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Nigeria auf der Überholspur

Stefanie Duckstein7. April 2014

Nigeria ist der neue ökonomische Riese Afrikas. Das nationale Statistikamt hat nun seine Zahlen vorgelegt. Das Öl-Land hat damit die Nummer Eins Südafrika abgelöst. Doch halten die Zahlen, was sie verheißen?

Ölplattform in Nigeria
Bild: AP

Nicht nur das bevölkerungsreichste Land Afrikas, sondern nun auch das wirtschaftsmächtigste: Nigeria ist fortan die stärkste Volkswirtschaft des Kontinents. Das nationale Statistikamt veröffentlichte am Sonntag (06.04.2014) neue Berechnungen, nach denen sich die Wirtschaftskraft des Landes im Jahr 2013 auf umgerechnet gut 372 Milliarden Euro belief, fast doppelt so viel wie bislang vermutet. Der ehemalige Favorit des Kontinents, Südafrika, kommt nur auf knapp 229 Milliarden Euro.

Razia Khan hat das in ihrer jüngsten Analyse bereits prophezeit. "Das Jahr 2014 wird als Meilenstein in die nigerianische Wirtschaftsgeschichte eingehen", schreibt Khan. "Nigerias Wirtschaft erreicht in diesem Jahr globale Bedeutung", sagte die Ökonomin in einem Interview mit der DW. Razia Khan wird geschätzt für ihre Prognosen. Die prominente Wirtschaftswissenschaftlerin leitet die Afrika-Abteilung der britischen Standard Chartered Bank. Sie berät Kunden, die vorhaben, in Afrika zu investieren. Bei Nigeria rät sie dringlich zu: "Absolut! An Nigeria führt gar kein Weg vorbei."

Razia Khan leitet die Afrika-Abteilung der Standard Chartered BankBild: privat

Doch die Zahlen des nigerianischen Statistikamtes bedürfen einer sorgfältigen Einordnung, warnen Beobachter. Sie sind nicht als exakte Erfassung des Wirtschaftslebens zu betrachten, sondern als eine Art Hochrechnung. Die neuen Werte fallen wesentlich höher aus als alte Berechnungen, weil jetzt erstmals seit 1990 die Parameter dem modernen Wirtschaftsleben angepasst wurden. So wurden unter anderem die Umsätze aus der Telekommunikationsbranche und aus der Filmbranche Nollywood nun mitberechnet.

Wirtschaftskraft auf wackligen Beinen

Megacity LagosBild: picture-alliance/dpa

Was verbirgt sich hinter den Zahlen? Michael Monnerjahn verfolgt für den Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft die volkswirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in Afrika. Er winkt ab. "Die absolute Zahl des Bruttoinlandsproduktes ist sicher nicht so hilfreich. Gerade bei so einem Land wie Nigeria, wo rund 90 Prozent der Exporterlöse aus dem Erdöl kommen." Selbst, wenn sich die Bruttoinlandsprodukte Nigerias und Südafrikas jetzt auf einem ähnlichen Niveau bewegen, sei ihre Wirtschaftskraft noch lange nicht gleich, so Monnerjahn. "Die Wirtschaft ist doch ganz unterschiedlich strukturiert." Südafrika sei die deutlich reifere und differenziertere Volkswirtschaft. "Die haben eine eigene Autoproduktion, Maschinenproduktion, chemische Erzeugnisse."

Nigeria hingegen hat Öl. Das Land ist der achtgrößte Erdölexporteur der Welt. Doch die absolute Abhängigkeit vom Erdölexport stellt die Wirtschaftskraft Nigerias auf eher wacklige Beine. Denn die Preise auf dem Weltmarkt für Rohöl sind launisch; die Raffinerien zur Veredelung befinden sich im Ausland. Und außer Erdöl hat Nigeria erst einmal: nicht viel. Auch wenn Mobilfunkmarkt und Baubranche boomen und selbst die Filme aus "Nollywood" sich international gut verkaufen - es fehle Nigeria an so genannten Mikro-Level-Indikatoren, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Khan. "Haben die Millionen Menschen eine Kaufkraft? Gibt es einen starken Einzelhandel? Wie geht Nigeria mit Einnahmen um?"

Potenzial: Mensch

Doch Nigeria hat ein für Investoren überzeugendes Potenzial: seine Menschen. Mit seinen 168 Millionen Einwohnern steht das Land an siebter Stelle weltweit. Die Formel ist einfach: viele Menschen, viele Möglichkeiten, viel Wachstum. Doch auch hier gilt, so Khan: Menschen, die produzieren und konsumieren, reichen nicht für eine stabile Volkswirtschaft.

Quelle für den Reichtum Nigerias: ÖlBild: picture-alliance/dpa

Woran mangelt es Nigeria? Erstens: an einer funktionierenden Infrastruktur. Logistik-Kosten in Afrika sind höher als an anderen Orten der Welt. Zweitens: an einer diversifizierten Wirtschaftslandschaft. Drittens: Nigeria mag zwar stärkste Wirtschaftsmacht des Kontinents sein, aber auch nach einem Jahrzehnt stabilen Wachstums leben 63 Prozent der Nigerianer unterhalb der Armutsgrenze. "Die neuen Zahlen offenbaren also, dass die Ungleichheit zwischen dem starken BIP und der noch immer hohen Zahl an Menschen, die von einem Dollar am Tag leben, immer größer wird." Die Wirtschaft sei kräftig gewachsen, sagt Khan, doch verschwinde das Geld in den Taschen weniger. Die Mittelschicht wachse, aber nicht genug. Momentan profitiere eher eine kleine urbane Mittelschicht, bestätigt auch Michael Monnerjahn vom Afrika-Verein: "Von der wirtschaftlichen Entwicklung kommt zu wenig in der breiten Bevölkerung an, gerade auch im Norden Nigerias."

Südafrika unter Druck

Stille Nummer Eins: SüdafrikaBild: picture alliance/Anka Agency International

Was hat dann Südafrika in den Statistiken zurückfallen lassen? Monnerjahn beschreibt die südafrikanische Wirtschaft als "stagnierend". Das habe mit der Dominanz des regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) zu tun, "der unter Druck ist, bestimmte Gruppen zu bedienen, etwa die Gewerkschaften". Änderungen im Energiesektor seien ein weiterer Grund. "Energie war bisher sehr günstig in Südafrika. Man hat jahrzehntelang sehr wenig investiert." Jetzt müsse viel Geld in diesen Bereich gesteckt werden. Dadurch steigen die Energiekosten, der Standort wird insgesamt teurer. "Wer jetzt neu in Afrika anfängt, der geht nicht mehr automatisch nach Südafrika, sondern guckt sich neue Länder an", prophezeit Monnerjahn.

Der abgeschlagene Favorit Südafrika reagierte indessen positiv auf die neue Nummer eins. Das südafrikanische Finanzministerium gab in einer Presseerklärung bekannt, "der Aufstieg Nigerias sei ein konkreter Beweis dafür, dass Afrika tatsächlich wachse".

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