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Politik

Nicht mehr willkommen in der neuen Heimat

Michael Knigge
4. September 2017

An diesem Dienstag entscheidet die Trump-Regierung, ob Kinder, die illegal in die USA reisten, dort bleiben dürfen. Viele Migranten schauen mit Sorge auf die weiteren Entwicklungen. Aus Washington Michael Knigge.

USA Washington Demontration vor dem Weißen Haus
Bild: picture-alliance/AP Images/P. M. Monsivais

Wie es weitergeht, weiß sie nicht. Vielleicht, fürchtet Angela Villalobos, müssen ihre Kinder die USA bald verlassen - in Richtung Mexiko, wo sie noch nie waren.

Die Furcht geht zurück auf ein Wahlkampfversprechen Donald Trumps. Damals hatte er angekündigt, ein von der Obama-Regierung 2012 aufgelegtes Programm zu beenden. Dieses trägt den Namen "Deferred Action for Childhood Arrivals"(DACA) und sieht vor, dass Kinder, die einst auf illegale Weise mit ihren Eltern in die USA kamen und dort aufwuchsen, nicht in deren Heimat zurückgeschickt werden. Mit seinem Versprechen hatte Trump für Unruhe unter seinen Wählern gesorgt, sich zugleich aber auch die Kritik hochrangiger Republikaner eingehandelt.

Am Freitag hatte Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses die Regierung öffentlich dazu aufgefordert, die bisherige Regelung unangetastet zu lassen. Unterstützung erhielt er von Senatspräsident Orrin Hatch. "Wir brauchen eine praktikable und dauerhafte Lösung für Personen, die als Kinder unser Land unrechtmäßig, aber auch ohne eigenes Verschulden betreten und ihr Leben hier gebaut haben", erklärte dieser.

Angst um das Wohl der Kinder

Das sieht auch die Aktivistin Angelica Villalobos so. "Als Trump zum Präsidenten gewählt wurde, kam meine zehn Jahre alte Tochter zu mir. Sie weinte und sagte mir, sie wolle nicht nach Mexiko", erinnert sich Villalobos. Tatsächlich sei ihre Tochter noch nie in Mexiko gewesen. Sie habe sie beruhigt und ihr versichert, dass die Familie in den USA bleiben werde.

Sie selbst wisse, wie sie mit der Situation umgehen müsse, sagt Villalobos. Sorgen macht sich die Aktivistin von "United We Dream", der nach eigener Darstellung größten Organisation jugendlicher Migranten, allerdings um ihre Kinder. Sie habe ihnen ihren rechtlichen Status zwar erläutert, versuche aber auch, sie nicht stärker zu beunruhigen als unbedingt nötig. Klar sei aber, dass die Zukunft der Familie derzeit nicht in ihren Händen liege.

Angelica Villalobos: Zuhause in OklahomaBild: DW/M. Knigge

Ein Leben ohne Papiere

In einer schwierigen Situation befindet sich vor allem aber Villalobos selbst. Einige ihrer Kinder wurden in den Vereinigten Staaten geboren. Damit sind sie US-Bürger und können nicht nach Mexiko abgeschoben werden. Angelica Villalobos genießt einen solchen Schutz nicht: Sie wurde in Mexiko geboren und kam mit ihrer Mutter und vier Geschwistern in die USA. Elf Jahre war sie damals alt. Ausweispapiere hatte die Familie nicht dabei.

Die Familie ließ sich in Oklahoma City, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates nieder. Villalobos ging zunächst zur Mittelschule. Dann absolvierte sie die High School und später das College. Lange Zeit wusste sie nicht, dass sie ein Einwandererin ohne Papiere war - bis zu jenem Tag, an dem sie 18 Jahre alt wurde und ihrem Vater sagte, sie wolle den Führerschein machen.

"Ich war ein ganz normales Kind. Als mein Vater mir erklärte, dass ich keine rechtliche anerkannte Bürgerin der USA sei und deshalb auch den Führerschein nicht machen könne, hatte ich ihn zunächst gar nicht verstanden", berichtet Villalobos.

