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Politik

"Wir haben unsere eigenen Gründe"

Julien Méchaussie fm
17. August 2018

Nigers Präsident, gerade erst zu Besuch bei Angela Merkel, gilt als wichtiger Partner im Kampf gegen illegale Migration. Doch nicht Druck aus Europa stecke hinter dem starken Engagement, sagt Mahamadou Issoufou der DW.

Deutschland - Issoufou Mahamadou, Staatspräsident Niger im DW-Interview in Berlin
Bild: DW/N. Haase

DW: Ihr Land, Niger, spielt eine große Rolle im Bereich der Sicherheit: Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel haben Sie über den Kampf gegen den Terrorismus in der Sahel-Region und gegen die Terrorgruppe Boko Haram gesprochen. Fühlen Sie sich von Ihren europäischen Partnern, vor allem von Deutschland, ausreichend unterstützt?

Mahamadou Issoufou: Wir sind im Sahel mit einer ganzen Reihe an Bedrohungen durch Terroristen und kriminelle Organisationen konfrontiert, die uns Sorgen bereiten. Und in der Tschadsee-Region haben wir dasselbe Problem. Um gegen diese Bedrohungen anzugehen, haben sich die Staaten rund um den Tschad-See (Kamerun, Nigeria, Niger und Tschad, Anm. d. Red.) und der Sahel-Region zusammengeschlossen um gemeinsam gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität zu kämpfen. Im Sahel gilt es vor allem, den Terrorismus in Nord-Mali zu bekämpfen. Dafür haben wir die gemeinsame Eingreiftruppe der G5-Sahel-Staaten aufgebaut.

Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt Mahamadou Issoufou auf Schless Meseberg Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Natürlich brauchen wir internationale Unterstützung, über die Sahel-Zone und die Tschadsee-Region hinaus, von Organisationen wie den Vereinten Nationen. Deswegen habe mir erhofft, mit Hilfe der Bundeskanzlerin eine größere und dauerhafte Unterstützung der G5-Sahel-Eingreiftruppe auf Ebene der Europäischen Union zu erreichen. Wir haben bislang Zusagen zur Finanzierung, die die Kosten des ersten Einsatzjahres decken. Aber man kann sich ja vorstellen, dass der Kampf gegen den Terrorismus länger als ein Jahr dauert. Daher brauchen wir eine dauerhafte Finanzierung.

In einem anderen Bereich, in dem Niger eine Schlüsselrolle spielt, fordern Europa und Deutschland viel von Ihnen: Es geht um die illegale Migration. Niger ist das einzige Land, das einem Flüchtlingszentrum auf seinem Gebiet zugestimmt hat. Verlangen Deutschland und seine Partner in diesem Bereich zu viel?

Nein. Unsere Haltung ist klar: Wir tun das, was wir tun, nicht, weil andere es von uns verlangen. Wir tun es, weil wir es für unsere Pflicht halten. Aus zwei Gründen setzten wir uns so stark gegen illegale Migration ein. Zunächst aus moralischer Sicht: Als afrikanischer Verantwortlicher kann ich nicht akzeptieren, dass junge Afrikaner in der Wüste und im Mittelmeer sterben. Zweitens aus Sicherheitsgründen: Die Schlepper, die Migranten nach Libyen bringen, kommen mit Waffen nach Niger zurück. Das bringt Sicherheits-Risiken mit sich.

Wir haben den Strom an Migranten um 90 Prozent reduziert. 2016 kamen mehr als 100.000 Migranten durch Niger, heute sind es weniger als 10.000 im Jahr. Wir kämpfen nicht gegen illegale Migration, weil die Europäer oder die Deutschen das verlangen. Wir haben unsere eigenen Gründe.

Flüchtlinge in der Sahara. Über Agadez in Niger versuchen viele, nach Libyen zu gelangenBild: picture-alliance/AP Photo/J. Delay

Ihr Land erhält über mehrere Jahre finanzielle Unterstützung aus Europa in Höhe von einer Milliarde Euro. Auch die USA unterstützen Sie im Rahmen ihres Programmes "Compact Niger". Mehr als 400 Millionen Euro haben sie dafür auf den Tisch gelegt - und gleichzeitig Bedingungen gestellt. Vor allem was den Umgang mit der Opposition betrifft, der - so hieß es aus dem amerikanischen Kongress - "Maulkörbe angelegt werden". Welche Fortschritte muss Niger im Bereich des politischen Pluralismus noch machen?

In Niger gibt es keine Maulkörbe für die Opposition. Niger ist ein demokratisches Land, genauso demokratisch wie die USA. Niger ist ein Rechtsstaat, der das Recht auf freie Meinungsäußerung, Demonstration und Versammlungsfreiheit garantiert. Wir sind gerade dabei, ein Programm umzusetzen, das wir "Programm zum Wiedererwachen" nennen. Einer der Hauptpunkte darin ist die Einrichtung von starken und stabilen demokratischen Institutionen. Afrika wurde eine Zeitlang von Diktaturen bestimmt. Was Afrika heute bedroht, ist Anarchie. Wir brauchen weder das eine, noch das andere. Wir brauchen Regierungen, die gleichzeitig für Ordnung und für Freiheiten sorgen. Wir brauchen Demokratie. Und daran arbeiten wir in Niger gerade. 

Ein weiterer Indikator dafür: Ich habe als Präsident das Recht auf zwei Amtszeiten. Meine erste Amtszeit endete 2016, bei den Wahlen danach habe ich noch einmal gewonnen. Bei den nächsten Wahlen 2021 werde ich mich nicht noch einmal aufstellen lassen. So verhält sich kein Diktator. Wir sind überzeugt: Demokratie, Sicherheit und Entwicklung gehen nur zusammen. Und darum konzentrieren wir uns auf diese drei Bereiche.

Mahamadou Issoufou ist seit 2011 Präsident des Niger und gehört der größten nigrischen Volksgruppe der Haussa an.

Das Interview führte Julien Méchaussie.

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