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Politik

Die Banditen von Zamfara

Katrin Gänsler
14. Januar 2019

In Nigerias Bundesstaat Zamfara werden regelmäßig Dörfer von bewaffneten Banden überfallen. Hunderte Menschen sind bereits gestorben, Tausende sind auf der Flucht. Sie fühlen sich nicht mehr sicher.

Nigeria Viehdiebstähle in ländlichen Regionen
Von der Polizei in Zamfara beschlagnahmte Waffen - einige davon sind selbstgebautBild: DW/Katrin Gänsler

Rakiya Bala steht mit ihrem jüngsten Kind vor dem Krankenhaus von Tsafe, einem Landkreis im Bundesstaat Zamfara im Nordwesten Nigerias. Sie gehört zu den zahlreichen Besuchern, die sich an diesem Morgen schon in die Patientenzimmer gedrängt haben. Denn in einem der Betten liegt dieses Mal auch ihr Mann. Er gehört zu den jüngsten Opfern der Überfälle, die Banditen in Zamfara mitunter täglich verüben.

Vor einigen Tagen hatten sie sich ihrem Heimatdorf genähert. "Die lokale Bürgerwehr hat meinen Mann darüber informiert, dass sie die Banditen verjagen wollen", erzählt sie mit fester Stimme. Ihr Mann, ebenfalls Mitglied der parastaatlichen Einheit, sei dem Aufruf gefolgt. Doch statt zu fliehen, eröffneten die Banditen das Feuer. "Er wurde verletzt", sagt die Mutter von drei kleinen Kindern. Um sie herum stehen weitere Dorfbewohner. Nach und nach erzählen sie, wie ihre Brüder, Männer oder Väter angeschossen oder sogar ermordet wurden.

Rakiya Balas Mann wurde von Banditen angeschossenBild: DW/Katrin Gänsler

Die Überfälle sind in Zamfara, einem ländlich geprägten Bundesstaat, Alltag geworden. Nur zwei Tage nach dem Angriff in Tsafe wird von einer Entführung auf der Straße in Richtung Katsina berichtet. Einer Berechnung der nigerianischen Tageszeitung Daily Trust zufolge sollen allein im Dezember mindestens 80 Menschen getötet worden sein. Wegen der Gewalt haben laut Zamfaras Notfallbehörde ZEMA aktuell 30.000 Menschen ihre Heimatorte verlassen und leben in Flüchtlingscamps oder in Gastgemeinden.

3.000 Polizisten für einen ganzen Bundesstaat

Für Sicherheit sollen im ganzen Bundesstaat, in dem Schätzungen zufolge zwischen 3 und 4,5 Millionen Menschen leben, lediglich rund 3.000 Polizisten sorgen. Doch selbst mit mehr Sicherheitskräften wäre das Problem der Überfälle nicht automatisch gelöst, sagt Polizeikommissar Mohammed Ibrahim Zanna. "Nichts ist im Leben zu viel, selbst wenn wir 10.000 Polizisten hätten. Ohne eine Struktur und Sicherheitsarchitektur, die wirklich strategisch ist, können wir die Herausforderungen nicht schaffen."

Polizeichef Zanna vermisst eine klare StrategieBild: DW/Katrin Gänsler

Die Kritik, dass die Polizei in ländlichen Kommunen nicht präsent ist, weist er von sich. Wer jedoch über Land – etwa in Richtung Nachbarbundesstaat Katsina – fährt, entdeckt keinen einzigen Checkpoint auf der langen Überlandstraße. Nur in den wenigen Dörfern sind einige Polizisten stationiert.

Sicherheit hängt für Adamu Abubakar Kotorkoshi, der in der Provinzhauptstadt Gusau die in der Region gut vernetzte Nichtregierungsorganisation Center for Community Excellence leitet, jedoch nicht nur von der Anzahl der Polizisten und deren Ausstattung ab. "Wir müssen akzeptieren, dass es ein Problem gibt", sagt er. Noch bis vor ein paar Jahren sei Zamfara schließlich ein friedlicher Bundesstaat gewesen. Anfangs kam es zu Ausschreitungen und kleineren Konflikten zwischen Farmern und Viehhirten. Daraus entwickelten sich Banden, die Viehdiebstähle verübten. Aktuell werden bei den Überfällen oft Bewohner entführt, um Lösegeld zu erpressen. Wer sich wehrt, wird erschossen. Die Gewaltspirale hat sich längst zugezogen.

Die Banditen sind bekannt

Kotorkoshi fordert, dass sich der Führungsstil der Landesregierung unter Gouverneur Abdulaziz Yari, der nicht mehr zur Wahl steht, aber auch der Regierung von Staatspräsident Muhammadu Buhari dringend ändern muss. "Man muss sich zusammensetzen und langfristige Lösungen suchen, sonst wird die Krise nie beendet." Wie viele Menschen in Zamfara teilt er die Ansicht, dass die Banditen aus der Region stammen. "Ein Teil der Leute ist bekannt, sie sind Teil der Gemeinschaft. Wir müssen also die Menschen identifizieren und wissen, warum sie es tun. Ist es Armut? Arbeitslosigkeit? Es muss einen Grund geben." Seien die Gründe erstmal ermittelt, könne auch über ein mögliches Amnestie-Programm gesprochen werden.

Staatssekretär Shinkafi: "Wir haben einfach zu wenig Personal hier"Bild: DW/Katrin Gänsler

Dass es Informationen über die Täter gibt, bestätigt auch die Regierungsseite. "Wir haben acht bis zehn Camps, in denen sich die Banditen verstecken", sagt Staatssekretär Abdullahi Shinkafi von Zamfaras Landesregierung. "In jedem sind vermutlich um die Tausend. Das ist ein Aspekt, um den wir uns kümmern müssen." Auf die Frage, warum es keine Offensive gegen die Camps gibt, gibt er allerdings zu: Es gebe zu wenig Sicherheitspersonal.

Trotz Angst zurück ins Dorf

Darüber klagt auch Salisu Musa Tsafe, der für Buharis Regierungspartei All Progressives Congress (APC) im Landesparlament sitzt. Die Zahl der Banditen sei groß. "Manchmal sind sie zu Tausenden gekommen." Dass sich die schwierige Sicherheitslage auf die Präsidentschaftswahl im Februar auswirkt und Buhari möglicherweise aus dem Amt gewählt wird, denkt er aber nicht. "Das begann doch alles, bevor der Präsident ins Amt kam. Er tut doch alles dafür, dass jeder Nigerianer hier in Frieden leben kann."

Vor dem Krankenhaus von Tsafe lässt sich die junge Mutter Rakiya Bala nicht auf politische Diskussionen ein. Die Frau, die ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft und als Köchin verdient, hat keine Wahl. Egal, wie schwer die Angriffe werden, muss sie zurück in ihr Dorf. "Selbst wenn ich Angst habe, muss ich zurückgehen. Meine Kinder sind noch dort."

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