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Verlorene Hoffnungen in Bornheim

Nina Niebergall8. April 2016

Lagerkoller im Flüchtlingsheim: Sechs Monate nach ihrer Flucht aus Syrien hat sich die anfängliche Erleichterung arabischer Asylbewerber in Frust und Hoffnungslosigkeit verwandelt. Ein Hilfeschrei aus Bornheim.

Deutschland Flüchtlinge in Bornheim Bashar Flüchtling aus Irak (Foto: DW)
Bild: DW/N. Niebergall

"Es ist wie im Gefängnis hier", sagt eine palästinensische Frau. "Es gibt nur deutsches Essen, aber wir sind Araber", fügt eine andere hinzu. "Was machen wir an Ramadan?", fragt sie. Ein 14-jähriges Mädchen klagt: "Wenn ich mit meinem Handy spiele, sagen sie, ich soll leise sein. Aber warum?"

Vor der Bornheimer Johann-Wallraf-Schule häufen sich die Klagen der Flüchtlinge - über ihre Wohnsituation, die Kontrolle durch Sozialarbeiter und die ständige Ungewissheit, wie lange sie noch in der Schulturnhalle untergebracht sind.

Rund 80 Migranten leben aus dem Irak, Syrien und Palästina in der Unterkunft. Aus Protest kampieren einige von ihnen inzwischen davor auf der Straße. Darunter der irakische Flüchtling Bashar (Artikelbild). Er hält es in dem Lager nicht mehr aus. "Ich bin 26", sagt er, "aber seit ich hier bin, fühle ich mich wie ein alter Mann".

Morddrohungen von Schiiten

Im Irak habe er als Augenarzt gearbeitet, sagte Bashar - bis seine Mutter eines Tages einen Drohbrief zusammen mit einem geladenen Gewehr vor ihrem Haus entdeckt habe. Unterschrieben habe eine schiitische islamische Widerstandsorganisation.

"Wir dachten, wir finden hier Hoffnung, aber wo ist sie?", fragt Bashar. Er wirkt desillusioniert. Seit sechs Monaten wohnt er zusammen mit seiner Familie in einem Zimmer der Bornheimer Turnhalle - sechs Personen auf knapp 25 Quadratmetern, schätzt er. Auf seinem Handy zeigt er Bilder, auf denen Etagenbetten zu sehen sind. Die Zimmer sind nur durch Bauzäune voneinander getrennt. Er schlafe den ganzen Tag, weil er nicht wisse, was er sonst tun soll. Nachts liege er wach.

Die Turnhalle der Johann-Wallraf-Schule dient seit knapp einem Jahr als FlüchtlingsunterkunftBild: DW/N. Niebergall

Eva-Lotta Brakemeier ist Professorin an der Psychologischen Hochschule Berlin und leitet dort ein vom Bundesarbeitsministerium gefördertes Projekt für Flüchtlinge mit psychischen Störungen. Sie erklärt, wie sich Menschen fühlen, nachdem sie monatelang auf engstem Raum gelebt haben. "Am Anfang sind die meisten Flüchtlinge in Deutschland erleichtert, dass sie Bürgerkrieg und Flucht überlebt haben und hier sicher sind", sagt Brakemeier. "Aber diese Erleichterung weiche schnell dem Gefühl, dass sie keine Privatsphäre haben."

Eine mangelnde Tagesstruktur verstärke diesen Eindruck noch. Wenn der Beruf wegfiele, eine andere sinnstiftende Aufgabe ausbliebe und sie sich allein oder einsam fühlen, seien die Menschen einzig auf ihre Rolle als Flüchtling zurückgeworfen, dem nichts anderes übrig bliebe, als zu warten. "Viele werden depressiv, traurig, verzweifelt und fangen an zu grübeln", weiß Brakemeier.

Leben mit der Langeweile

Rainer Schuman von der Pressestelle der Stadt Bornheim kann die Beschwerden der Migranten schwer nachvollziehen. "Es gibt ein Freizeitangebot", sagt er. "Es reicht von Sport, organisierten Ausflügen zu Fußball- oder Basketballspielen bis hin zu Sprachunterricht reicht." Außerdem befinde sich in der Turnhalle ein Schwarzes Brett, auf dem die Bewohner über Aktivitäten informiert würden. Auch ein Aufenthaltsraum stehe ihnen gegenüber der Unterkunft zur Verfügung.

In die Turnhalle dürfen Vertreter der Presse ohne Genehmigung der Stadt nicht hinein. Das Außengelände sieht man von der Hauptstraße aus: ein kleiner Schotterplatz mit einer einzigen Bierbank. Am Morgen spielen dort Kinder mit einer Puppe, deren Kopf abgerissen ist. Frauen sitzen an einen Bauzaun gelehnt am Rand und unterhalten sich.

Leben zwischen Bauzäunen: Hier können sich die Bewohner tagsüber aufhaltenBild: DW/N. Niebergall

"Das Leben hier ist bitter"

"Ginge es nur um mich, könnte ich so leben", sagt Bashar. "Aber meine Familie kann hier nicht bleiben." Schlimmer noch sei die Situation für den an Diabetes erkrankten Ahmed, erzählt Bashar. Ahmed hält den Arm seiner Schwester fest umklammert. Er ist abgemagert und bleich im Gesicht.

Einmal die Woche werde er von Malteser-Mitarbeitern, die die Unterkunft beaufsichtigen, zum Arzt gebracht, berichtet Bashar. Aber er brauche eine Umgebung, in der keine Kinder um ihn rumlaufen und das Essen nicht jeden Tag aus Brot mit Salami und Käse bestehe.

Während Bashar vom Alltag in der Asylbewerberunterkunft frustriert ist, ist sein Mitbewohner Ahmed vollkommen entmutigt. Auf Arabisch sagt er: "Das Leben hier ist bitter. Ich wäre lieber in Syrien geblieben und das Risiko eingegangen, zu sterben."

Von den Mitarbeitern der Stadt erhoffen sich die Flüchtlinge Antworten - vor allem auf die Frage, wann sie umziehen könnenBild: DW/N. Niebergall

Psychischen Störungen und Leid vorbeugen

Die Nerven liegen blank in Bornheim. Pressesprecher Schumann versichert, dass jeder Bewohner bei Problemen einen Sozialarbeiter der Stadt ansprechen könne. "Letztlich entscheidet dann das Sozialamt, wer wo untergebracht wird." Ziel sei es, so viele Menschen wie möglich in Wohnungen einzuquartieren.

Psychologin Brakemeier betont: Ein eigenes Zuhause und das Gefühl von Heimat habe insbesondere nach einer monatelangen Flucht einen hohen Stellenwert für viele Menschen. "Wenn wir es in Deutschland schaffen, die Flüchtlinge schneller in adäquaten Wohnungen unterzubringen, könnten wir psychischen Problemen, Konflikten und Leid vorbeugen und die Integration optimieren."

Deshalb pilgern Bashar und die anderen Turnhallenbewohner beinahe täglich zum Bornheimer Rathaus - auf der Suche nach Antworten und einer Perspektive. Auf die Frage, wie lange er noch in der Turnhalle wohnen muss, gibt sich Bashar kategorisch: "Ich gehe nicht mehr dorthin zurück. Ich warte solange auf dem Sozialamt, bis sie eine Wohnung für mich und meine Familie gefunden haben."

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