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Niedergang der Volksparteien

Jannis Papadimitriou20. Januar 2015

Die griechische Parteienlandschaft ist zersplittert wie nie zuvor seit der Wiederherstellung der Demokratie 1974. Dadurch wird auch die Bildung einer neuen Regierung schwieriger.

Griechisches Parlament (Bild:DW/ Jannis Papadimitriou)
Zahlreiche Parteien wollen in das Parlament in AthenBild: DW/J. Papadimitriou

In Griechenland ist Spiros Danellis derzeit ein gern gesehener Gast bei Radio- und Fernsehshows. Der Architekt aus Kreta kandidiert für eine politische Partei, die zum Überflieger der vorgezogenen Neuwahlen werden könnte. Sie heißt "To Potami"- zu Deutsch: Der Fluss. Kurz vor der Europawahl 2014 wurde die sozialdemokratische Gruppierung vom Journalisten Stavros Theodorakis gegründet und kam aus dem Stand heraus auf 6,6 Prozent der Stimmen. Nun schwebt Danellis ein politischer Coup vor: Bei der anstehenden Parlamentswahl (25.1.) soll To Potami drittstärkste Kraft werden und anschließend Regierungsverantwortung übernehmen, am besten als Juniorpartner in einer pro-europäischen Koalition.

Das ist gut möglich. Zwar bekäme die Partei laut Umfragen weniger Stimmen im Vergleich zur vorangegangenen Europawahl. Doch in der griechischen Parteienlandschaft gibt es zurzeit so viele Parteien, dass auch ein Newcomer mit etwa fünf Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz landen könnte. "Die einstigen Volksparteien sind stark zersplittert und dies gilt vor allem für das Mitte-Links-Lager, das eine viel größere Verantwortung übernehmen musste für den Ausbruch der Schuldenkrise", erklärt Spiros Danellis im Gespräch mit der DW. Der Mann weiß, wovon er spricht: Bei der Europawahl 2009 zog er für die damals allmächtige sozialistische PASOK ins EU-Parlament ein. Dann kam die Schuldenkrise und eine fünfjährige Rezession. Heute ist Danellis lieber bei der Konkurrenz engagiert, während seine einstige Partei Auflösungserscheinungen zeigt und der damalige Sozialistenchef Giorgos Papandreou eine eigene Gruppierung anführt, die voraussichtlich an der Drei-Prozent-Hürde scheitert.

Alexis Tzipras und SYRIZA haben gute Aussichten auf Erfolg bei den ParlamentswahlenBild: AFP/Getty Images/A. Tzortzinis

Altparteien zahlen für Fehler der Vergangenheit

Nach Ausbruch der Schuldenkrise, hätten die politischen Parteien viele Fehler gemacht, sagt Danellis und meint damit nicht zuletzt auch seine damalige Partei, die PASOK. Man habe es vor allem nicht geschafft, die nötigen Reformen durchzuführen und die grassierende Klientel-Politik zu bekämpfen und dadurch würden viele Wähler enttäuscht. Genau dies möchte seine neue Partei, To Potami: "Wir wollen alles verändern, dabei aber nicht unser Land zugrunde richten", lautet ihr Hauptslogan. Kritiker werfen der neuen Gruppierung vor, sie würde zwar mit pro-europäischen Politikern und frischen Gesichtern auftrumpfen, hätte aber kein konkretes Wahlprogramm. Parteichef Theodorakis entgegnet dem Vorwurf mit entwaffnender Ehrlichkeit: "Wir sind eine Bewegung, die sich noch nicht zu einer Partei entwickelt hat, wir haben nicht einmal eine richtige Parteizentrale, aber wir arbeiten dran", erklärte er auf einer Kundgebung im Hebst.

Giorgos Papandreou, ehemaliger Sozialistenchef, führt jetzt eine eigene ParteiBild: picture alliance/ZUMA Press

Die Wähler seien definitiv auf der Suche nach einer Alternative, glaubt Jorgos Tzogopoulos vom Athener Think-Tank ELIAMEP. Neue Gesichter und neue Ideen würden gefragt. Das sei einer der Gründe für die Entstehung neuer Splitterparteien, erklärt Tzogopoulos im Gespräch mit der DW. Es gäbe aber auch weitere Gründe dafür, die wenig erfreulich sind: "Erstens, die Wirtschaftskrise hat dem Populismus Auftrieb gegeben - ein typisches Beispiel dafür ist die rechtspopulistische Partei Unabhängige Griechen, derzeit mit 13 Abgeordneten im Parlament vertreten. Zweitens, Viele Politiker wollen einfach nicht mit Ihresgleichen zusammenarbeiten, sie schotten sich lieber ab oder gründen ihre eigene Partei, die sie dann auch zu dominieren versuchen".

Rechtsexreme Partei "Goldene Morgenröte" könnte die drittstärkste Kraft in Griechenland werdenBild: imago/Invision/S. Baltagiannis

Als Paradebeispiel für diese Besonderheit des politischen Lebens in Griechenland führt Tzogopoulos den Wahlkampf 2012: Damals versuchten die wirtschaftsliberalen Politiker des Landes, sich auf ein gemeinsames Wahlprogramm zu einigen. Das misslang ihnen gründlich. Schließlich zogen alle führenden Köpfe der liberalen Bewegung mit ihren eigenen Parteien in den Wahlkampf. Darunter waren die frühere Außenministerin Dora Bakoyannis, der einstige FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis, sowie der Werber Thanos Tzimeros. Sie scheiterten alle erwartungsgemäß, teils nur knapp, an der Drei-Prozent-Hürde.

Erbitterter Kampf um Platz drei

Während nun die Konservativen und die Linksopposition um den Wahlsieg eifern, kämpfen To Potami, die Sozialisten, die Kommunisten und nicht zuletzt die rechtsradikale Goldene Morgenröte um den entscheidenden dritten Platz um die Gunst der Wähler. Die drittstärkste Partei wird nämlich unweigerlich zum potentiellen Koalitionspartner gekürt und kann laut Verfassung sogar einen Auftrag zur Regierungsbildung bekommen, falls die beiden größten Parteien mit ihren eigenen Bemühungen scheitern, nach der Wahl Koalitionspartner zu gewinnen.

Früher allmächtiger sozialistischer Partei PASOK droht die BedeutungslosigkeitBild: picture-alliance/dpa

Das Horrorszenario lautet: Die Rechtsradikalen, im Zuge der Wirtschaftskrise stark geworden und derzeit laut Umfragen nur noch knapp hinter "To Potami", landen auf dem dritten Platz und bekommen irgendwann einen Regierungsauftrag. Und das, obwohl alle führenden Politiker dieser Partei wegen "Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation" in Untersuchungshaft sitzen und auf ihren Prozess warten. "Das wäre der größte anzunehmende politische Unfall", mahnt Spiros Danellis. Und er fügt hinzu: "Stellen Sie sich vor, der inhaftierte Chef der Goldenen Morgenröte wird mit Polizeieskorte zum Präsidentenpalast geführt, wo er den Auftrag zur Regierungsbildung bekommt. Dieser hätte freilich keine Aussicht auf Erfolg, doch allein schon die Symbolwirkung wäre gravierend."