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Niederländische Steueroasen

Dirk Kaufmann3. September 2013

Für ein Unternehmen, das Steuern sparen will, gibt es lukrative Anlagemöglichkeiten in Offshore-Steueroasen. Und es gibt die Niederlande. Unser westlicher Nachbar lockt deutsche Firmen mit extrem niedrigen Steuersätzen.

traditionelle Windmühlen Holland in Holland
Windmühle traditionelle Windmühlen Holland Niederlande Gracht Kanal TulpenBild: Fotolia/samott

"Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!" Dieses geflügelte Wort frei nach Goethes Vierzeiler "Erinnerung" hat nichts mit den Niederlanden zu tun und ganz bestimmt nichts mit dem Bestreben, alle legalen Möglichkeiten zu nutzen, um die Steuerbelastung zu reduzieren. Doch für deutsche Unternehmen liegt das Gute von Form von Gewinnsteigerung durch Steuergestaltung tatsächlich sehr nah: In Irland oder direkt hinter der Grenze in den Niederlanden. Steueroasen findet man nicht nur in Übersee, es gibt sie auch innerhalb der EU.

Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, kennt das Problem: "Die EU-Staaten Niederlande und Irland pflegen nationale Steuerrechte, die ihren europäischen Nachbarn schaden." Und schlimmer noch, sagt er im Gespräch mit der DW, "meist sind diese Staaten auch noch Durchreichländer in richtige Steueroasen, etwa die Niederländischen Antillen."

Steuern sparen leicht gemacht

Professor Christoph Spengel, Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Mannheim erklärt im Gespräch mit der Deutschen Welle, was die Niederlande für deutsche Unternehmen so attraktiv macht: "Dort unterliegen Lizenzerträge einem niedrigen Steuersatz. Der beträgt fünf Prozent im Vergleich zu 25 Prozent für normale Unternehmensgewinne."

Finanzminister Schäuble gehen jährlich viele Milliarden verlorenBild: Reuters

Die deutschen Unternehmen sparen durch das Modell "Holländische Oase" gleich zweifach: Sie zahlen in den Niederlanden deutlich weniger Steuern für Einnahmen aus Patenten und Lizenzen als etwa in Deutschland. Die Nutzung dieser Rechte lassen sich die niederländischen Filialen von den hierzulande ansässigen Unternehmensteilen bezahlen. Die können diese Ausgaben dann wiederum vom Ergebnis abziehen - sie werden in Deutschland steuermindernd geltend gemacht. Das ärgert den Finanzminister besonders. Denn, so Christoph Spengel, diese Praxis "mindert generell die Körperschaftssteuer in Deutschland und sie mindert auch die Gewerbesteuer."

Das, sagt Thomas Eigenthaler, sei natürlich kein Steuertrick für den normalen Steuerzahler, sondern nur etwas für "Unternehmen, die international arbeiten, die international verflochten sind, die Töchter im Ausland haben. Sobald man über die Grenze arbeitet, ist alles möglich."

Legal, aber anrüchig

Solche Steueroptimierungsmodelle - Fachleute sprechen von "aggressiver Steuergestaltung" - sind durchaus nicht verboten, sagt der Mannheimer Ökonom Spengel: "Das ist völlig legal." Dem widerspricht auch Steuergewerkschaftler Eigenthaler nicht. Das sei alles rechtlich in Ordnung und wenn es auch anrüchig sei, müsse man festhalten: "Moral gibt es im Steuerrecht natürlich nicht." Und dabei werde es den Steuersparfüchsen auch noch leicht gemacht, denn "der deutsche Fiskus ist schon personell überhaupt nicht in der Lage, dieses Treiben hinterher zu verifizieren."

Thomas Eigenthaler hält nicht viel von einer "aggressiven Steuergestaltung"Bild: dapd

Auf diese Weise Geld sparen kann man nicht nur in den Niederlanden. Die Schweiz ist immer noch ein beliebtes europäisches Steuerschlupfloch für deutsche Unternehmer, sagt Christoph Spengel. Und auch andere EU-Mitglieder machten es inzwischen den Niederländern nach: "Vor allem Luxemburg, das ein vergleichbares Modell für Patenteinkommen hat. Und im Frühjahr dieses Jahres haben die Engländer eine sogenannte Patentbox eingeführt, die Lizenzerträge faktisch nur mit zehn Prozent besteuert, während der normale Steuersatz dort im Moment 24 Prozent beträgt."

Milliardenschäden

Wie hoch der Schaden ist, den Finanzminister Schäuble durch die Steuervermeidung nach dem niederländischen Modell hinnehmen muss, sei seriös nicht zu quantifizieren, sagt Professor Spengel. Er will da auch keine Schätzung abgeben.

Steuergewerkschaftler Eigenthaler weiß aus der Praxis allerdings, dass der Schaden enorm ist: "Wenn man alles zusammennimmt, nicht nur Holland, nicht nur Irland, sondern alle Länder bis in den asiatischen Raum hinüber - denken wir nur an große Automobilfirmen - bedeutet dieser Verschiebebahnhof Steuerausfälle im zweistelligen Milliardenbereich - pro Jahr."

Thomas Eigenthaler sieht jetzt die europäischen Politiker in der Pflicht und fordert: "Weg mit diesem Wettbewerb im Steuerrecht." Das Thema Steuervermeidung steht auch auf der Tagesordnung des G20-Gipfels, der in dieser Woche im russischen Sankt Petersburg stattfindet. Doch weder Thomas Eigenthaler noch Christoph Spengel setzen große Hoffnungen in diesen Gipfel. Beide sind davon überzeugt, dass das Problem so schnell nicht gelöst werden wird.

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