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Politik

Alte und neue Rechtsextreme in Deutschland

5. September 2018

Bei den Aufmärschen in Chemnitz waren die Übergänge zwischen Pegida, AfD und Nazis teilweise fließend. Dabei vermengen sich anscheinend gewachsene Neonazi-Strukturen mit mehr oder weniger spontanem Frust.

Symbolbild Rechtsextremismus Neonazis Nazis Terror Rechtsterrorismus
Bild: picture-alliance/dpa

Vom Schulterschluss der Rechten, von Mitläufern aus der sogenannten bürgerlichen Mitte ist die Rede, wenn dieser Tage über die teilweise außer Kontrolle geratenen Demonstrationen in Chemnitz berichtet wird. Auslöser war der gewaltsame Tod eines Deutschen, als Tatverdächtige sitzen ein Syrer und ein Iraker in Untersuchungshaft, nach einem dritten Mann wird gefahndet. Zu den Initiatoren der ersten Proteste gehörte die rechtslastige Wählervereinigung "Pro Chemnitz". Die wurde schon 2009 und damit lange vor Beginn der Flüchtlingskrise gegründet, unter anderem von einem Mann namens Martin Kohlmann. 

Der 1977 im damaligen Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geborene Jurist engagierte sich früher bei den Republikanern. Diese 1983 in München gegründete Partei war vor allem im wirtschaftlich traditionell starken Baden-Württemberg erfolgreich. Dort gelangte sie von 1992 bis 2001 mit teilweise zweistelligen Wahl-Ergebnissen ins Parlament. In dieser Zeit und darüber hinaus wurden die Republikaner wegen des Verdachts rechtsextremistischer Bestrebungen vom Verfassungsschutz beobachtet.

Rechtspopulisten oder Rechtsextreme?

Inzwischen ist die Partei, die mal mit gut sieben Prozent im Europäischen Parlament saß, politisch bedeutungslos und auch deshalb für den Verfassungsschutz uninteressant geworden. Am Beispiel der Republikaner lässt sich aber anschaulich illustrieren, wie sich die Gewichte innerhalb der breit gefächerten rechten Szene verschieben können - programmatisch und personell. Dabei verlaufen die Entwicklungen selten geradlinig, oft stecken interne Machtkämpfe dahinter.

Schulterschluss zwischen besorgten Chemnitzer Bürgern, Rechtspopulisten und Rechtsextremisten?Bild: Getty Images/S. Gallup

Oberflächlich betrachtet wird es zunehmend schwieriger, zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremen zu unterscheiden. Die Ereignisse in Chemnitz sind dafür ein beredtes Beispiel. Von den dort mehr oder weniger offen in Erscheinung getretenen Parteien und Organisationen steht keine im Fokus des Verfassungsschutzes. Die "Alternative für Deutschland" (AfD) und die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) kommen in Berichten des Inlandsgeheimdienstes bislang nur als Feindbild linksextremer Proteste vor.

Alle rechtsextremistischen Parteien stammen aus dem Westen

Ausführlich widmet sich der Verfassungsschutz im Bereich des Rechtsextremismus einer alten Bekannten und zwei vergleichsweise jungen Parteien. Alle drei haben ihre Wurzeln im Westen der Republik: die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) wurde 1964 in Hannover gegründet, "Die Rechte" 2012 in Hamburg und "Der III. Weg" 2013 in Heidelberg. Die beiden noch sehr jungen Parteien wären ohne das Engagement ehemaliger Funktionäre der NPD und der inzwischen aufgelösten "Deutschen Volksunion" (DVU) kaum entstanden. Auch hier spielen also personelle Kontinuitäten eine entscheidende Rolle.

NPD-Demo in Kandel (Rheinland-Pfalz), wo im Dezember 2017 eine Jugendliche von einem Afghanen erstochen wurde Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Für Außenstehende sind solche Überschneidungen nur schwer zu erkennen, auch weil die Parteien oft im Windschatten anderer Akteure auftauchen oder sich um ein bürgerliches Image bemühen. Das gilt vorrangig für die NPD, die 2017 das gegen sie gerichtete Verbotsverfahren trotz ihrer völkisch-fremdenfeindlichen Ausrichtung erfolgreich überstand. Dennoch ist sie aus Sicht des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz weiterhin auf dem absteigenden Ast. Schlechte Wahl-Ergebnisse weit unterhalb von einem Prozent scheinen diese Einschätzung zu bestätigen. Zuletzt ist die NPD aus den ostdeutschen Landesparlamenten in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen geflogen. 

