Nigerias Schiiten begehren auf
25. Juli 2019Die Lage in der nigerianischen Hauptstadt Abuja bleibt angespannt, nachdem die Polizei eine Demonstration der Islamischen Bewegung in Nigeria (IMN) gewaltsam niedergeschlagen hatte. Mindestens sechs Demonstranten, ein Polizist und ein Journalist sind beim Marsch der IMN am Montag getötet worden, und die Konfrontation setzte sich am nächsten Tag fort. Die Polizei schoss mit scharfer Munition und Tränengaspatronen, Demonstranten warfen Benzinbomben.
Die schiitische Gruppe zeigt sich entschlossen, die Märsche fortzusetzen, bis ihr geistlicher Führer Ibrahim Zakzaky aus dem Gefängnis entlassen wird. Zakzaky war im Dezember 2015 von den sunnitischen Behörden Nigerias unter anderem wegen Terrorismusvorwürfen festgenommen worden. Zuvor hatten Sicherheitskräfte in der nordnigerianischen Stadt Zaria bei Auseinandersetzungen Hunderte Schiiten ermordet.
Die DW sprach mit einer jungen Schiitin, die angab, auf dem Weg zum Arzt zu sein, nachdem sie von Tränengas getroffen wurde. Sie werde aber direkt nach der Behandlung zur Demonstration zurückkehren, sagte Zainab Lawal Abdulkadir: "Ich hoffe, in diesem Kampf zu sterben, ich will, dass eine Kugel in meinen Körper eindringt, wie das gestern meinen Brüdern und Schwestern widerfahren ist."
Verhärtete Fronten
Polizeisprecher Frank Mba kritisierte in einem Fernsehinterview das Vorgehen der Demonstranten. "Sie haben unschuldige Bürger und Polizisten wahllos und gewaltsam angegriffen und dann eine Zerstörungsserie an öffentlichem und privatem Eigentum begonnen", sagte er einem nigerianischen Sender. Dabei hätten sie "tödliche Waffen" benutzt. Zakzakys Anhänger hielten dagegen. Die Schiiten seien trotz wiederholten Angriffen von der Regierungsseite in ihrer 40-jährigen Geschichte stets friedlich geblieben, schrieb Twitter-Nutzerin Mustyy. "Wir werden nie zu einem zweiten Boko Haram werden." Aber das Leben von Zakzaky anzutasten, sei ein "No-Go".
Sowohl die Regierung als auch die Demonstranten müssten sich nach den Regeln der Rechtsstaatlichkeit verhalten, betont Mukhtar El-Khasim, ein Analyst in Nordnigeria. Nicht nur die IMN handle rechtswidrig, sagte er der DW. "Die nigerianische Regierung hat sich geweigert, die Richtlinien der Verfassung oder das Urteil eines Gerichts zu befolgen". Tatsächlich hatte ein Bundesgericht bereits 2016 die Freilassung von Zakzaky angeordnet, weil die Ermittlungen gegen ihn unrechtmäßig seien.
Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist es eine häufig benutzte Strategie der nigerianischen Behörden, bei Protesten der IMN das Militär zu entsenden. Die IMN ist die bekannteste Schiitengruppe in Nigeria. Die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung zählt sich zu den Sunniten.
Erklärtes Ziel: Freie Religionsausübung
Ibrahim Zakzaky gründete die IMN in den späten 1970er Jahren zunächst als Studentenbewegung, die von der islamischen Revolution im Iran inspiriert war. Zakzaky überzeugte Mitstudenten, dass eine islamische Revolution auch in Nigeria möglich sei. Das erste Mal trat die Gruppe im Jahr 1980 öffentlich in Erscheinung, als sie eine Demonstration zur Unterstützung des Iran organisierte. Zuvor hatten die USA und Kanada eine gemeinsame Operation zur Rettung von US-Diplomaten durchgeführt, die in Teheran gefangen waren.
In den letzten Jahren griffen die nigerianischen Sicherheitskräfte immer wieder Anhänger der Islamischen Bewegung an, die an Protesten oder religiösen Prozessionen teilnahmen. Die Regierung hat die mehrere Millionen Mitglieder starke Organisation beschuldigt, zu Gewalt aufzurufen und den Staat zu untergraben. Neben ihrem Einsatz für die Freilassung Zakzakys beteuert die schiitische Gruppe, lediglich ihr Recht auf freie Religionsausübung geltend zu machen.
Der pensionierte Armeemajor und Sicherheitsexperte Bashir Shuaibu sagte der DW, Zakzaky müsse gegen Kaution freigelassen werden, um die Situation zu entschärfen. Der Religionsführer könne dann mit seinen Unterstützern sprechen.
Fatima Musa ist eine von ihnen - und für sie gibt es kein Zurück: "Ich werde Abuja nicht ohne meinen spirituellen Führer verlassen", sagt sie der DW. "Ich habe mein ganzes Leben geopfert, um Ibrahim Zakzaky zu befreien." Es sieht nicht danach aus, als würden die Demonstranten bald aufgeben.