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Politik

Nigerias Rückkehrer: Ohne Geld und Perspektive

Katrin Gänsler
2. Februar 2018

Schreckliche Bedingungen in Libyen treiben viele afrikanische Migranten zurück in die Heimat. Dort geht es ihnen oft nicht besser als vor der Flucht. Katrin Gänsler hat Nigerianerinnen getroffen, die zurückgekehrt sind.

Nigeria, Wut und Verzweiflung unter Nigerias Rückkehrern aus Libyen in Benin City
Die Rückkehrerinnen Rosemary (links) und Jennifer haben weder Arbeit noch eine feste UnterkunftBild: DW/K. Gänsler

Loveth Ekumabor wippt auf ihrem Stuhl fast unmerklich hin und her. Die junge Frau ist im achten Monat schwanger. Sie kommt aus Benin City, Provinzhauptstadt des Bundesstaates Edo und eine Art Hochburg der Migration aus Nigeria. Loveth hat die Arme über ihrem Bauch verschränkt. Das Baby bewegt sich, und die 21-Jährige atmet tief durch. Auf die Frage nach dem Vater antwortet sie knapp und eindeutig: "Mein Kind hat keinen Vater." Die Sonne scheint auf ihren Rücken, als sie ihre Geschichte erzählt. Sie sitzt im Gemeinschaftsraum des "Willkommenshauses", des Komitees für die Würde der Frauen. Es ist ein Projekt katholischer Ordensschwestern, die jungen Frauen ohne Familie ein sicheres Zuhause auf Zeit bieten.

Schwanger wurde Loveth in Libyen. Es ist eine Migrationsgeschichte wie zehntausende andere auch: Loveth hoffte, über Nordafrika nach Europa zu gelangen. Dort wollte sie einen Job finden, Geld verdienen und es zurück nach Nigeria schicken. Das war der Plan, als sie 2016 aufbrach. "Doch die Situation war nicht gut, und ich entschied zurück zu gehen. Am 1. Dezember kam ich an." Was sie genau in Libyen erlebt hat, will Loveth nicht erzählen.

Rückkehr von nigerianischen Migranten aus Libyen im DezemberBild: Getty Images/AFP/P. U. Ekpei

Tausende Nigerianer warten weiter in Libyen

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) habe ihr geholfen, sagt Loveth. Die Organisation hat aktuell 36.000 Nigerianer in Lybien registriert. In den dortigen Auffanglagern für Flüchtlinge herrschen häufig katastrophale Zustände. Seit Januar 2017 hat die IOM mehr als 7300 Nigerianer aus dem nordafrikanischen Krisenstaat zurückgeflogen - nach Lagos, Port Harcourt und Benin City. Besonders viel hat die IOM seit Mitte November zu tun. Damals sorgte eine Reportage des US-Fernsehsenders CNN über einen Sklavenmarkt am Rande von Libyens Hauptstadt Tripolis weltweit für Entsetzen. Flüchtlinge sollen dort zum Kauf angeboten worden sein.

Die nigerianische Regierung kündigte nach dem Erscheinen des Videos an, die Gestrandeten so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat zu bringen. Doch laut Frantz Celestin, stellvertretender IOM-Leiter in Nigeria, wird das Monate dauern. Wer zurückkehren will, müsse zuerst registriert und untersucht werden, was viel Organisation erfordere. Und es fehle vor allem an Flugzeugen. "Man kann nicht mal genügend chartern. Die libyschen Behörden bestimmen, welche Flugzeuge landen dürfen. Und meistens wollen sie Unternehmen mit Sitz in Libyen", sagt Celestin.

Rosemary, Mutter von vier Kindern, hat es bereits im November zurück geschafft. Die anfängliche Erleichterung, den menschenverachtenden Bedingungen entkommen zu sein, ist längst in Wut umgeschlagen. Die Alleinerziehende ist jetzt in derselben Situation, in der sie vor einem Jahr war - vor ihrer Flucht: "Als wir hierher zurückkamen, haben wir 40.000 Naira (umgerechnet 90 Euro) bekommen. Damit kann man doch nichts anfangen!", ärgert sie sich. Von dem Geld von IOM habe sie Essen für ihre Kinder gekauft. 

Kein Geld für Miete und Nahrungsmittel

Mrs. Pat ist froh, dass ihre Tochter gesund zurückkamBild: DW/K. Gänsler

Rosemary, die ihren vollen Namen nicht nennen will, ist seitdem ständig auf der Suche nach Unterstützung. Der Vater ihrer vier Kinder lebt nicht mehr.

Als sie in Libyen war, kümmerte sich ihre Mutter um die drei Mädchen im Alter von fünf bis neun Jahren und den zweijähriger Jungen. "Ich war so froh, dass sie heil zurück gekommen ist", sagt Rosemarys Mutter, die von ihrer Tochter nur Mrs. Pat genannt wird.

So eine Reaktion ist eine Ausnahme. Viele Familien verschulden sich, um ihren Angehörigen die Flucht Richtung Europa zu ermöglichen. Und wenn es den Rückkehrern schon nicht gelingt, Geld aus Europa zu schicken, dann sollen sie zumindest ihre Schulden begleichen. Mrs. Pat wusste stattdessen nicht einmal vom Entschluss ihrer Tochter, über Libyen nach Europa auszuwandern. "Sie hat es mir nicht gesagt, und ich konnte sie lange nicht erreichen."

Rosemary hat kein Geld, um Essen für die Kinder zu kaufen, ihre Mutter zu unterstützen oder ein Zimmer zu mieten. Zwischen neun und zwölf Euro kostet das monatlich in den ärmlichen Stadtteilen von Benin City. Sie kommt nachts mal bei Freunden, mal bei Bekannten unter.Zahlreichen Rückkehrern geht es ähnlich, berichtet Ordensschwester Anthonia Iyade. Sie kümmert sich im "Willkommenshaus" um die jungen Frauen. "Sie wollen etwas tun. Wir sagen ihnen, dass die Regierung Pläne hat. Sie müssen aber geduldig sein."

Ordensschwester Anthonia IyadeBild: DW/K. Gänsler

Regierung in die Verantwortung nehmen

Tatsächlich gibt es verschiedene Programme, auch von IOM. "Wir bieten unter anderem Kurse in Business Management oder Bewerbungsschreiben an, damit die Rückkehrer interessant für den Arbeitsmarkt werden", sagt Frantz Celestin. Trotzdem schätzt er, dass sich 40 Prozent der Rückkehrer wieder auf den Weg in Richtung Norden machen, wenn sie in Nigeria wieder keine dauerhafte Perspektive haben.

Dabei würde die werdende Mutter Loveth gerne bleiben: "Wenn mein Baby auf der Welt ist, dann möchte ich gerne wieder zur Schule gehen. Wenn ich die Schule abgeschlossen habe, möchte ich eine Arbeit finden", lautet ihr Plan. Eine Zusage für einen Schulplatz hat sie aber nicht. Rosemary schreit indes fast, als sie nach ihrer Zukunft gefragt wird. Auch sie will arbeiten und Geld verdienen. Vor allem wünscht sie sich aber politisches Engagement: "In Europa tun die Regierungen etwas für ihre Bürger. Ich will, dass das auch in Nigeria so ist!"

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