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PolitikNigeria

Nigeria: Zahl der entführten Schülerinnen noch viel höher

22. November 2025

315 Menschen wurden von bislang unbekannten Tätern als Geiseln verschleppt - mutmaßlich, um Lösegeld zu erpressen. Katholische Bischöfe sorgen sich um die Sicherheit der Christen in Nigeria.

Nigeria Lagos 2025 | Mehrere englischsprachige Zeitungen liegen aus, deren Aufmacher die Entführung ist
Die Entführung Hunderter Schülerinnen beherrscht die Schlagzeilen in Nigeria - hier an einem Zeitungsstand in der Metropole LagosBild: Sunday Alamba/AP Photo/picture alliance

Einen Tag nach dem blutigen Überfall auf ein katholisches Internat in Nigeria ist die Zahl der dabei verschleppten Personen deutlich nach oben korrigiert geworden. Der Dachverband Christian Association of Nigeria meldete, die Täter hätten 303 Schülerinnen und zwölf Lehrer entführt. Das habe eine Überprüfung der Anwesenheitslisten ergeben. Zuvor war noch von mehr als 200 Menschen die Rede gewesen.

Schlafsaal des Internats in Papiri, wo die Opfer der Geiselnahme vom Freitag lebtenBild: Christian Association of Nigeria/AP Photo/picture alliance

Nach Kirchenangaben waren bewaffnete Angreifer in der Nacht zum Freitag in das Internat der St.-Mary's-Schule in Papiri im Zentrum Nigerias eingedrungen und hatten die Schülerinnen und Lehrer gezwungen, mitzukommen. Ein Sicherheitsmann wurde dabei erschossen.

60.000 Euro Lösegeld pro Geisel

Erst am Dienstag seien 38 Gläubige aus einer Kirche im Bundesstaat Kwara verschleppt worden, teilte ein Vertreter der Kirche mit. Für jede Geisel würden umgerechnet fast 60.000 Euro Lösegeld verlangt. Bereits am Montag hatten Bandenmitglieder 25 Schülerinnen aus einem Internat in Kebbi im Nordwesten des Landes entführt.

Diese Mutter sagte in Interviews am Dienstag, ihre beiden Töchter seien tags zuvor bei einem Überfall auf eine Schule in Maga im Bundesstaat Kebbi entführt wordenBild: Tunde Omollehin/AP Photo/picture alliance

Als Reaktion auf die Vorfälle sagte der nigerianische Präsident Bola Tinubu seine Teilnahme am G20-Gipfel in Johannesburg ab. Zahlreiche Schulen wurden aus Sicherheitsgründen vorerst geschlossen.

Waldgebiet als Rückzugsort für Verbrecher

Seit Jahren greifen schwer bewaffnete kriminelle Banden immer wieder in ländlichen Gebieten im Norden und im Zentrum Nigerias an, um mit Entführungsopfern Lösegeld zu erpressen. Tausende Menschen wurden getötet. Die Gangs haben ihre Lager in einem riesigen Waldgebiet, das sich über mehrere Bundesstaaten erstreckt. Anders als die islamistischen Gruppen, die ebenfalls Teile des Landes terrorisieren, rechtfertigen sie ihre Verbrechen kaum mit religiösen Ideen.

Sicherheitskräfte - hier am Montag im Bundesstaat Kebbi - haben gegen die kriminellen Banden im Land oft das NachsehenBild: Deeni Jibo/AP Photo/picture alliance

Anfang des Monats hatte die US-Regierung Nigeria wegen der angeblich gezielten Tötung von Christen mit einem US-Militäreinsatz gedroht. US-Präsident Donald Trump erklärte, Christen seien in Nigeria einer "existenziellen Bedrohung" ausgesetzt. Die Regierung in Abuja weist Vorwürfe einer Verfolgung von Christen in den Land als Falschdarstellung zurück.

"Stille Diskriminierung und Verfolgung"

Dagegen hatte der katholische Bischof von Kontagora, Bulus Dauwa Yohanna, erst vor wenigen Tagen gesagt, Christen erlitten in Nigeria seit Jahrzehnten eine "stille Diskriminierung und Verfolgung". Zugleich hatte er seine Sorge um den Schutz von Schulen bekundet. Das Land sei für seine Kinder nicht mehr sicher, so Dauwa.

Trauernde versammeln sich am Dienstag im Bundesstaat Kebbi vor dem Haus des stellvertretenden Leiters einer Schule, der bei einem Überfall getötet wurdeBild: Tunde Omollehin/AP Photo/dpa/picture alliance

Ähnlich hatte sich sein Amtskollege, Bischof Wilfred Anagbe, am Donnerstag bei einem Besuch in Düsseldorf geäußert. "Kirchen werden niedergebrannt, Dörfer geplündert, Familien auseinandergerissen", sagte Anagbe. Die Mitglieder seiner Diözese seien selbst Ziel von Angriffen. "Allein in diesem Jahr sind zahllose Menschen wie Tiere abgeschlachtet worden. Und das nur wegen ihres Glaubens." Der Geistliche machte skrupellose Islamisten für die Taten verantwortlich, die das ganze Land kontrollieren wollten.

Scharia in zwölf Bundesstaaten

Nigeria wird von zahlreichen Konflikten zwischen verschiedenen Ethnien und Bevölkerungsgruppen erschüttert, denen Christen, aber auch Muslime zum Opfer fallen. Das mit rund 230 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Land Afrikas ist hinsichtlich der religiösen Prägung geteilt: in einen weitgehend christlichen Süden und in einen mehrheitlich muslimischen Norden, wo in zwölf Bundesstaaten das islamische Recht, die Scharia, gilt.

Vertreter der katholischen Kirche beklagen eine Verfolgung von Christen in Nigeria - hier die Palmsonntagsprozession im April in der St.-Leo-Kirche in LagosBild: Adekunle Ajayi/NurPhoto/picture alliance

Der Nordosten ist eine Hochburg der Islamistenmiliz Boko Haram. 2016 war aus dieser Gruppe die Terrororganisation "Islamischer Staat Provinz Westafrika" hervorgegangen, die in Nigeria ebenfalls aktiv ist.

Vor mehr als zehn Jahren hatte die Verschleppung von mehr als 270 Mädchen aus ihrer Schule in Chibok im Bundesstaat Borno international für Aufsehen gesorgt. Einige der damals entführten Mädchen gelten noch immer als vermisst. Diese Tat hatte Boko Haram für sich reklamiert.

jj/haz (dpa, afp, rtr, ap, kna)

Redaktionsschluss: 17.30 Uhr (MEZ) - dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.

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