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Last-Minute-Bewerbung

Aya Bach27. August 2008

Wer wird Nachfolger Wolfgang Wagners als Chef der Bayreuther Festspiele? Eine überraschende Bewerbung seiner Nichte Nike Wagner, die offene Kritik an der Festspielleitung übt, hat für neue Bewegung gesorgt.

Nike Wagner, Quelle: dpa
Nike WagnerBild: Christin Losta
Gérard MortierBild: AP

Es ist ein Überraschungs-Coup und zugleich ein strategisch geschickter Schachzug, den Nike Wagner mit ihrer Last-Minute-Bewerbung in Bayreuth platziert hat. Sie tritt gemeinsam mit Gérard Mortier an, dem wohl profiliertesten Intendanten Europas, wenn nicht der Welt, um mit ihm im Führungs-Duo ihren Onkel Wolfgang Wagner zu beerben. "Bayreuth gehört ja sozusagen zu meinem alten Erbe, zu meinem alten Engagement", erklärte sie. "Jetzt ist die Chance, die Sache wirklich noch einmal zu ändern, und ich bemühe mich darum, da einen Konsens für eine andere Lösung noch herbeizuführen.“

Jahrelanges Familiendrama

Dass es ihr damit ernst ist, daran zweifelt niemand. So heiß umkämpft wie die Leitung der Bayreuther Festspiele war noch kein Posten in der deutschen Kulturlandschaft. Seit Jahren tobte das Familiendrama um die Nachfolge des greisen Wolfgang Wagner. Der Enkel Richard Wagners klammerte sich umso verbissener an seinen Posten, je mehr die nachfolgende Generation daran rüttelte. Die Schlacht um den Heiligen Gral war Lieblingsthema der Feuilletonisten, der Streit bewegte die Republik längst mehr als die Bayreuther Produktionen, die mitunter kaum über Mittelmaß hinausgingen.

Wolfgang Wagners Nachfolgerin schien mit Katharina festzustehenBild: AP

Doch in der letzten Zeit war es ruhig geworden; selbst die Journalisten, die mit seismographischer Genauigkeit jede Regung des Familiendramas registriert hatten, schwiegen. Denn längst schien eine Kompromisslösung gefunden, mit der sich alle Seiten mehr oder weniger zähneknirschend abgefunden hatten: Katharina Wagner, die 24-jährige Tochter des Festspielchefs, sollte zusammen mit Halbschwester Eva, einer erfahrenen Opernmanagerin, die Nachfolge des Vaters antreten, der allmählich auf die 90 zugeht.

Katharinas Handschrift

Schon die diesjährigen Festspiele trugen Katharinas Handschrift: Mit Public Viewing und Live-Übertragungen ins Internet. Die Einen begrüßten solche Neuerungen als willkommene Öffnung einer bislang elitären Veranstaltung. Andere sahen darin eine populäre bis kommerzielle Verdrehung von Richard Wagners Kunstverständnis, das viel mit Konzentration und nichts mit Zerstreuung und Unterhaltung zu tun hatte. "Im Kunstwerk werden wir eins sein", hieß einer seiner zentralen Gedanken - nicht nur für viele Wagnerianer ist schwer vorstellbar, dass das online und am Großbildschirm mit Coladosen und Popcorn gelingen könnte.

Richard-Wagner-Büste des Bildhauers Arno Breker in der Nähe des FestspielhausesBild: AP

Dass Nike Wagner nun Gérard Mortier ins Rennen bringt, könnte die Karten, die schon klar verteilt schienen, tatsächlich noch einmal neu mischen. Denn Mortier ist ein ausgewiesener Reformer ohne jeden Geruch populistischer Anbiederung. Er hat die Salzburger Festspiele runderneuert zu einem Zeitpunkt, als sie längst zu Karajan-Kommerz-Festspielen degeneriert waren. Ihm ist es gelungen, aus einem eher mittelmäßigen Opernhaus wie Brüssel einen aufregenden Ort der künstlerischen Auseinandersetzung zu machen. Und im Ruhrgebiet hat er mit innovativen Spielorten und zeitgenössischen Opern Aufsehen erregt.

Kluge Konzepte

An seiner Bewerbung kann der Bayreuther Stiftungsrat nicht vorbei. Und Nike Wagner selbst, die seit langem mit scharfer Polemik gegen den Bayreuther Familien-Mief zu Felde zieht, hat sich beim Kunstfest Weimar als Kulturmanagerin mit klugen Konzepten profiliert. "Ich glaube, dass ein Geist von außen auch dem innerwagnerischen Denken und dem innerwagnerischen Habitus eigentlich sehr gut tun könnte", sagte sie jetzt. "Ich hielte das für sehr gesund für das Bayreuther Unternehmen, wenn womöglich der beste oder erfahrenste Theatermacher hineinkäme - vielleicht in Verbindung mit einem so genannten Abkömmling.“

Nun hat es der Stiftungsrat in der Hand, ob Bayreuth auch in Zukunft weiterhin unter der Käseglocke familiären Stallgeruchs weitergeleitet werden soll - oder ob frischer Wind aus der internationalen Liga einziehen darf. Er trifft am kommenden Montag eine Vorauswahl. Endgültig entscheidet später der Verwaltungsrat. Fürs erste aber hat Nike Wagner wieder einmal gezeigt, dass sie immer für eine Überraschung gut ist. Und die Journalisten haben wieder mehr zu tun als Premierenberichte zu schreiben.

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