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KriminalitätNigeria

Nigerias Black Axe - Eine neue Mafia breitet sich aus

30. August 2024

300 Verhaftungen, Ermittler aus 20 Ländern, beschlagnahmtes Diebesgut in Millionenhöhe: Interpol ist ein Schlag gegen Black Axe gelungen, eine Mafiagruppe aus Westafrika. Was steckt hinter der Organisation?

Ein LKA-Ermittler hält eine schwarze Axt mit der Aufschrift "King Zulu" in den Händen. Das Asservat befindet sich in einer Plastiktüte für Beweismittel.
Ermittlungserfolg: Die schwarze Axt mit der Aufschrift "King Zulu" gilt als Symbol für die Black Axe (München, April 2024)Bild: Britta Schultejans/dpa/picture alliance

Wenn Stephan Fuchs anfängt, über die Strukturen der Black Axe zu referieren, liegen schnell dutzende Papiere auf seinem Schreibtisch. Pfeile, Verbindungslinien, Diagramme. Das Innenleben der nigerianischen Gruppierung ist komplex - und genau das ist laut Experte Fuchs auch ihr Erfolgsrezept. "Nigerianische Netzwerke wurden von den Behörden zwar erkannt", sagt er, "aber man hat lange Zeit die Gruppendynamik und die Mechanik dahinter nicht verstehen können."

Der Co-Leiter der Schweizer Opferschutzorganisation Victras berät seit vielen Jahren Strafverfolgerinnen und Strafverfolger über Gruppierungen wie Black Axe aus Nigeria und wie sie sich ausbreiten. In Europa ist in der breiten Öffentlichkeit bislang kaum etwas darüber bekannt. Dabei seien die kriminellen Vereinigungen in den vergangenen Jahren weltweit rasant gewachsen: "Sie sind im internationalen Drogenhandel, Geldwäsche, Internetbetrug, Menschenhandel und zum Teil auch in der Schutzgelderpressung tätig. In Libyen wurde auch Waffenhandel beobachtet." 

Berufsnetzwerk für Kriminelle

Inzwischen nimmt die Strafverfolgung vermehrt die Schwarze Axt, wie die Gruppe manchmal im deutschen Sprachraum genannt wird, ins Visier. Zwischen April und Juli führte die internationale Polizeiorganisation Interpol die Operation "Jackal III" durch. Neben 300 verhafteten Personen wurden weltweit mehr als 400 weitere Verdächtige identifiziert und 720 Bankkonten gesperrt. Polizistinnen und Polizisten aus 21 Ländern waren an den Aktionen beteiligt. "Die Operation zeigt, wie dringend nötig eine internationale Kooperation der Strafverfolger in diesem Bereich ist", erklärt Isaac Oginni, Chef von Interpols Zentrum für Finanzkriminalität und Korruptionsbekämpfung.

Razzia gegen Black Axe im April 2024: Das Landeskriminalamt Bayern zeigt, was es bei mutmaßlichen Mitgliedern sichergestellt hatBild: Britta Schultejans/dpa/picture alliance

Ein Bereich sticht bei den kriminellen Aktivitäten der Black Axe in jüngster Zeit deutlich hervor: Finanz- und Internetbetrug. Tobias Uche gehört zu den Personen, die schon seit Jahren vor der weltweiten Ausbreitung der Gruppe warnen. Der Privatermittler stieß bei seinen Recherchen auf Chatforen, in denen sich Kriminelle über die Opfer ihres Onlinebetrugs lustig machten. Oft waren es Frauen, denen sie Liebesbeziehungen vorspielten und die ihnen größere Geldbeträge überwiesen.

Je tiefer Uche in die dahinterliegenden Strukturen vordrang, desto mehr öffnete sich ihm eine erschreckende Schattenwelt. "Dieser Geheimbund ist eine Art LinkedIn für Kriminelle. Die Mitglieder wissen genau, wo sie Person X finden, die gefälschte Ausweisdokumente bereitstellt, oder Person Y, die geklaute Kreditkarten im Angebot hat", so Uche. Genau diese eher losen Netzwerkstrukturen und das Fehlen einer klassischen Hierarchie mache die Black Axe so erfolgreich. Nachdem der Privatermittler erste Erkenntnisse veröffentlichte, bekam er etliche Todesdrohungen. Daher wählte er Tobias Uche als Tarnnamen.

Geheimbund, Sekte oder Organisierte Kriminalität?

Die Black Axe ist jedoch nicht die einzige kriminelle Gruppierung aus Nigeria, die sich seit Jahren weltweit ausbreitet. Experte Stephan Fuchs nennt Namen: "Die Supreme Eiye Confraternity, Supreme Vikings Confraternity, Green Circuit Association International, Eternal Fraternal Order of the Legion Consortium - das sind die wohl bekanntesten in Europa." Schon bei der Beschreibung der Gruppierungen sind sich die Strafverfolger allerdings oft uneins. Während manche von nigerianischen Geheimbünden oder einfach von kriminellen Netzwerken sprechen, bevorzugen andere Beschreibungen wie Bruderschaft (Confraternity) oder Sekte (Cult). "Alle Aussagen treffen zu", meint Stephan Fuchs.

Gefangene der nigerianischen Mafia

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Das macht die strafrechtliche Verfolgung besonders schwierig: Längst nicht alle Mitglieder, die sich einer dieser Gruppierungen zurechnen, sind in kriminelle Machenschaften verstrickt. Denn die Ursprünge vieler Geheimbünde gehen bis in die Zeit der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen der 1950er und 1960er Jahre zurück, als sich im Untergrund junge Aktivisten gegen die Kolonialherrschaft in Studentenverbindungen zusammenschlossen. Doch im politischen Chaos Nigerias haben Kriminelle die Gruppierungen unterwandert. Gleichzeitig haben sie immer mehr junge, gewaltbereite Männer von der Straße rekrutiert.

Aussteiger in Lebensgefahr

Auch der Nigerianer John Omoruan war viele Jahre Mitglied der Black Axe. Der Aussteiger hat sich trotz aller Gefahren entschieden, öffentlich über das Innenleben der Geheimbünde zu sprechen. Für ihn begann das Abdriften der Gruppe in die Organisierte Kriminalität Ende der 1980er Jahre. "Das war, als sie den Schmuggel von Marihuana nach Europa für sich entdeckten", so Omoruan. Kriminelle infiltrierten die Black Axe, weil sie optimale Strukturen für ihre Geschäfte vorfanden: Furchteinflößende Rituale impfen allen neuen Mitgliedern bedingungslose Loyalität und absolute Geheimhaltung ein. Die Gruppierungen seien danach immer skrupelloser geworden und hätten sich in Migranten-Communities auf der ganzen Welt verbreitet - gleichzeitig aber habe sich an ihrem ursprünglichen Prinzip und Zusammenhalt kaum etwas verändert.

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Für den Opferschutzexperten Fuchs belegt die jüngste Aktion von Interpol, dass Strafverfolgerinnen und Strafverfolger die Strukturen und Vorgehensweisen der Black Axe inzwischen besser durchschauten. Trotzdem warnt er davor, sich auf den Erfolgen auszuruhen. Bei der Bekämpfung müssten die kriminellen Gruppierungen aus Nigeria als das gesehen werden, was sie seien: eine gefährliche Mafia.

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