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Politik

Nigeria: Chaos nach Gouverneurswahlen

Martina Schwikowski
11. März 2019

Wieder haben Unregelmäßigkeiten und Gewalt eine Wahl in Nigeria überschattet. Im Bundesstaat Rivers ist die Auszählung der Stimmen sogar abgebrochen worden. Nun stehen auch die Sicherheitskräfte in der Kritik.

Nigeria Regionalwahlen 2019 | Proteste in Rivers
Wähler protestieren gegen den Stopp der Stimmauszählung im nigerianischen Bundesstaat RiversBild: Getty Images/AFP/U. Ekpei

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen haben die Nigerianer gewählt. Und eigentlich sollte bei den Gouverneurs- und Regionalwahlen am Samstag alles besser laufen als bei den chaotischen Präsidentschaftswahlen zwei Wochen zuvor. Doch wieder ist es rund um den Urnengang zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen gekommen. Zudem verzögert sich die Auszählung der Stimmen, auch am Montagabend lagen noch keine Ergebnisse vor. Im Bundesstaat Rivers ordnete die Wahlkommission INEC sogar einen kompletten Stopp der Auszählung an, da zuvor Stimmzettel zerstört und Mitarbeiter der Kommission verschleppt worden seien.

Vorwürfe gegen Sicherheitskräfte

Insgesamt wurden in 29 der 36 Bundesstaaten Nigerias neue Gouverneure und Abgeordnete für die Landesparlamente gewählt. In Port Harcourt, der Hauptstadt von Rivers, riefen tausende Demonstranten am Montag Slogans gegen den amtierenden Gouverneur Nyesom Wike von der "Peoples Democratic Party" (PDP). Der wiederum bezeichnete den Stopp der Stimmauszählung als "schamlosen Angriff", der einem Staatsstreich gleichkomme. Wike wittert hinter der Entscheidung der Wahlkommission eine Verschwörung der Partei "All Progressives Congress" (APC) von Präsident Muhammadu Buhari und dem Sicherheitsapparat. "Die Armee, Polizei und Wahlkommission arbeitet mit der Regierungspartei zusammen, um den Willen der Menschen in Rivers zu unterwandern", so Wike. 

Zustimmung bekommt er von Anniko Briggs, einer Frauenaktivistin aus Rivers. Sie ist Anhängerin von Wikes PDP und macht den Sicherheitskräften schwere Vorwürfe: "Während der Wahlen haben wir das Militär an strategischen Punkten im Bundesstaat Rivers gesehen", sagt sie im DW-Interview. Angeblich hätten die Soldaten sogar das Büro der unabhängigen Wahlkommission übernommen.

Ein Wahlhelfer bei der Stimmauszählung in der Wirtschaftsmetropole LagosBild: Reuters/A. Temilade

Gouverneure spielen wichtige Rolle

Im föderal organisierten Nigeria haben die Gouverneure nicht nur einen großen politischen Einfluss, sondern verfügen teilweise auch über größere Budgets als manche Nachbarländer Nigerias. Viele halten die Regionalwahlen deshalb für ebenso bedeutend wie die Wahlen auf Bundesebene. "Das sind die wichtigsten Wahlen, denn Dinge wie Erziehung, Wasserversorgung, Gesundheit fallen alle in den Zuständigkeitsbereich der Länderparlamente und Gouverneure", erklärt Idayat Hassan, Direktorin des Zentrums für Demokratie und Entwicklung (CDD) in Abuja. "Jeder versucht alles, um den Repräsentanten seiner Wahl ins Amt zu heben", so Hassan im DW-Interview.

Schon bei der Präsidentschaftswahl Ende Februar hatte es erhebliche organisatorische Fehler und Versäumnisse gegeben. So hatte die Wahlkommission nur wenige Stunden vor Öffnung der Wahllokale den Wahltermin um eine Woche auf den 23. Februar verschoben. Doch der Aufschub blieb offenbar ungenutzt, viele Wahllokale öffneten mit Stunden Verspätung oder gar erst am folgenden Tag. Zudem funktionierten vielerorts die elektronischen Lesegeräte für die Wählerausweise nicht. Insbesondere im Südosten des Landes hinderten bewaffnete Banden Wähler an der Wahl oder verwüsteten die Wahllokale.

Opposition will Wahl anfechten

Schlussendlich konnte sich Präsident Muhammadu Buharis zwar gegen seinen politischen Gegner Atiku Abubakar durchsetzen. Doch die geringe Wahlbeteiligung von 36 Prozent verdeutlicht die Frustration vieler Wähler über beide Kandidaten. Überschattet wurde die Präsidentschaftswahl zudem von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten. Die Opposition sprach von schwerem Wahlbetrug undwill das Ergebnis gerichtlich anfechten. Die Dachorganisation  "Situation Room", ein Sprachrohr für 70 zivilgesellschaftliche Gruppen, fordert ebenfalls eine unabhängige Untersuchung der Wahl.

Im Bundesstaat Rivers wurden Vorwürfe laut, Sicherheitskräfte hätten versucht die Regionalwahlen zu manipulierenBild: Getty Images/AFP/U. Ekpei

Auch die Wahlbeobachter der Europäischen Union schlossen sich am Montag der Kritik an: "Das strukturelle Versagen und die Sicherheitsprobleme in den letzten Wochen und Monaten zeigen, dass Reformen in Nigeria dringend nötig sind", sagte Maria Arena, Leiterin der Beobachter-Mission auf einer Pressekonferenz in Abuja. "Wir unterstützen eine nationale Debatte über die Reform des Wahlprozesses und sind der festen Überzeugung, dass sie einen wichtigen Beitrag für Nigerias demokratische Entwicklung leisten könnte."

Neuwahlen werde es in Nigeria aber wohl nicht geben, schätzt Idayat Hassan vom Zentrum für Demokratie und Entwicklung Westafrika. Auch in dem instabilen Bundesstaat Rivers sieht sie keine Chance auf eine neue Abstimmung. "Das ist zu schwierig, denn schon bei den Wahlen 2015 kam es zu fast sechs Durchgängen, bis die Wahl beendet werden konnte."

Mitarbeit: Bello Muhammad, Ineke Mules

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