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Politik

Fulani-Dörfer als Politikum

Katrin Gänsler
11. Juli 2019

Nigerias Ruga-Settlements sollten Konflikte um Landnutzung beilegen. Stattdessen ist um die geplanten Fulani-Dörfer ein Machtkampf zwischen der Opposition und der Regierung von Präsident Buhari entbrannt.

Nigeria Ruga-Siedlungen Abuja
Ein Viehzüchter treibt seine Tiere auf der Suche nach Weideland durch AbujaBild: DW/K. Gänsler

Es schien beschlossene Sache zu sein: Nigerias Regierung unter Präsident Muhammadu Buhari (76) hatte angekündigt, sogenannte Ruga-Settlements einzuführen. Das Wort Ruga ist gleichzeitig die Abkürzung für "Rural Grazing Area" und die Haussa-Bezeichnung für die Fulani, eine ethnische Gruppe, die traditionell Vieh hält und von denen einige bis heute als Halbnomaden leben. Extra für sie sollten Dörfer geschaffen werden, die ein Minimum an Infrastruktur bieten: Schule, Gesundheitszentrum, Tierarzt.

Die Hoffnung: Da die Ruga-Zonen speziell für die Viehzucht ausgewiesen würden, ließen sich die Wege der Nomanden besser steuern und es käme es zu weniger Konflikten mit den umliegenden Bauern. In weniger als drei Jahren starben mehr als 3600 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen Viehhirten und Landwirten, so die Zahlen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International von Dezember 2018. Zwischenzeitlich haben die Ausschreitungen mehr Tote gefordert als Anschläge der Terrormiliz Boko Haram.

Beerdigung von 73 Menschen, die im Januar 2018 bei Zusammenstößen zwischen muslimischen Viehhirten und christlichen Bauern im Bundesstaat Benue getötet wurdenBild: Getty Images/P. Utomi Ekpei

Opposition gegen Ruga-Pläne

Doch nun wird die Idee vorerst nicht weiter verfolgt. Die Regierung hat vor allem aus Bundesstaaten, deren Gouverneure der Oppositionspartei People's Democratic Party (PDP) angehören, massiven Gegendruck bekommen. Besonders spürbar war er im ostnigerianischen Bundesstaat Benue. Auch dort kam es im vergangenen Jahr zu schweren Ausschreitungen mit zahlreichen Toten. Für einige Angriffe wurden Fulani-Hirten verantwortlich gemacht, von denen es hieß, sie würden mit Islamisten zusammenarbeiten.

Zu Jahresbeginn zählte die Nothilfebehörde von Benue, Sema, mehr als 480.000 Binnenflüchtlinge. Sema-Vorstandssekretär Emmanuel Shior kritisiert: "Weder wurde mit dem Gouverneur von Benue, noch mit der Bevölkerung oder den Verantwortlichen in den betroffenen Dörfern über das Projekt gesprochen. Man führt diese Ruga-Siedlungsinitiative ein, ohne die verschiedenen Parteien miteinzubeziehen."

Spekulationen um eine versteckte Agenda

In Benue hatte Gouverneur Samuel Ortom vor den Wahlen Anfang März den regierenden All Progressives Congress (APC) verlassen, sich wieder der oppositionellen PDP angeschlossen und die Ruga-Idee stark kritisiert. Für Shettima Mohammed, Generalsekretär der Viehzüchtervereinigung Miyetti Allah in Benue, ist das ein politisches Spiel. In anderen Bundesstaaten würden die Dörfer akzeptiert werden: "Ich kenne Ruga-Settlements im Bundesstaat Enugu. Dort gibt es keine Probleme, keine Krise. Man ist vernünftiger."

Viehzüchter Shettima Mohammed engagiert sich für Ruga-SiedlungenBild: DW/K. Gänsler

Ihn ärgert, dass so viel Aufsehen um ein altes Konzept gemacht werde. "Fulani-Dörfer gibt es seit Jahrzehnten überall. Sie haben nichts mit einer Islamisierung oder politischen Agenda zu tun. Es geht nicht darum, Land zu stehlen oder jemanden zu vertreiben."

Insbesondere christliche Nigerianer hatten der Regierung in den vergangenen Wochen immer wieder vorgeworfen, einen versteckten Plan zur Islamisierung des Landes zu haben. Grund dafür dürfte auch sein, dass Präsident Buhari selbst Fulani und Muslim ist.

Die Angst um knappes Land

Die Landfrage ist in Nigeria eine äußerst sensible. Der Staat hat rund 200 Millionen Einwohner und wächst jährlich um vier bis fünf Millionen Menschen. Land ist ein kostbares Gut. Isa Sanusi, Sprecher von Amnesty International, befürwortet die Ruga-Pläne prinzipiell, aber: "Es ist sehr wichtig, dass die Regierung nirgendwo ohne Erlaubnis Land für solche Siedlungen nimmt." Wichtig sei auch, dass die Gründe für die Initiative von der Bevölkerung verstanden und akzeptiert werden.

In vielen Teilen Nigerias gibt es bereits Siedlungen für ViehhirtenBild: DW/K. Gänsler

In den vergangenen Jahren hatte es vor allem auf lokaler Ebene vereinzelte Friedensinitiativen gegeben. 2014 sollten zudem unter der Regierung des damaligen Präsidenten Goodluck Jonathan (PDP) 100 Milliarden Naira - umgerechnet rund 500 Millionen Euro - für Viehfarmen bereit gestellt werden. Im Gegensatz zu Buhari erhielt Jonathan, ein Christ, der der Ijaw-Volksgruppe aus dem südlichen Bundesstaat Bayelsa angehört, keinen Gegenwind für seinen Vorschlag. Umgesetzt wurde das Projekt trotzdem nicht.

Lagos konsumiert täglich 7000 Kühe 

Mohammed Bello Tukur, Rechtsanwalt, Aktivist und  Leiter einer Behörde, macht sich weiter für das Ruga-Projekt stark. Seiner Meinung nach würden Kritiker nicht verstehen, dass das Vieh nicht nur den Fulani-Hirten das Auskommen sichere: "Man kann die Wirtschaft rund um das Vieh nicht nur mit einer ethnischen Gruppe in Verbindung bringen. Auch die Viehhändler, die Transporteure und die Schlachter gehören zur Produktionskette. Sie alle würden profitieren."

Die Nachfrage nach Fleisch ist hoch in Nigeria. Landwirtschaftsminister Audu Ogbeh sagte im Mai bei einem Besuch der Ahmadu-Bello-Universität in Zaria, dass alleine in der Wirtschaftsmetropole Lagos täglich knapp 7000 Kühe konsumiert würden.

Alice Nyitor wünscht sich eine Lösung des KonfliktsBild: DW/K. Gänsler

Die politische und wirtschaftliche Dimension des Konflikts interessiert Alice Nyitor nicht. Die 60-Jährige lebt seit Anfang 2018 in einem Flüchtlingslager im Bundesstaat Benue. Anstelle eines politischen Machtkampfs wünscht sie sich Frieden. "Wenn die Fulani Weiden für ihre Kühe haben, dann ist Frieden möglich", bleibt sie trotz der immer wieder aufflammenden Gewalt zuversichtlich. "Als ich Kind war, hatten wir auch keine Probleme. Wir haben zusammen gelebt und alles geteilt."

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