Nico: Vom Supermodel zur "Priesterin der Finsternis"
Torsten Landsberg
18. Juli 2018
Die Künstlerin und Sängerin Nico galt als Ikone der Popkultur - und war eines der ersten Supermodels. Vor diesem Leben flüchtete sie sich in Drogen. Der Kinofilm "Nico, 1988" widmet sich ihrem letzten Lebensjahr.
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Nico, Model und Priesterin der Finsternis
Nico wollte als eigenständige Künstlerin wahrgenommen werden. Den Weg zum Ruhm ebnete ihr derweil ein Who-is-Who der Popkultur.
Bild: Film Kino Text
Würdigung einer Popikone
Supermodel, Sängerin, Muse: Christa Päffgen alias Nico gilt als Popikone der 1960er und 70er Jahre. Der Film "Nico, 1988" erscheint zu ihrem 30. Todestag. Am 18. Juli 1988 starb Päffgen im Alter von 49 Jahren nach einem Sturz von ihrem Fahrrad an einem geplatzten Aneurysma.
Bild: Film Kino Text
In der Rolle des Niedergangs
Trine Dyrholm, hier 2016 als beste Schauspielerin für "Die Kommune" mit dem Silbernen Bär der Berlinale ausgezeichnet, spielt im Film "Nico, 1988" die Hauptrolle und zeichnet den Niedergang der Popikone nach. Die Gesangspassagen übernahm die Dänin dabei selbst, auf Pathos verzichtete sie.
Bild: Reuters/F. Bensch
Glamour und Düsternis
Christa Päffgen (Foto: Tryne Dryholm) kam 1938 in Köln zur Welt, als Jugendliche wurde sie in Berlin entdeckt. Mit 16 ging sie als Model nach Paris, wo sie zu "Nico" wurde. Sie haderte mit der Reduktion auf ihr Äußeres und soll ihren äußerlichen Verfall mit maßlosen Drogenkonsum später bewusst in Kauf genommen haben. Zwischen Glamour und Düsternis pflasterten zahlreiche Liebschaften Nicos Weg.
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Der Vater ihres Kindes, oder?
Als "schönsten Mann der Welt" bezeichnete Nico den französischen Schauspieler Alain Delon. 1962 brachte sie im Alter von 24 seinen Sohn Ari zur Welt - Delon erkannte die Vaterschaft jedoch nicht an. Nico war in New York gern auf Partys unterwegs und mit dem Kind überfordert. Ihre kranke Mutter nahm sich Aris an, ehe Delons Mutter die Erziehung übernahm - angeblich, nachdem sie Ari entführen ließ.
Bild: AP
Musikalischer Anschub
1964 lernte Nico in London Bob Dylan kennen, der gerade an seinem vierten Album "Another Side" arbeitete. Dylan unterstützte sie bei ihren ersten Gesangsversuchen und überließ ihr den Song "I'll keep it with mine", der schließlich 1968 auf Nicos erstem Soloalbum erschien.
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Der New Yorker Patron
Anfang der 1960er Jahre traf Nico in New York auf den Künstler Andy Warhol, der später über sie sagte, sie hätte ausgesehen, als wäre sie am Bug eines Wikingerschiffs über den Atlantik gekommen. Nico war Stammgast in seiner Factory, wo sich Künstler und bunte Society trafen, um einander zu befruchten und Drogen zu nehmen. Hier brachte Warhol Nico mit "The Velvet Underground" zusammen.
Bild: picture-alliance/dpa/L. Parschauer
Lou Reed - eine weitere Affäre Nicos
Das geschah angeblich gegen den Willen des Velvet-Underground-Frontmanns Lou Reed. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, mit der mysteriösen Schönheit eine Affäre zu beginnen. Neben dem privaten Vergnügen arbeiteten Reed und Nico am ersten Album seiner Band, das damals kommerziell erfolglos bleiben, später aber als Grundstein des experimentellen Rocks gelten sollte.
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Das Bananenalbum
"The Velvet Underground & Nico" aus dem Jahr 1967 war das erste Album der Band um Lou Reed und John Cale. Andy Warhol entwarf das Cover und produzierte die Musik. Es ist als "Bananenalbum" bekannt und setzt sich inhaltlich mit Konsumgesellschaft und Drogensucht auseinander - Motive, die sich auch durch das Leben von Nico zogen, deren Mitwirken in der Band nach dem Album endete.
Bild: Polydor (Universal)US
Kraft der Selbstzerstörung
Muse von X, Freundin von Y - obwohl Nico Affären mit so ziemlich jedem namhaften Künstler der New Yorker High Society Ende der 60er Jahre nachgesagt wurden, wollte sie als eigenständige Person wahrgenommen werden. Ihrem Image entkam sie durch Selbstzerstörung.
