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Nicht nur die Fed ist schuld

Thomas Seibert31. Januar 2014

Die Zinsanhebung der türkischen Zentralbank half nur kurzzeitig: Nach neuen Entscheidungen der US-Zentralbank gerät die Lira erneut unter Druck. Aber die Probleme in der Türkei sind teilweise selbst verschuldet.

Symbolbild - Türkische Lira
Bild: picture-alliance/dpa

Von 4,5 auf gleich 10 Prozent - mit der drastischen Anhebung des Leitzinses hatte sich die Zentralbank in Ankara Mitte der Woche über den erklärten Willen von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hinweggesetzt. Viele Beobachter sahen die Entscheidung deshalb auch als Zeichen der Unabhängigkeit der Währungshüter. Das Regierungslager dagegen bekräftigte seine Skepsis. Erdogan selbst sagte, er lehne Zinserhöhungen weiter ab. Er befürchtet, dass höhere Zinsen die Investitionen und den Konsum in der Türkei bremsen und so die Konjunktur abwürgen könnten - und das kurz vor den Kommunalwahlen im März.

Die regierungsnahe Zeitung "Yeni Safak" sprach sogar von einem "Zins-Putsch" und einem Sieg der "Zins-Lobby": Damit meinte Erdogan in- und ausländische Anleger, die angeblich auf hohe Zinsen setzen, um der Türkei damit zu schaden. Das Wachstumsziel von vier Prozent in diesem Jahr sei nun nicht mehr zu erreichen; die Zeche würden Unternehmen und Verbraucher in der Türkei zu zahlen haben, warnte "Yeni Safak". Außerdem sei der Sturzflug der Lira nicht aufgehalten worden.

Sehr skeptisch: Recep Tayyip ErdoganBild: Getty Images

Schwenk der Fed

Die Türkei ist bei Weitem nicht das einzige Schwellenland, das die Folgen der Entscheidungen der Federal Reserve in Washington zu spüren bekommt. Auch Indien, Brasilien, Südafrika und andere Staaten sind betroffen. Sie alle haben in den vergangenen Jahren davon profitiert, dass internationale Anleger für ihr Geld attraktive Standorte suchten, nachdem die Fed mit milliardenschweren Anleihenkäufen in den USA die Zinsen dort nach unten getrieben hatte.

Doch die Zeit der Dollar-Schwemme in den Schwellenländern geht zu Ende: Die Fed fährt ihre Anleihenkäufe herunter. Da nun in den USA wieder höhere Zinsen winken, ziehen viele Anleger ihr Geld aus den Schwellenländern ab. Länder wie die Türkei können zwar versuchen, durch höhere Zinsen - also höhere Erträge für Anleger - gegenzusteuern, doch der Trend läuft klar in die andere Richtung.

"Die guten Zeiten sind vorbei"

Alles auf die Fed zu schieben, wäre dennoch zu einfach, sagt Sinan Ülgen, Direktor der unabhängigen Istanbuler Denkfabrik EDAM. Das türkische Wachstumsmodell sei gescheitert, urteilt Ülgen im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der türkische Erfolg basiere auf weltweit niedrigen Zinsen und entsprechend viel Kapital in der Türkei. "Seit Jahren ist klar, dass es mit diesem Modell in dem Moment zu Ende geht, in dem Zentralbanken wie die Fed daran gehen, die Zinsen wieder zu erhöhen." Die Korruptionsvorwürfe gegen Erdogans Regierung erschüttern zudem die politische Stabilität und erschrecken weitere Anleger.

Die Börse in Istanbul profitierte nur kurzzeitig vom "Zins-Putsch" der türkischen ZentralbankBild: picture-alliance/dpa

Viel kann die Türkei nun nicht mehr tun, meint Ülgen. Ankara habe es in den vergangenen Jahren versäumt, die eigene Wirtschaft durch strukturelle Reformen zur Steigerung der Produktivität und zur Verbesserung der Bildung robuster zu machen. Dies seien langfristige Veränderungen, die ihre Wirkung erst mit einigen Jahren Verzögerung entfalteten, vergleichbar mit der Agenda 2010 in Deutschland, betont Ülgen. Die Türkei habe in den Jahren der Rekord-Wachstumsraten aber nie ein vergleichbares Reformprogramm auf den Weg gebracht. "Jetzt ist es zu spät", so Ülgens Fazit: "Die guten Zeiten sind vorbei."

Erdogan und der "Plan B"

Das sieht Ministerpräsident Erdogan naturgemäß ganz anders. In seiner Strategie für die Kommunalwahlen im März und die Präsidentschaftswahl im Sommer spielen die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahre und das Wachstum in diesem Jahr eine große Rolle. Seinen Widerstand gegen die Zinserhöhung hat er gleich mehrmals deutlich gemacht. Gleichzeitig sprach er von einem "Plan B und einem Plan C" seiner Regierung für den Fall, dass die Maßnahmen der Zentralbank keine Wirkung zeigen sollten. In der Presse wird spekuliert, dass Erdogan unter anderem Kapitalkontrollen im Sinn hat, um den raschen Abfluss von ausländischem Geld zu verhindern.

Diese Art von drastischen Interventionen würde der Türkei am Ende jedoch noch mehr Schaden zufügen, sagt Emre Deliveli, Wirtschaftskolumnist der "Hürriyet Daily News". Denn in Zukunft würden sich Anleger dann zweimal überlegen, bevor sie ihr Geld in der Türkei investierten, sagte er der Deutschen Welle. Zudem dürften Kapitalkontrollen auch in der Regierung höchst umstritten sein. Ein Einspruch von Wirtschaftsexperten im Kabinett wie Finanzminister Mehmet Simsek und Vizepremier Sali Babacan sei programmiert, falls Erdogan tatsächlich solche Maßnahmen in Betracht ziehen sollte, so Deliveli: "Die werden an die Decke gehen."

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