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Politik

"Nie wieder G7" - Maue Stimmung in Elmau

25. Juni 2022

Drei Tage lang tagen die G7-Staats- und Regierungschefs in Elmau in Oberbayern. Die Region ist währenddessen im Ausnahmezustand. Von Sabine Kinkartz, Garmisch-Partenkirchen.

Fensteraufkleber an einem Laden: Scheiss G7, danke für nix!
Wut auf den Gipfel: Ein Ladeninhaber in Garmisch schreibt, was er denkt Bild: Sabine Kinkartz/DW

Schokolade, wohin man auch sieht. Auf großen Tellern stapeln sich verschiedene Sorten in einer Verkaufsvitrine. Cranberry weiß liegt neben mit Kardamom, Nelke und Pfeffer verfeinerter Edelbitterschokolade und Erdnuss-Salz-Vollmilch. Chocolatier Franz Käßer stellt die Köstlichkeiten her und verkauft sie in seinem Geschäft in Garmisch-Partenkirchen. Doch seit Wochen bleiben die Kunden weg. "Wir haben große Einbußen", sagt Käßer wütend.

Franz Käßer fehlen die KundenBild: Sabine Kinkartz/DW

Garmisch-Partenkirchen ist ein Kurort in Oberbayern, der vor allem vom Tourismus lebt. Im Winter kommen die Skifahrer, im Sommer die Wanderer. "Die Fremdenbetten sind zwar belegt, aber seit drei Wochen sind das Polizisten, Sicherheitsleute und Leute, die den Aufbau für den G7-Gipfel machen", erklärt Käßer sein Problem. "Die kaufen natürlich nicht bei uns ein oder gehen bei uns essen, weil die anders versorgt werden." Nicht nur ihm gehe das so. "Ich war gestern Abend essen, in dem Lokal saßen drei Leute, wo normalerweise in dieser Jahreszeit alles bummsvoll ist."

Sogar die Schulen sind geschlossen

Mindestens 18.000 Polizisten sind nach Garmisch-Partenkirchen und ins oberhalb des Kurorts in einem schwer zugänglichen Tal gelegene Elmau abkommandiert, um den G7-Gipfel abzusichern. Überall stehen Polizeiwagen aufgereiht, immer wieder knattern Hubschrauber durch die Luft. In Schloss Elmau tagen die Staats- und Regierungschefs hermetisch abgeriegelt, in Garmisch ist das Medienzentrum für die rund 3000 angereisten Journalisten aufgebaut. Hunderte Gullydeckel wurden mit weißen Klebern versiegelt, auf den Straßen dürfen keine Mülltonnen stehen, Schulen sind geschlossen, die Schüler haben online Distanzunterricht.

Polizei steht überall, auch vor der Zugspitz-BahnBild: Sabine Kinkartz/DW

Im Umkreis von 16 Kilometern sind an allen Zufahrtsstraßen Polizeikontrollen aufgebaut. Autofahrer müssen anhalten, die Personalien werden überprüft. Der Plan ist, Störer und gewaltbereite Demonstranten schon vor Garmisch auszumachen und herauszufiltern.

Das Protestcamp formiert sich

"Viele Aktivisten kommen wegen der Kontrollen nicht, die wollen nicht durchsucht werden und haben auch Angst vor Repressionen", meint Tatjana Söding, die zusammen mit Christopher Olk ihr Zelt in einem Protestcamp auf einer Wiese am Rand von Garmisch aufgeschlagen hat. Söding hat gerade ihren Master in Humanökologie gemacht, Olk promoviert in internationaler politischer Ökonomie. Beide gehören zum Bündnis "Stop G7 Elmau", das den Gipfel mit mehreren Protestkundgebungen begleiten will.

Tatjana Söding und Christopher OlkBild: Sabine Kinkartz/DW

"Sieben Staatschefs verfolgen ihre eigenen Interessen und ihre Entscheidungen betreffen die Weltbevölkerung, die nicht mitentscheiden darf", kritisiert Olk. "Sie sprechen von Klimagerechtigkeit, dabei stehen ihre sehr eigenen spezifischen, politischen und ökonomischen Interessen im Vordergrund, die eine wirkliche Klimagerechtigkeit überhaupt nicht zulassen."

