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Reise

Noch Museum oder schon wieder Moschee?

6. Januar 2017

Der zunehmend islamisch-autoritäre Kurs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan macht auch vor der Hagia Sophia nicht Halt. Die Regierung verfolgt eine neue Strategie für das weltberühmte Museum in Istanbul.

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Bild: picture-alliance/dpa

Die wenigen westlichen Touristen, die in diesen Tagen die historische Halbinsel Istanbuls durchstreifen, sind irritiert. Als der Mittagsruf von den Moscheen ertönt, ist es nicht nur die Blaue Moschee, die zum Gebet aufruft. Auch von den vier Minaretten der Hagia Sophia, der ehemaligen "Kirche der Heiligen Weisheit", ertönt der Ruf zum Ruhme Allahs.

Ist aus dem bis vor kurzem noch meistbesuchten Museum der Stadt etwa wieder eine Moschee geworden? "Nein", sagt Pater Dositheos, Sprecher des griechischen Patriarchats von Konstantinopel. Die Hagia Sophia sei nach wie vor ganz klar ein Museum. "Aber die Regierung tut mit einer geschickten Inszenierung gegenüber ihren Anhängern so, als würde dieser Status infrage gestellt."

Auch die Ernennung eines Imams für das unter Staatschef Mustafa Kemal Atatürk 1935 zum Museum erklärte Gebäude ist Teil der neuen Strategie. Im Oktober ernannte die Religionsbehörde Diyanet den populären muslimischen Geistlichen Önder Soy zum Imam für die Hagia Sophia.

In der Praxis bedeutet das, dass Gläubige unter der Anleitung von Soy in einem jahrhundertealten Anbau an der Südseite, dem sogenannten Hünkar Kasri, beten können. Das ist im Prinzip jedoch nichts Neues. Der Gebetsraum existiert schon seit 1991 und wurde vom damaligen Ministerpräsidenten Turgut Özal eingerichtet. Er wurde nur so gut wie nie genutzt, weil es rund um die Hagia Sophia nur noch Hotels und Geschäfte, aber keine Wohnhäuser mehr gibt. Es gab schlicht keine Gemeinde, die in dem berühmten Bauwerk beten wollte.

Doch das hat sich geändert, seit der als Karatemeister und Musiker bekannte Imam Soy für die Gebete im Museumsanbau die Werbetrommel rührt. "Unter der Woche kommen immer noch nur sehr wenige Leute, aber zum Freitagsgebet ist es voll", sagte der Imam der Tageszeitung "Habertürk".

Dazu beigetragen hat auch, dass der oberste Mufti des Altstadt-Bezirks Fatih, Irfan Üstündag, es im diesjährigen Ramadan zweimal erlaubte, dass der Gebetsruf auch im Inneren des Museums von einem Imam angestimmt wurde. "Viele Besucher waren davon begeistert", sagte Soy. Auch jetzt, außerhalb des Ramadan, kämen viele Touristen zu ihm. Das hat damit zu tun, dass sich die Herkunft der Touristen in Istanbul deutlich verändert hat.

Arabische Besucher statt westlicher Touristen

Bild: picture-alliance/epa/C. Turkel

Kamen die Besucher bis vor zwei, drei Jahren überwiegend aus Europa und den USA, sind es nun vor allem arabische Touristen, die die Metropole am Bosporus ansteuern. Gründe sind die Terroranschläge auf westliche Touristen und nicht zuletzt die zunehmend islamisch-autoritäre Politik von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Für dieses Publikum hat die Tourismusbehörde die Präsentation des Museums etwas umgestaltet. Es wurde eine Vorführecke über die Geschichte der Hagia Sophia eingerichtet, die man sich nun auf mehreren Videoschirmen anschauen kann. Dass die Hagia Sophia mehr als 1000 Jahre lang die größte Kirche der christlichen Welt war, wird in dieser Präsentation kaum erwähnt. Sie beginnt erst mit der Eroberung Konstantinopels 1453 und der Umwandlung der Kirche in eine Moschee.

Diese Tendenz setzt sich im Inneren des Museums fort. Auf etlichen Hinweisschildern wird auf die muslimischen Umbauten der früheren Kirche zu einer Moschee hingewiesen. Dadurch geht freilich die Verbindung von ehemaliger Kirche und ehemaliger Moschee zu einem einzigartigen Religionsmuseum etwas verloren. Pater Dositheos bemerkt dazu mit sarkastischem Unterton: "Solange man die Hagia Sophia mit Schuhen betreten kann, ist und bleibt sie ein Museum."

(kna)