Nicht aufgeben im Russlandgeschäft
26. November 2014"Das Wichtigste ist und bleibt Vertrauen!" Mit eindringlichen Worten beschwor Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew (Artikelbild) in den Räumen der IHK in Stuttgart die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen."Wir brauchen uns!", appellierte er an die im Saal versammelten Unternehmer.
Dass der russische Wirtschaftsminister bei einer regionalen Industrie- und Handelskammer auftritt, ist ungewöhnlich – doch offenbar notwendig. Die wirtschaftliche Lage in Russland hat sich durch die Ukraine-Krise deutlich verschärft. Der Rubel schwächelt. Unternehmer klagen, es fehle an Geld von Investoren. Die russische Zentralbank rechnet für 2015 nur noch mit einer Stagnation der Wirtschaft.
Politische Eiszeit
Gleichzeitig sind die Fronten auf höchster politischer Ebene verhärtet - nicht erst seit der Warnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Sanktionen gegen Russland könnten auch für Deutschland ernste Folgen haben. Ein im Frühjahr geplantes Treffen der wichtigen Strategischen Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Finanzen zwischen dem russischen Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und dem Bundeswirtschaftsministerium wurde dieses Jahr abgesagt.
Das Reden übernehmen angesichts der diplomatischen Spannungen Firmen und Verbände."Wir pflegen vor allem die Kontakte zum Maschinenbauverband in Russland", sagt Monika Hollacher vom Maschinenbauerverband VDMA. Die Maschinenbauer leiden besonders unter Sanktionen und Ausfuhrbeschränkungen, trotzdem bemüht man sich um die Handelspartner in Russland."Die Realität geht nicht unbedingt mit dem politischen Willen einher", beobachtet Hollacher.
Faden nicht abreißen lassen
Uljukajew warb offen dafür, das Primat der Politik zu umgehen:"Die Wirtschaft muss einen Beitrag leisten, Einfluss auf die Politik zu nehmen." Der russische Wirtschaftsminister suchte in Stuttgart direkt das Gespräch mit deutschen Firmen. Neben einem Hintergrundgespräch mit Mittelständlern standen Treffen mit Daimler, Bosch und beim Laserspezialisten Trumpf auf dem Programm. Dabei sei es um mögliche künftige Projekte und um die Autoindustrie gegangen, so der Minister - ohne sich genauer zum Inhalt der Gespräche zu äußern.
Uljukajew betonte, man wolle komfortable Bedingungen für Firmen aus Deutschland schaffen. Es werde keinerlei Enteignung ausländischer Investoren geben, versicherte er."Eine Gans zu bestrafen, die goldene Eier legt, das können nur Verrückte tun." Russland sei bereit, Elemente seiner Wirtschaftspolitik zu ändern. In den Gesprächen sei auch die Frage aufgekommen, wie man trotz der EU-Sanktionen weiterarbeiten könne.
Hoffen auf Tauwetter
Bei der deutsch-russischen Außenhandelskammer in Moskau hofft man im Frühjahr auf eine Lockerung der EU-Sanktionen. Dort häufen sich die Anfragen."Die Verunsicherung ist groß", sagt ein Sprecher. Es sei viel Aufklärungsarbeit zu leisten."Grundtenor bildet die Frage:"Was geht noch?". Unser Antwort: Es geht noch relativ viel."
Ob das reichen wird? "Man beschäftigt sich eher mit Schadensbegrenzung als mit neuen Perspektiven", heißt es aus dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der die Interessen der deutschen Wirtschaft im östlichen Europa vertritt."Es geht darum, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen."
Daran haben auch deutsche Firmen großes Interesse. Martin Slotty vom Breisacher Tapetenhersteller Erismann klagt, wenn es um Russland geht, vor allem über den schwachen Rubel. Die Exporte seien deutlich auf 20 Prozent gesunken, sagt er. Die seit 2003 betriebene russische Produktion leide, weil Rohstoffe in Euro eingekauft werden.
Der Ton ist freundschaftlich
Schwierigkeiten mit den russischen Geschäftspartnern? Fehlanzeige. Die Atmosphäre sei weder vergiftet, noch sei Politik ein Tabuthema, sagt Erismann."Das Verhältnis ist sehr freundschaftlich." An einen Rückzug aus Russland sei nicht zu denken:"Wir haben schon die ein oder andere Krise in Russland erlebt", sagt Slotty."Der russische Markt ist einer der wichtigsten weltweit."
Das sieht man beim Anlagenbauer Dürr genauso: Russland bleibe allein schon durch seine Größe mit gut 140 Millionen Menschen ein attraktiver Markt, sagt Michael Broese, Geschäftsführer von Dürr Russland in Moskau."Es wäre jetzt falsch, diesem Markt den Rücken zu kehren." Broese ist sich sicher: Sofern sich die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen normalisierten, werde der russische Automobilmarkt eine Renaissance erleben und bis spätestens 2020 zum größten Automobilmarkt Europas heranwachsen.
Dürr wird den Russen deshalb die Treue halten:"Man sagt den Russen nach, dass sie ein Gedächtnis wie Elefanten haben", warnt Broese. "Deshalb sollte man auch in der schlechten Zeit zu den Kunden und zum Markt stehen." Uljukajew fasste es noch klarer:"Vernünftige Menschen versuchen, wenn es Probleme gibt, diese zu lösen." Er will den Dialog fortsetzen. Im Frühjahr werde man sich wiedersehen.