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Musik

Nirvana: "Nevermind"-Baby klagt erneut

Stuart Braun
14. Januar 2022

Nachdem Spencer Eldens erste Klage gegen Nirvana wegen sexueller Ausbeutung abgewiesen wurde, zieht er nun abermals vor Gericht.

Albumcover von Nirvanas "Nevermind", auf dem ein nacktes Baby unter Wasser einen Dollarschein ansieht.
Spencer Elden wurde 1991 als Cover-Baby von Nirvanas Album "Nevermind" ungewollt zur IkoneBild: Geffen Records

1991 bat der Fotograf Kirk Weddle einen Freund, sein vier Monate altes Baby zu einem Fotoshooting für die Grunge-Band Nirvana in einem Schwimmbad mitzubringen. Dieses Baby war Spencer Elden. Nackt wurde der Säugling im Wasser eines Pools fotografiert und landete schließlich auf Nirvanas bahnbrechendem "Nevermind"-Album. Das Unterwasserbild wurde zur Ikone des Grunge-Rock.

30 Jahre später, im August 2021, reichte Spencer Elden Klage gegen die Band ein - scheiterte damit aber vorerst. Ein Gericht im Bundesstaat Kalifornien wies seine Klage aus formalen Gründen zurück. Eldens Anwälte hatten es versäumt, fristgerecht auf einen Antrag der Gegenseite zu reagieren. Der Richter gab Eldens Rechtsbeistand Zeit bis zum 13. Januar 2022, das nachzuholen. Dies ist nun geschehen. Elden hat seine Klage erneut eingereicht.

"Lebenslange Schäden"

In der ursprünglichen Klageschrift hieß es: Für das "Nevermind"-Coverbild sei Elden minderjährig "zu kommerziellen sexuellen Handlungen gezwungen" worden. Das Baby-Model wider Willen verklagte daher unter anderem die ehemaligen Bandmitglieder, das Plattenlabel und den Fotografen auf 150.000 Dollar (rund 130.000 Euro) Schadenersatz wegen "lebenslanger Schäden". Diese umfassen "extremes und dauerhaftes seelisches Leid mit körperlichen Auswirkungen", "lebenslangen Verlust von Einkommensmöglichkeiten" sowie "Verlust der Lebensfreude".

Nirvana-Frontmann Kurt Cobain soll auf das unzensierte Nacktfoto bestanden habenBild: Getty Images

Desweiteren hieß es in der Klage, dass es bei der Vermarktung des Albums mittels des nackten Babys um sexuelle Ausbeutung handele. Auch im Video der Single "Come As You Are" war das Foto verwendet worden. 

Dazu wurde in der Klageschrift beanstandet, dass von den 40 bis 50 Fotos, die gemacht wurden, Lead-Sänger Kurt Cobain ein Bild ausgesucht habe, auf dem Elden wie ein "Sexarbeiter" nach einem Dollarschein greife. Zudem hätten weder Spencer, noch seine Erziehungsberechtigten der kommerziellen und massenhaften Verwertung der Fotografie zugestimmt.

Familie erhielt 200 Dollar

In einem Interview mit dem US-amerikanischen Radiosender NPR aus dem Jahr 2008 beschrieb Eldens Vater, wie sein Freund, der Fotograf Kirk Weddle, ihn 1991 anrief und sagte, er könne 200 Dollar verdienen, indem er sein Kind ins Wasser werfe. Die Familie habe keine Ahnung gehabt, wofür das Foto gedacht war, bis sie drei Monate später ein riesiges Bild des "Nevermind"-Covers am Sunset Boulevard entdeckte.