"Der III. Weg" will vom Niedergang der NPD profitieren

"Ihre parteipolitischen Aktivitäten werden vorrangig auf kommunalpolitischer Ebene stattfinden", vermutet der sächsische Verfassungsschutz. Dort werde die NPD mit verschiedenen Initiativen versuchen, sich als "Kümmerer" darzustellen und mittels der Asylthematik "Neiddebatten und Vorbehalte gegen Flüchtlinge und Asylbewerber" hervorzurufen. Eine Prognose, die durch die Ereignisse in Chemnitz bestätigt worden zu sein scheint. Wobei keineswegs klar ist, ob und in welcher Form die NPD involviert war.

Unabhängig davon werde die Bedeutung der ältesten rechtsextremen Partei in der Szene "weiter abnehmen", glaubt der Verfassungsschutz. Ganz anders schätzt er hingegen die Entwicklung von "Der III. Weg" ein. Es sei mit der Gründung weiterer "Stützpunkte" und damit einer Intensivierung von Aktivitäten der Partei in ganz Sachsen zu rechnen. Die Partei werde zunehmend versuchen, sich als relevanter politischer Akteur darzustellen: "In der Folge ist auch hier mit einer erhöhten Bereitschaft zur Konfrontation mit dem politischen Gegner zu rechnen."

Chemnitz war auch eine Hochburg von "Blood & Honour"

In Sachsen scheinen rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien und Bewegungen einen für ihre Ziele besonders geeigneten Nährboden vorzufinden. Zu diesem Befund gelangt der in Dresden lehrende Politologe Werner Patzelt. Inzwischen hätten sehr viele dem Gemeinwesen "trotzig innerlich gekündigt". Patzelt hat einen "permanenten Erregungszustand" festgestellt. Die Leute seien von dem Eindruck beseelt, man müsse immer wieder auf Demonstrationen zeigen, dass man sich nicht alles gefallen ließe, sagt der Politologe: "Ich befürchte allmählich, dass hier eine Bewegung in Gang gesetzt worden ist, die sich jetzt nur noch schwer, wenn überhaupt aufhalten lässt."

"Misch-Szenen" aus Hooligans und Rechtsextremisten beobachtet Experte Toralf Staud schon längerBild: picture-alliance/Fotostand/Ellerbrake

Rechtsextremismus-Experte Toralf Staud, der mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlicht hat, ist von den jüngsten Ereignissen in Chemnitz keineswegs überrascht. Und er lenkt den Blick auf weitere extremistische Organisationen. So habe das inzwischen verbotene Skinhead-Netzwerk "Blood & Honour" in der drittgrößten Stadt Sachsens über wichtige Strukturen verfügt: "In Chemnitz haben wir auch schon lange die Misch-Szenen gesehen aus Hooligans und Rechtsextremisten, wirklich harten Neonazis." Es gebe zwischen den Gruppen einen Austausch, personelle Überschneidungen in die Kampfsport- und Rocker-Szene hinein.

Besorgte Bürger, Populisten - und Rechtsextremisten

An den Ausschreitungen in Chemnitz waren auch Hooligans des ortansässigen Fußball-Vereins beteiligt, der gerade aus der dritten Profi-Liga abgestiegen ist. Und es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die via Internet bestens vernetzten gewaltbereiten Fans in kürzester Zeit Unterstützer aus anderen Teilen Deutschland mobilisieren konnten. Auch auf diese Weise verschwimmen irgendwann die Grenzen zwischen verschiedensten Protest-Milieus: besorgten Bürgern, Populisten - und Rechtsextremisten. Vielleicht auch deshalb beobachtet der Verfassungsschutz jetzt die Jugendorganisationen der AfD, allerdings nur in den westdeutschen Bundesländern Bremen und Niedersachsen.

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