Bild: picture-alliance/United Archiv/TopFoto
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Schönheit, Supermodel, Stilikone: Christa Päffgen, 1938 in Köln geboren und nach dem Krieg in Berlin aufgewachsen, hat es bereits in jungen Jahren zu internationalem Ruhm geschafft. Mit 17 modelt sie in Paris für Magazine, Fotografen geben ihr den Künstlernamen Nico, mit dem sie weiterzieht nach New York und in eine Welt ohne Zwänge und Grenzen eintaucht.
Der aktuelle Kinofilm "Nico, 1988" kehrt die Scherben dessen zusammen, was Ende der 1980er Jahre vom Ruhm der vorangegangenen Jahrzehnte übrig geblieben ist. Der Film zeigt die Musikerin Nico in ihrem letzten Lebensjahr, gezeichnet von Drogen und der Anstrengung, als eigenständige Künstlerin anerkannt zu werden.
Das war ihr Motiv für diesen Weg: die Emanzipation von allen Rollen, das Ausbrechen aus den Strukturen der Vergangenheit, die oberflächlich zwar grenzenlos erschienen, in denen sie sich dennoch nur fremdbestimmt bewegt hat.
Nico will mehr als nur schön sein
Nico gilt als eines der ersten Supermodels der Modebranche und mit ihrer Art zu singen als Wegbereiterin für Punk und Gothik. Sie hat Affairen mit unzähligen berühmten Männern, bekommt einen Sohn von dem Schauspieler Alain Delon und, wird zur Muse des New Yorker Künstlers Andy Warhol. In dessen "Factory"-Ateliers lernt sie auch Mick Jagger, Jim Morrison und Lou Reed trifft, mit denen sie zeitweise liiert ist.
Sie arbeitet auch als Schauspielerin, was vor allem auf einen Auftritt in Federico Fellinis weltberühmten Film "La Dolce Vita" zurückgeht, in dem Nico sich kurz selbst spielt. Ist es das, worüber sich ein selbstbestimmter Mensch definieren lassen will: Schönheit?, fragt sie sich immer wieder.
Nico will aus der Welt der Schönen und Reichen ausbrechen und findet einen Verbündeten: Heroin. Es hilft ihr, sich von ihrem Image als Model und Künstlermuse zu entfernen, im Auftreten und erst recht im Aussehen. Der körperliche Verfall ist ihr recht, sogar erwünscht.
In einer Film-Szene sitzt die abgewrackte Musikerin Nico, sehr authentisch verkörpert von der dänischen Schauspielerin Trine Dyrholm, vor einem Spiegel und sagt: "Bin ich hässlich? Gut. Ich war nicht glücklich, als ich schön war."
Als Mutter gescheitert
Der Film zeigt keinen gefallenen Engel. Nico ist als Mutter alles andere als eine Sympathieträgerin. Ihren Sohn Ari, dessen Vaterschaft Alain Delon nie anerkannt hat, soll sie im Kindesalter mit auf New Yorker Partys genommen haben. Auf den Tischen lagen diverse Drogen griffbereit, Alkohol war überall frei zugänglich.
Ari wächst schließlich bei seiner Großmutter in Frankreich auf. Als er als Jugendlicher im Alter von 19 Jahren zu Nico zurückkehrt, führt sie ihren Sohn an Heroin heran und teilt mit ihm das Spritzenbesteck.
Im Film tingelt Nico, die Ende der 60er Jahre auf dem Debütalbum von Velvet Underground mitsang und danach sechs Soloalben aufnahm, darunter Chelsea Girl“ (1967) in den 80ern über kleine Bühnen und beschimpft ihre Band vor den Augen des Publikums. Ihren morbiden Texten verdankt sie den Titel "Priesterin der Finsternis". Längst will sie nicht mehr Nico sein, sondern wieder Christa genannt werden.
Die Hauptdarstellerin Trine Dyrholm und die italienische Regisseurin Susanna Nicchiarelli widerstehen der Versuchung, beim Zuschauer Mitgefühl für die Protagonistin zu erzeugen. Die Atmosphäre der Inszenierung ist schlicht trist und steht damit im krassen Gegensatz zur bunten Welt der High Society, deren Aushängeschild Nico einst gewesen ist. Dyrholm sang alle Passagen selbst, was angesichts des häufig schiefen Gesangs und des harten deutschen Akzents von Nico eine Herausforderung gewesen sein dürfte.
"Nico, 1988" startet am 18. Juli in den deutschen Kinos - zum 30. Todestag der Künstlerin, die am 18. Juli 1988 auf Ibiza nach einem Fahrradunfall im Alter von 49 Jahren starb.