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Musik

Beethovenfest: Nike Wagner zieht Bilanz

Philip Kretschmer
18. August 2021

Die scheidende Chefin des Beethovenfestes spricht über ihre siebenjährige Intendanz und die Aktualität Beethovens angesichts der Tragödien der heutigen Welt.

Porträt von Nike Wagner
Beethovenfest-Intendantin Nike WagnerBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Seit 2014 leitet Nike Wagner das Beethovenfest Bonn. Mit dem Festival 2021 geht ihre Intendanz zu Ende. Die DW sprach mit Nike Wagner über ihre Zeit in Bonn, die Zukunft des Festivals - und die Aktualität Beethovens.

DW: Frau Wagner, jedem von uns stehen gerade die schrecklichen Bilder aus Afghanistan vor Augen. Was hat Beethoven in einer heutigen Welt noch zu sagen?

Nike Wagner: Diese Frage ist leicht zu beantworten: Es geht wieder um Diktaturen, um Unterdrückung, um reaktionäre "Rückspulung" der zivilisatorischen Errungenschaften. Beethoven steht für die Idee der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Sein Werk kann man nicht anders verstehen als einen Appell an die Menschheit und Menschlichkeit.

Zurück nach Bonn: Sie haben sieben Jahre lang das Beethovenfest geleitet. Mit dem Eröffnungskonzert am 20. August fängt Ihre letzte Spielzeit an. Wie fühlt sich das an?

Gerade mal richtig! Die Zahl Sieben ist ja eine biblische, eine magische Zahl, und ich glaube, dass wir in sieben Jahren viel verändern konnten. Wir haben an einem neuen Beethoven-Bild gearbeitet, und im Lauf dieser Jahre dürfte das auch deutlich geworden sein.

Nike Wagner öffnete das Beethovenfest für den modernen Tanz: hier "Trois grandes Fugues" mit dem Ballet de l'Opera de LyonBild: Opera de Lyon/Bertrand Stofleth

Was ist das für ein neues Beethoven-Bild?

Beethoven gehört fest zu unserer Musikkultur. Wir müssen aber aufpassen, dass wir ihm nicht unrecht tun, indem wir Beethoven-Routine zulassen, indem wir ihn abfeiern. Es geht immer darum, Beethoven für unsere Gegenwart zu gewinnen. Wie verhalten sich die Komponisten heute zu Beethoven? Sagt er ihnen noch etwas? Wie gehen bildende Künstler mit Beethoven um? Ist seine Musik geeignet für die performative Szene, zum Weiterdenken und Weiterformen? Da ist in "meinem" Beethovenfest viel geschehen.

Nike Wagner im Gespräch mit der DW-Redakteurin Anastassia Boutsko, 2019Bild: DW/B.Frohmann

2020 sollte das 250. Beethoven-Jubiläumsjahr mit einem ganz besonderen Beethovenfest gefeiert werden. Dann machte die Corona-Pandemie allen einen Strich durch die Rechnung. Wie war und wie ist das für Sie?

Es ist eine Tragödie. Ich habe noch nie so viele Anstrengungen organisatorischer, finanzieller und auch ideeller Art erlebt, wie die Vorbereitungen für das Jubiläumsjahr 2020 - von Seiten des Bundes, des Landes, des Landkreises und der Stadt. Für Bonn galt: Jetzt oder nie werden wir Beethovenstadt … Und dann mussten alle alles absagen. Die Stilllegung war schrecklich. 

Der einzige Trost: Wenigstens ein Teil des Programms konnte ins Jahr 2021 "gerettet" werden und findet nun statt. Was ist zum diesjährigen Motto und zu den Höhepunkten des Programms zu sagen?

Bereits für die Herbstsaison 2020 hatte ich das Motto "Auferstehn, ja auferstehn!"; es ist nun für 2021 geblieben. Im Zusammenhang mit Corona hat es nun einen etwas unheimlichen Beigeschmack bekommen. Auf der anderen Seite drückt dieses Motto sehr viel Zuversicht und Hoffnung aus. Gewonnen habe ich es aus der Zweiten Symphonie von Gustav Mahler, der sogenannten "Auferstehungssymphonie"…

Jordi Savall, Patriarch des "Originalklangs", spielt das EröffnungskonzertBild: SF/Marco Borrelli

… die, gespielt vom Mahler Chamber Orchestra unter Maxime Pascal, zusammen mit Beethovens Neunter zur Eröffnung des Festivals (in der Interpretation von Le Concert des Nations, dem berühmten Orchester unter der Leitung von Jordi Savall) den Rahmen des Programms bildet. Was sind weitere Höhepunkte?

Mit den beiden Vokalsymphonien haben wir gleichsam zwei gewaltige Säulen gebaut, für den Anfang und das Ende unserer Saison. Außerdem erklingen in diesem Jahr "alle Neune" - der ganze Zyklus der Beethoven-Sinfonien, gespielt von verschiedenen Orchestern. Dreimal im "Originalklang", zweimal von modernen, also wesentlich größeren Orchestern. Auf diese Weise hört man verschiedene Interpretationsansätze, verschiedene Klangbilder - beide sind spannend und legitim. 

Mischt das Beethovenfest 2021 auf: der italienische Star-Regisseur Romeo CastellucciBild: picture-alliance/dpa

Und damit nicht genug: Zusätzlich werden alle Sinfonien in den Klavier-Transkriptionen von Franz Liszt erklingen. Die hört man selten, sie sind auch nur von ganz außerordentlichen Virtuosen zu meistern. Es ist uns auch gelungen, endlich einmal die Wiener Philharmoniker nach Bonn zu bringen, mit dem Dirigenten Herbert Blomstedt. 2020 war das nicht möglich - und 2021 waren sie plötzlich frei, in gewisser Weise ein "Corona-Geschenk". Und wir haben Romeo Castellucci gewinnen können für eine "Prometheus"-Installation.

Damit sind nur einige Höhepunkte des Programms erwähnt. Was soll von Ihrer Intendanz bleiben?

Das Gefühl für Öffnung, für einen frischen Wind, für Zusammenhänge. Und - ja, eine Lust auf Beschäftigung mit der Gegenwart, mit der lebendigen Kultur. Denn nur aus dieser Perspektive ist auch das außerordentlich kreative Genie Beethovens zu verstehen.

Wissen Sie schon, was Sie kommendes Jahr im Spätsommer machen werden?

Ich werde nach Bonn pilgern, um zu schauen, mit welchen Farben und Formen das nächste Beethovenfest aufwartet. Ich hoffe auf ein ganz anderes Festival, denn die Festivals leben von der Bewegung, und darauf freue ich mich.

Das Interview führten Anastassia Boutsko und Philip Kretschmer.

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