach, gegen jemanden zu sein, ob nun gegen Ortega, oder im Falle Venezuelas gegen Maduro. Aber es hilft nichts, wenn dies das einzige vereinende Band ist und es keine gemeinsamen Vorstellungen dazu gibt, was stattdessen sein soll." 

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