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Politik

Boko Haram bringt Buhari in Bedrängnis

22. Februar 2018

Nigerias Präsident hatte angekündigt, Boko Haram zu besiegen. Doch auch drei Jahre nach dem Amtsantritt von Muhammadu Buhari macht die Miliz mit neuen Entführungen von sich reden. Das gefährdet seine Wiederwahl 2019.

Nigeria Anschlag auf Moschee
Boko-Haram-Anschlag auf eine Moschee im Januar 2018Bild: Reuters

Wieder einmal hat es die islamistische Miliz Boko Haram in Nigeria in die Schlagzeilen geschafft. Doch auch vier Tage nach dem Überfall auf eine Schule in Dapchi im Bundesstaat Yobe herrscht Unklarheit über das Geschehen. Montagnacht seien Bewaffnete in ein Internat eingedrungen, berichteten Augenzeugen. "Wir alle sind um unser bloßes Überleben gerannt", erzählt eine Schülerin. "Einige Mädchen haben sich in Autos außerhalb der Schule geflüchtet, die sie an einen unbekannten Ort gefahren haben. Wir befürchten, dass die Autos von Boko-Haram-Kämpfern gefahren wurden, die als Retter getarnt waren."

Am Mittwoch erklärte die Polizei mehr als 100 Mädchen für vermisst. Nachdem es zuerst hieß, die Schülerinnen seien mit ihren Lehrern geflohen, sprach der Sprecher des Gouverneurs von Yobe am späten Abend von einer Entführung. Einige der Schülerinnen seien inzwischen von der Armee befreit worden. Diese Angaben relativierte der Governeur am Donnerstag wieder: Es habe keine Befreiungsaktion gegeben. Die Angehörigen bangen weiter.

Einige Bewohner seines Dorfes Karasuwa hätten sich an die Schule begeben, um ihre Töchter nach Hause zu holen, sagt ein verzweifelter Vater. "Sie trafen dort 15 von 16 Mädchen aus Karasuwa an. Das fehlende Mädchen ist meine Tochter. Ich hoffe und bete, dass sie heil nach Hause kommt", so Alhaji Kalwuri. "Wir wissen nicht, ob sie geflohen ist oder entführt wurde. Nur Gott weiß das."

Pleite für Muhammadu Buharis Wahlversprechen

Boko Haram ist geschwächt - doch nicht minder gefährlich. Immer noch müssen viele Bewohner in Nigerias Nordosten tagtäglich mit Überfällen und Selbstmordanschlägen rechnen. Das ist eine Niederlage für Präsident Muhammadu Buhari, der mit dem Versprechen angetreten war, die Miliz zu besiegen.

Mohammadu Buhari (vorne rechts) bei einem Treffen mit befreiten Chibok-MädchenBild: Getty Images/AFP/Stringer

Als Buhari im April 2015 zum Wahlsieger erklärt wurde, war es ein Jahr her, dass Boko Haram mehr als 200 Schülerinnen aus Chibok entführt hatte. Die meisten waren noch immer verschollen. Für Buhari eine gute Vorlage, die Vorgängerregierung des Scheiterns zu bezichtigen: "Die Miliz zu bekämpfen, ist eine schwierige und dringende Aufgabe", sagte Buhari damals. "Aber ich versichere Ihnen, dass Boko Haram bald die ganze Stärke unseres gemeinsamen entschlossenen Einsatzes zu spüren bekommen wird, um dieses Land vom Terror zu befreien und Frieden und Normalität in den betroffenen Regionen einkehren zu lassen."

Knapp drei Jahre später ist von der versprochenen Befreiung wenig zu spüren. "Die Regierung versucht, zu vertuschen, dass Boko Haram immer noch sein Unwesen treibt", sagt Tsambido Hosea-Abana, der sich als Vorsitzender der Chibok Association für die Befreiung der entführten Mädchen einsetzt. "Erst vor drei oder vier Tagen hat sie erklärt, dass sie die Organisation besiegt habe. Und im gleichen Moment ist diese Entführung passiert."

Spur der Verwüstung

Dabei sei Buharis Strategie zunächst relativ erfolgreich gewesen, sagt der Politikwissenschaftler und Buchautor Heinrich Bergstresser. Buhari habe die Militärstrategie umgekrempelt und die Miliz, die 2015 große Teile des nigerianischen Nordostens unter ihrer Kontrolle hatten, militärisch geschlagen. "Im Grunde genommen hat Boko Haram kein Territorium mehr." Doch ein Grundproblem bleibe  die schwache staatliche Infrastruktur in den nordöstlichen Bundesstaaten.

"Dass sich die Situation etwas verbessert hat, lag vor allem daran, dass die Soldaten ein bisschen besser bezahlt worden sind und dass das militärische Hauptquartier nach Maiduguri im Bundesstaat Borno verlegt worden ist", sagt Bergstresser im DW-Interview. Auch die militärische Führung sei weitgehend in den Nordosten verlegt, manche unfähigen Generäle ausgetauscht worden. Von den einst schätzungsweise 10.000 Boko-Haram-Kämpfern seien nur noch wenige hundert aktiv. Was sich nun zeige, sei ein letztes Aufbäumen einer geschwächten und zersplitterten Organisation, so Bergstresser. Kriminelle Aktionen wie Lösegeldförderungen für entführte Schülerinnen kämen da gelegen: "Es ist keine strategische Komponente und keine Ideologie mehr zu erkennen. Es geht nur noch darum, irgendetwas zu vernichten." Doch diese Spur der Verwüstung, schätzt Bergstresser, könne sich noch über Jahre hinziehen.

Buhari (erste Reihe, 5. von links) zu Besuch beim Boko Haram Operation Center in BornoBild: NPR

Götterdämmerung für Buhari

Damit bleibt die Bilanz von Präsident Buhari durchwachsen - nicht nur beim Kampf gegen den Islamismus. Auch die Beseitigung von Korruption, die sich der einstige Militärherrscher auf die Fahne geschrieben hatte, ist ihm bislang nicht gelungen - auf dem Ranking von Transparency International ist das Land von 2016 auf 2017 um zwölf Positionen abgerutscht.

In einem offenen Brief hatte Nigerias ehemaliger Präsident Olusegun Obasanjo seinem einstigen Favoriten jüngst das Vertrauen entzogen. "Die Entscheidung für Buhari war zu diesem Zeitpunkt die richtige für das Land und unsere Demokratie", sagte Obasanjo dazu der DW. "Es ist aber auch jetzt die richtige Entscheidung, zu sagen, dass wir einen Wandel brauchen, wenn wir sehen, dass er die Erwartungen der Nigerianer nicht erfüllt." Das Urteil des 80-jährigen Ex-Präsidenten, der immer noch als Königsmacher gilt, sieht Nigeria-Kenner Bergstresser als starkes Signal. Die Götterdämmerung sei eingetreten.

Mitarbeit: Muhammad Al-Amin, Abu-Bakarr Jalloh