Weiter berichtet NPR, dass Nirvanas Label DGC, eine Tochtergesellschaft von Geffen Records, Spencer Elden eine Platinausgabe von "Nevermind" sowie einen Teddybären geschickt habe. Im selben Bericht findet sich auch ein Zitat Eldens aus Teenagertagen, in dem er auf seinen anhaltenden Ruhm eingeht: "Mein Freund sagt: 'Hey, ich habe dich heute gesehen.' Und ich sage: 'Alter, ich habe den ganzen Tag gearbeitet.' Und er sagt: 'Nein, ich war bei Geffen Records - da schwebst du und ich bin auf dein Gesicht getreten.'" Darauf zeigte sich Elden beeindruckt: "Ich glaube, die haben da so ein schwebendes Ding, wo die Leute auf mir rumlaufen können ... das ist schon irgendwie cool." 

Elden ändert Meinung zu seinem Foto

Als Teenager stellte Elden, der sich den Albumtitel hat tätowieren lassen, das Cover-Motiv mehrmals für diverse "Nevermind"-Jubiläen nach. Zum 25. Jahrestag stieg er dafür 2016 das letzte Mal in den Swimmingpool. In einem Interview mit dem "Time"-Magazine aus dem Jahr 2015 sagte er, dass es "ein großartiges Konzept" gewesen sei: "Ein Baby unter Wasser, das nicht atmen kann und hinter Geld an einem Angelhaken her ist."

Im darauffolgenden Jahr jedoch äußerte sich Spencer Elden zurückhaltender über das weltberühmte Bild: "Es ist ein wirklich seltsames Gefühl, Teil der Dynamik eines Momentum von jemand anderem gewesen zu sein - in diesem Sog von Dingen gefangen zu sein."

Er sei eine Zeit lang verärgert gewesen, fügte er hinzu. "Ich habe versucht, diese Leute zu erreichen. Ich habe weder einen Anruf noch eine E-Mail erhalten. Ich bin einfach aufgewacht und war bereits Teil dieses riesigen Projekts."

"Jeder, der an dem Album beteiligt war, besitzt tonnenweise Geld", so Elden weiter. "Ich wohne im Haus meiner Mutter und fahre einen Honda Civic."

Cover bei Facebook gelöscht

Da die Darstellung von nackten Kindern gegen die Nutzungsbedingungen verstößt, löschte Facebook das "Nevermind"-Cover zum 20-jährigen Band-Jubiläum von der Plattform. Auch das Albumcover "Houses Of The Holy" (1973) von Led Zeppelin wurde 2019 verbannt, das nackte, blonde Kinder in einer surrealen Landschaft zeigt und nicht minder ikonografisch ist. 

"Wir waren bei vielen unserer Model-Shootings nackt. Damals dachte man sich nichts dabei", erinnert sich Samantha Gates, die mit ihrem Bruder Stefan auf dem Foto zu sehen ist. "Heute könnte man damit wahrscheinlich nicht mehr durchkommen", sagte sie 2007 der britischen "Daily Mail".

Facebook hatte das Bild verboten, weil "Inhalte, die Kinder sexuell ausbeuten oder gefährden" laut der Richtlinien nicht zugelassen sind. Doch wenig später hob das soziale Netzwerk das Verbot wieder auf. "Laut unserer Community-Standards erlauben wir keine Nacktbilder von Kindern auf Facebook", sagte ein Sprecher. "Aber wir wissen, dass dies ein kulturell bedeutsames Bild ist. Deshalb stellen wir die entfernten Beiträge wieder her."

Kurt Cobain setzte sich mit provokanter Forderung durch

Ob Spencer Eldens Klage den Blick auf das "Nevermind"-Cover verändern wird, bleibt abzuwarten. Die Plattenfirma DGC wollte die Genitalien des Säuglings jedenfalls von Anfang an verdecken. Kurt Cobain wollte angeblich nur einwilligen, wenn sie mit einem Aufkleber abgedeckt worden wären, auf dem steht: "Wenn Sie sich daran stören, müssen Sie insgeheim pädophil sein." Beibehalten wurde schließlich das Original. 

Dieser Artikel ist eine aktualisierte Fassung eines Beitrags vom 25.08.2021.

Adaption aus dem Englischen: Bettina Baumann 

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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