Barack Obama: Entscheid zum Wohl junger Migranten Bild: Reuters/K. Lamarque

Ein anderer Mensch

Zwar wusste sie seitdem über ihren juristischen Status Bescheid. Was der aber praktisch bedeutete, erfuhr sie erst vier Jahre später. Da begab sie sich mit ihrer Tochter in ein Krankenhaus, wo diese behandelt werden sollte. Ihre Tochter sollte sich ausweisen. Sie hatte aber keine entsprechenden Dokumente. "Da ist mir erst wirklich klar geworden, dass der Umstand, keine Papiere zu haben, dich gründlich von jenen Menschen unterscheidet, die in den USA geboren werden", sagte Villalobos.

Als sie begann, sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen, entdeckte sie, wie begrenzt ihre Optionen ohne gesetzlichen Aufenthaltsstatus waren. Als Einwandererin ohne Papiere konnte sie nicht einmal von der Arbeit in einem Fast-Food-Restaurant in einen besser bezahlten Bürojob wechseln. "Da merkte ich, dass ich in diesem Fast-Food-Restaurant geradezu feststecke."

So war sie umso glücklicher, als Präsident Barack Obama vor fünf Jahren das DACA-Programm einsetzte. Konzipiert wurde es zunächst für die Dauer von zwei Jahren. Es schützte förderungswürdige junge Einwanderer ohne Papiere nicht nur von der Abschiebung, sondern gab ihnen auch eine Arbeitserlaubnis. Die Entscheidung fiel, nachdem der Kongress zuvor wiederholt ein Gesetz abgelehnt hatte, das für Kinder ohne Papiere eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung  vorsah.

Donald Trump: Wahlkampf auf dem Rücken von MigrantenBild: Getty Images/AFP/N. Kamm

Ein besseres Leben dank DACA

"Als DACA 2012 angekündigt wurde, haben wir uns sofort für dieses Programm beworben", sagt Villalobos. "Kaum hatte ich das Papier in der Hand, machte ich sofort den Führerschein. Außerdem bemühte ich mich um einen besseren Job, den ich dann auch bekam. "In dem Fast-Food-Restaurant verdiente ich sieben US-Dollar pro Stunde. Jetzt arbeite ich in einem Büro in einem Reifen-Geschäft und erhalte in der Stunde 15 US-Dollar.

Aber DACA verbesserte nicht nur Villalobos wirtschaftliche Situation. Ebenso motivierte das Programm sie, sich für ihre Gemeinde und für Einwanderungsrechte zu engagieren. Sie arbeitet freiwillig als Übersetzerin für den örtlichen Schulbezirk in Oklahoma City und für eine lokale Niederlassung des christlichen Jugendwerks YMCA.

Für den Fall, dass Präsident Trump beschließen sollte, DACA zu beenden, hat Villalobos sich gewappnet. Sie hat an einem Fortbildungskurs zum Einwanderungsrecht teilgenommen. Daraufhin wurde sie vom Justizministerium als qualifizierte Kraft zur Unterstützung der Einwanderergemeinschaft akkreditiert.

"Ich helfe Menschen, die ihr Leben durch Einwanderung verbessern wollen und prüfe, ob dies für sie möglich ist", sagt sie. "Ich habe dafür sehr hart gearbeitet. Jetzt möchte ich, dass das auch irgendeinen Nutzen hat. Doch ohne DACA hätte ich als dies nicht tun können."

Zuhause in Oklahoma City

Ihr Engagement wurde anerkannt: Im vergangenen Jahr wurde Villalobos vom Staat Oklahoma mit einem Preis für Menschenrechte ausgezeichnet.

Vor der Entscheidung der Trump-Regierung will sie ihre Kenntnisse auch für ihr Wohl und das ihrer Familie einsetzen. "Ich war immer stolz auf das kulturelle Erbe und gebe es auch an meine Kinder weiter", sagt sie. "Aber meine Heimat ist Amerika. Ich kann mir nicht vorstellen, in ein Land zurückzukehren, das ich seit 21 Jahren nicht gesehen habe. Hier ist mein Zuhause. Ich bin aufgewachsen in Oklahoma City."

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