Was ist das Hantavirus?
13. November 2020
Um keine Panik zu schüren: Es handelt sich um kein neuartiges Virus und es handelt sich bislang um einen Einzelfall: In Deutschland wurde erstmals die Übertragung des in Asien verbreiteten und hochinfektiösen Seoulvirus von einem Tier auf einen Menschen nachgewiesen.
Seoulviren gehören zur Familie der Hantaviren, die nach einem Fluss benannt sind, an dem sich 1950 amerikanische Soldaten während des Koreakrieges als erste mit dem Virus infizierten.
Forscher der Berliner Charité und des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems konnten das Virus nun bei einer Heimratte und ihrer Besitzerin aus Niedersachsen nachweisen.
Einer Mitteilung der Charité und des FLI zufolge war das Virenerbgut bei der Patientin und der Ratte identisch. "Dies bestätigt eine Erkrankung durch Übertragung des Erregers vom Tier auf den Menschen", sagt Jörg Hofmann, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Hantaviren an der Charité. "Der Nachweis eines weiteren Zoonose-Erregers in Heimratten unterstreicht erneut die Notwendigkeit eines Monitorings von Heimratten auf Erreger", fügt Rainer Ulrich vom FLI auf der Insel Riems hinzu.
Vorsicht bei der Rattenhaltung
Zoonosen sind Krankheiten, die zwischen Tier und Mensch hin und her wandern können. Die Übertragung des Seoulvirus könnte Auswirkungen auf den Umgang mit Wild- und Heimratten haben. "Bislang dachte man nur bei Mäusekontakt an Hantavirus-Infektionen. Jetzt muss man die Möglichkeit einer Infektion auch bei Kontakt zu Wild- oder Heimratten in Betracht ziehen", sagt Hofmann.
Der Nachweis in einer Heimratte bedeute auch, dass über den Verkauf dieser Tiere das Virus überallhin exportiert werden kann. Vorsicht sei bei der Rattenhaltung geboten.
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Das Seoulvirus führe häufig zu schweren Krankheitsverläufen. Es komme nicht in Mäusen vor. Übertragungen dieses Virus von Ratten auf Menschen seien bereits in mehreren Fällen auch außerhalb Asiens dokumentiert worden, zum Beispiel 2012 im Yosemite Park in Kalifornien, USA.
Wie steckt man sich an?
Das FLI bietet außerdem einen Flyer "Informationen zur Vermeidung von Hantavirus-Infektionen" an: Die natürlichen Wirte der für den Menschen gefährlichen Hantaviren sind verschiedene Nagetiere. Allerdings sind in den vergangenen Jahren Hantaviren auch bei Spitzmäusen, Maulwürfen und Fledermäusen entdeckt worden. Die Viren werden von infizierten Tieren über Speichel, Urin und Kot ausgeschieden.
Der Mensch infiziert sich schließlich über den Kontakt mit Ausscheidungen von infizierten Nagern - etwa, wenn kontaminierter Staub aufgewirbelt und die Erreger eingeatmet werden. Die Viren können in der Umwelt mehrere Wochen überdauern.
Für eine Ansteckung ist deshalb nicht mal ein direkter Kontakt zum Nager nötig. Aber auch eine Infektion durch Bisse von infizierten Nagern ist möglich. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch oder über Vektoren (zum Beispiel Mücken oder Zecken) findet wahrscheinlich nicht statt.
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Welche Symptome sind typisch?
Die Virusinfektion verläuft demnach häufig ohne Symptome oder so leicht, dass die Infektion dem Betroffenen nicht auffällt. Symptomatische Erkrankungen werden unter dem Begriff "Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom" (HFRS) zusammengefasst, wobei der Schweregrad des Verlaufs unter anderem von der Art des Hantavirus abhängt.
Mitteleuropäische Hantavirus-Arten verursachen grippeähnliche Infektionen, mit über drei bis vier Tage anhaltendem hohen Fieber (über 38 Grad Celsius) sowie Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen. In einer darauffolgenden Krankheitsphase können Blutdruckabfall und schließlich Nierenfunktionsstörungen bis zum akuten Nierenversagen auftreten. Sehr selten kann sich die Erkrankung auf die Lunge auswirken oder deutlich sichtbare, äußere Blutungen verursachen.
Wie die Charité berichtete, musste die junge Patientin in Niedersachsen mehrere Tage mit Symptomen eines akuten Nierenversagens intensivmedizinisch versorgt werden. Das Virus sei wahrscheinlich durch infizierte Wildratten auf Schiffen nach Europa gelangt, konnte in Deutschland bisher aber noch nie beobachtet werden, so Hofmann.
Meldepflicht
Die infizierte Zuchtratte der Patientin sei vermutlich aus einem anderen Land nach Deutschland importiert worden. Sie hatte das Tier zwei bis drei Wochen vor ihrer Erkrankung gekauft.
Hantaviren sind in Deutschland schon über viele Jahre bekannt. Zwischen 200 und 3000 Fällen treten üblicherweise pro Jahr auf. Das hänge von den Regenmengen ab, so Hofmann. Gebe es viele Niederschläge, ist die Ernährungslage von Mäusen gut und sie vermehren sich kräftig. Die Übertragung der Viren auf den Menschen erfolge über die Ausscheidungen der Tiere.
Am häufigsten erkranken Menschen in Deutschland laut FLI am Puumalavirus. Dafür ist die Rötelmaus der häufigste Reservoirwirt. Daneben sind in Deutschland humane Infektionen mit dem Dobrava-Belgrad-Virus beschrieben worden. Während das Puumalavirus ausschließlich im westlichen Teil Deutschlands vorkommt, ist die Verbreitung des Dobrava-Belgrad-Virus wegen des Vorkommens der Brandmaus als Reservoirwirt auf den östlichen Teil Deutschlands beschränkt.
Infektionsfälle mit dem Seoulvirus konnten in Deutschland bis zum jetzigen ersten Fall noch nicht nachgewiesen werden, obwohl das Virus schon in verschiedenen europäischen Ländern in Wild- und Heimratten nachgewiesen worden war und einige Fälle humaner Erkrankungen in Europa beschrieben wurden.
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