"No Gartenzwergen"
2. September 20098 Uhr morgens in Shanghai. Im Büro des Foto- und Marketingdienstleisters Rimagine geht es um die letzten Absprachen eines Außen-Shootings. Kamera-Koffer, Scheinwerfer, Stative und Boxen wandern aus dem fünften Stock eines unscheinbaren Hinterhofhauses in zwei Lieferwagen. Ein ganzes Team fährt raus. Für ein einziges Bild, das noch mal gemacht werden muss, weil die erste Aufnahme dem Kunden nicht gefallen hat. "Betriebswirtschaftlich lohnt sich das nicht", räumt Lorenz Wagener ein. "Aber auf lange Sicht wird sich das natürlich rechnen, weil wir damit den Kunden glücklich machen."
35 Projekte gleichzeitig
Rimagine-Geschäftsführer Lorenz Wagener fährt nicht mit raus. Er sitzt schon wieder am Computer und schreibt Skype-Nachrichten. Über seinen Schreibtisch laufen im Schnitt 35 Projekte gleichzeitig. Das Kommando beim Shooting hat die Projektmanagerin Flavie.
Die Französin hat im Westen Shanghais eine Villa mit Garten gefunden. Fotografiert werden soll nämlich ein Gartensofa. Ja, sagt sie, das sei schon viel Aufwand für ein einziges Bild. Aber Wahnsinn ist für Flavie etwas anderes: "Wir stehen jetzt erstmal eine Stunde im Stau." Der Verkehr in Shanghai ist tatsächlich Wahnsinn.
Endlich. Die Villa ist erreicht. In Windeseile baut das Team im Garten das Equipment und die Sofagarnitur auf. Ein anthrazitfarbenes Rattan-Imitat mit hellgrauen Sitzkissen, auf satt grünem Rasen vor einem trüben Teich. Jetzt muss die französische Stylistin Florence dafür sorgen, dass alles möglichst wenig chinesisch aussieht. Der Kunde ist eine deutsche Baumarktkette. "No gartenzwergen", sagt sie lachend. "Wir bleiben nüchtern und modern."
Gelebte Globalisierung
Die Stylistin platziert eine Blumenvase mit langstieligen roten Rosen neben die Couch. Fotograf Chad aus Kanada und sein chinesischer Assistent Jayjay messen das Licht und machen Probeaufnahmen. "Es macht mir Spaß, dem Fotografen zu helfen", sagt Jayjay. "Schließlich will ich selbst mal Fotograf werden." Dann ist alles blitzschnell im Kasten. Fotograf Chad nickt und gibt das Kommando zum Einpacken. Er ist zufrieden. "Sonst würden wir jetzt noch nicht gehen", sagt er bestimmt.
Fast vier Stunden sind vergangen. Das Ergebnis wird demnächst in einem deutschen Baumarktprospekt zu sehen sein. Die französische Projektmanagerin Flavie bedankt sich auf Chinesisch bei der chinesischen Hausbesitzerin, die ihren Garten für das deutsche Foto-Shooting zur Verfügung gestellt hat. Das ist gelebte Globalisierung.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Mathias Bölinger