Linseneintopf mit dem Bundeskanzler

Als Söding und Olk am Freitagabend ankamen, regnete es in Strömen. "Das war etwas ungemütlich." Jetzt stehen die beiden barfuß und in Sommerkleidung auf der Wiese in der Sonne und beobachten, wie im Protestcamp immer mehr Zelte aufgebaut werden. Die Behörden haben es für 750 Bewohner zugelassen. Was würden die beiden sagen, wenn sie die Gelegenheit hätten, mit Bundeskanzler Olaf Scholz persönlich zu sprechen? "Ich würde ihn einladen, mit uns einen Linseneintopf zu essen und dann würden wir darüber reden, wie wir Deutschland zum Bestandteil einer gerechten Welt machen können", sagt Olk und lacht dabei ungläubig. Mit dem Kanzler reden, das ist nicht vorgesehen.

Immer mehr Zelte werden im Protestcamp aufgebautBild: Sabine Kinkartz/DW

Stattdessen wurde den Aktivisten vorgeschlagen, dass 50 von ihnen nach Elmau hochgefahren werden und dort außer Sichtweite der Staats- und Regierungschefs unter Bewachung demonstrieren könnten. Doch das finden sie inakzeptabel. "Die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit wird stark eingeschränkt", kritisiert Söding.

Bleibt der Protest friedlich?

Geplant ist, dass die Demonstranten unten in Garmisch durch die Stadt ziehen, sie wollen aber auch mit einem Sternmarsch versuchen, durch den Bergwald nach Elmau vorzudringen. Die Polizei weiß das und hat schon angekündigt, dass die Aktivisten nicht weit kommen würden. "Es ist sehr viel Polizei in Garmisch, und das hat schon einen Grund", sagte der Polizeipräsident von Oberbayern Süd, Manfred Hauser bei der Vorstellung des Sicherheitskonzepts.

Die Geschäftsleute in Garmisch hoffen, dass die Proteste friedlich bleiben. "Viele Einwohner sind ein paar Tage weggefahren", erzählt Chocolatier Käßer. "Wir hatten aber alle Urlaube hier im Geschäft schon geplant, als wir vor einem halben Jahr erfahren haben, dass zum zweiten Mal ein G7-Gipfel in Elmau stattfinden soll." 2015 seien sie schon eineinhalb Jahre im Voraus informiert worden und hätten anders planen können. "Ich kann die Leute jetzt nicht schon wieder in Urlaub schicken."

G7-Gipfel nicht mehr zeitgemäß?

Ein drittes Mal werde es bei ihnen keine G7-Gipfel mehr geben, ist sich Käßer sicher. "Nie wieder G7", sagt er mit Inbrunst in der Stimme. "Das würden die Menschen hier im Ort nicht mitmachen und das wird im Gemeinderat auch von einigen unterstützt." Der ganze Aufwand sei doch auch gar nicht mehr zeitgemäß, kritisiert der Chocolatier. "Wir sollen weniger heizen und weniger duschen und hier hauen sie die Energie raus, indem seit Wochen hunderte Polizeiautos rumfahren und Hubschrauber Übungsflüge machen."

Das Medienzentrum in Garmisch-Partenkirchen bietet Arbeitsplätze und Verpflegung für rund 3000 Journalisten Bild: Sabine Kinkartz/DW

Dass Treffen von Staats- und Regierungschefs sein müssen, weiß auch Käßer und das stellt er auch nicht in Abrede. "Aber bitte nicht in diesem Format. Da sind ja hunderte Leute in jedem Tross. Warum treffen die sich nicht mit ihrem engsten Beraterkreis und alle anderen Leute können sich doch heutzutage im Netz treffen?" Es gebe außerdem Orte, wo man solche Treffen besser abhalten könnte. "In Ramstein wurde doch ganz kurzfristig ein NATO-Gipfel organisiert mit wichtigen Leuten, da konnte der US-Präsident mit seiner Airforce One direkt auf dem Gelände landen. Das muss man doch niemandem mehr zumuten heutzutage."

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