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Nigerias Demokratie in Gefahr

Katrin Gänsler10. Juni 2014

Ein Militär, das Zeitungen am Erscheinen hindert, und massive Kritik am neuen Emir von Kano: Gerade in der Zivilgesellschaft macht sich das Gefühl breit, dass in Nigeria die Demokratie unterwandert wird.

Nigeria Zeitungskiosk Foto: PIUS UTOMI EKPEI/AFP/Getty Images
Bild: Pius Utomi Ekpei/AFP/Getty Images

Sie stehen überall, wo sich der nächste Stau anbahnt: die unzähligen jungen Zeitungsverkäufer, die jeden Tag die unterschiedlichsten Blätter an die Kunden bringen wollen. Doch gerade die Presse hat es derzeit nicht einfach in Nigeria. In den vergangenen Tagen hat das nigerianische Militär mehrfach die Ausgaben großer Tageszeitungen wie "Leadership" und "The Punch" beschlagnahmt. Garba Mohammed, Präsident der Nigerianischen Journalisten-Union, ist besorgt: "Das ist eine große Gefahr für die Demokratie und auch für den Journalismus in Nigeria. Es macht Medien und Journalisten Angst."

Noch am Freitag (06.06.2014) hatte ein Sprecher der Armee erklärt, das Vorgehen habe nichts mit den Inhalten der betroffenen Zeitungen zu tun, sondern sei eine Sicherheitsmaßnahme gewesen. Es sollte verhindert werden, dass sicherheitsrelevantes Material veröffentlicht wird.

"Entwicklungen sind entmutigend"

Es ist eine Vorgehensweise, die in Nigeria für Unruhe sorgt. Nigerianische Medien gelten oft als direkt. Gerade seit der Entführung der knapp 300 Schülerinnen, die sich seit Mitte April in den Händen der Terrorgruppe Boko Haram befinden, haben sie die Regierung oft deutlich kritisiert. Die aktuellen Entwicklungen seien entmutigend, sagt Muhammad Mustapha Yahaya, Leiter der nichtstaatlichen Organisation "Democratic Action Group" (DAG) in der nordnigerianischen Großstadt Kano: "Ich erwarte, dass der Präsident dieses Verhalten verurteilen wird."

Lässt die Muskeln spielen: Nigerias MilitärBild: picture-alliance/dpa

Danach sieht es momentan aber nicht aus. Regierungsvertreter und Politiker in der Hauptstadt Abuja hüllen sich in Schweigen, das Vorgehen des Militärs wird nicht gegenüber der Presse nicht kommentiert. "Es wird zu stark. Gut für unsere Demokratie ist das nicht", befürchtet auch Yahaya.

Jonathans Kontrahent als Emir von Kano

Präsident Goodluck Jonathan hat indes selbst offenbar ein ganz anderes Problem: Am Sonntag (08.06.2014) wurde Sanusi Lamido Sanusi zum Emir von Kano ernannt. Damit ist er nach dem Sultan von Sokoto der zweithöchste Vertreter der nigerianischen Muslime und die wichtigste traditionelle Autorität in Kano. Das Brisante an der Personalie Sanusi: Jonathan hatte ihn im Februar von seinem bisherigen Posten als Zentralbankchef abgesetzt. Sanusi hatte zuvor kritisiert, dass 20 Milliarden Dollar aus den Öleinnahmen des Landes verschwunden seien. Gouverneur des Bundesstaates Kano ist mit Rabiu Musa Kwankwaso ausgerechnet jemand, der sich im vergangenen Jahr von Jonathan abgewandt und dem oppositionellen All People's Congress (APC) angeschlossen hat. Er hat Sanusi aus den drei vom Kronrat vorgeschlagenen Kandidaten zum Nachfolger des am Freitag nach 51 Regierungsjahren verstorbenen Ado Bayero bestimmt - so wie es in Nigeria vorgesehen ist. Für Jonathan dürfte das ein großer Affront sein. DAG-Vertreter Yahaya betont, dass Sanusi in Kano als beliebter Nachfolger des verstorbenen Emirs galt. Sanusi und Jonathan benötigten nun eine gute Arbeitsbeziehung: "Alte Probleme sollten vergeben und vergessen werden."

Vom Einzug in seinen Palast gehindert: Kanos neuer Emir Sanusi Lamido SanusiBild: Amino Abubakar/AFP/Getty Images

Danach sieht es aber nicht aus: Auch den ganzen Dienstag (10.06.2014) über haben die von der Bundesregierung geführten Sicherheitskräfte den Emirspalast in Kano abgeriegelt, um Sanusi am offiziellen Einzug in seinen Amtssitz zu hindern. Dies empfindet eine große Mehrheit der Bevölkerung dort als Affront gegen ihre Traditionen. Mittlerweile hat die in Abuja regierende People's Democratic Party (PDP) Sanusi zwar gratuliert, ihn aber auch dazu aufgefordert, sein Amt unabhängig von politischen Interessen auszuüben.

Konflikt zwischen den Religionen droht sich zu verschärfen

Ignatius Kaigama, Erzbischof von Jos und Vorsitzender der Katholischen Bischofskonferenz, wirkt indes eher unaufgeregt über die Wahl von Sanusi zum zweithöchsten Vertreter der nigerianischen Muslime. Er geht davon aus, dass der interreligiöse Dialog auch mit Sanusi möglich ist: "Der neue Emir ist eine sehr aufgeklärte Person. Ihm ist auch klar, wie wichtig friedliches Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen ist."

Beobachter fürchten allerdings, dass das massive Eingreifen der vom Christen Jonathan geführten Regierung nach der Ernennung des Emirs in der muslimischen Metropole Kano das Misstrauen zwischen Christen und Muslimen eher verschärft. Trotzdem scheinen Militär und Regierung entschlossen zu sein, gemeinsam weiter gegen ihre Kritiker in Opposition und Medien vorzugehen.