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Eurozone soll aufgepeppt werden

19. November 2018

Treffen der Euro-Gruppe: Frankreich und Deutschland schlagen den Europäern ein extra Budget für die Währungsgemeinschaft vor. Viele Einzelheiten bleiben offen. Zu viele, sagen Kritiker. Von Bernd Riegert, Brüssel.

Deutschland Frankreich - Le Maire und Scholz auf Meseberg
Freunde Olaf und Bruno in Meseberg: Die Finanzminister Deutschlands und Frankreichs werben für ihre Euro-Reform (Archiv)Bild: Getty Images/AFP/J. MacDougall

"Vor einem Jahr durfte man das Wort 'Budget für die Eurozone' noch nicht einmal aussprechen, jetzt haben wir einen gemeinsamen Vorschlag", witzelte der französische Finanzminister Bruno Le Maire in Brüssel. Gerade hatte er zusammen mit dem "lieben Freund Olaf" Scholz, dem Bundesfinanzminister, den übrigen 17 Eurozonen-Mitgliedern das Konzept für einen neuen eigenen Haushalt der Währungsgemeinschaft vorgestellt. Frankreich hatte immer gedrängelt. Für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist der gemeinsame Haushalt so etwas wie der Kern all seiner europäischen Reformen, die er seit seinem Amtsantritt vorschlägt.

Die Deutschen waren eher zögerlich. Erst nach der langwierigen Regierungsbildung kam im Sommer in Meseberg bei einer gemeinsamen Tagung der deutschen und der französischen Kabinette das Signal: Jetzt ist auch die Bundeskanzlerin für das Euro-Budget. Es dauerte aber noch bis vergangenen Freitag bis die Einzelheiten für einen gemeinsamen deutsch-französischen Vorschlag endlich auf dem Tisch lagen. "Das ist ein wirklicher politischer Durchbruch", freute sich der französische Finanzminister Bruno Le Maire nach den Beratungen mit seinen Kollegen aus den Euro-Staaten in Brüssel. "Das Zusammenwachsen der sehr unterschiedlich leistungsstarken Euro-Staaten wird gefördert. Es geht um Konvergenz, ohne die eine Währungsgemeinschaft auf Dauer nicht existieren kann." Es gehe darum, so Le Maire, Europa in einer sich ändernden Welt schlagkräftiger zu machen.

Deutsch-französisches Regierungstreffen in Meseberg: Macron (li.) und Merkel machen Eurozonen-Budget salonfähigBild: Reuters/H. Hanschke

Was soll mit dem Budget ausgerichtet werden?

Das Eurozonen-Budget soll auch eine stabilisierende Komponente haben, meinte der französische Finanzminister etwas verklausuliert. Im Falle mangelnder Reformschritte oder einer finanziellen Schieflage will Le Maire schwachen Staaten wie Griechenland, Portugal oder vielleicht auch Italien finanziell unter die Arme greifen können. Diese "Stabilisierungsfunktion" stößt bei Finanzminister Olaf Scholz nicht auf so große Begeisterung. Die Deutschen weisen gerne darauf hin, dass es dafür ja den ESM, also den europäischen Rettungsschirm, geben würde. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte schon vor der Sitzung der Finanzminister in Brüssel betont, das Eurozonen-Budget solle vor allem dazu dienen, gemeinsam in Forschung, Innovation und Personalentwicklung zu investieren und private Investitionen zu befördern.

Höhe des Budgets noch unklar

Die Gretchenfrage, wie groß denn ein eigener Haushalt für die Euro-Währungsgemeinschaft sinnvollerweise sein müsste, wurde noch nicht entschieden. Um eine stabilisierende Schlagkraft zu haben, müsse er einige Prozentpunkte der Wirtschaftsleistung der Euro-Staaten ausmachen, hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geschwärmt. Den vorsichtigen Deutschen schweben eher Promille vor. Auch wo das Geld genau herkommen soll, ist noch nicht geklärt. Der deutsch-französische Vorschlag hebt jetzt darauf ab, dass die Finanzierung des Eurozonen-Haushalt gemeinsam mit dem langfristigen Haushalt der EU für die Jahre 2021 bis 2027 geklärt werden soll. Folgerichtig soll der neue Topf auch erst ab dem Jahr 2021 zur Verfügung stehen. Von einem gemeinsamen "Eurozonen-Finanzminister", der den Haushalt dann verwaltet, war heute in Brüssel nicht mehr die Rede.

Die Einzelheiten seien noch nicht geklärt, gab der französische Finanzminister Le Maire freimütig zu. Darum ginge auch nicht in dieser Phase. Erst einmal habe man das Ziel, den Rahmen und den politischen Willen entwickelt. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz sieht das genau so. Ihm geht es um die politische Botschaft, auch gerade in Zeiten des Brexit. "Die Eurozone wird wichtiger werden nach dem Brexit. Wenn Großbritannien ausscheidet, werden 75 Prozent der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union in den Euro-Staaten erzielt", sagte Scholz in Brüssel. Man sei gut vorangekommen mit den Reformvorhaben. "90 bis 95 Prozent der Reformen sind klar. Wir werden im Dezember gute Ergebnisse erzielen", frohlockte Scholz. Mitte Dezember soll ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs über Fortschritte bei der Bankenunion, bei einem Ausbau der Eurozone und über die Abwehrmechanismen von neuen Finanzkrisen befinden.

Niederlande sind nicht überzeugt

Der deutsch-französische Vorstoß hat in der Eurozone allerdings nicht nur Freunde. Eine sogenannte "Hanse"-Koalition aus den nördlichen, den baltischen Euro-Staaten sowie den Niederlanden meldet Bedenken an. "Die Kernfrage ist für mich, was bringt das den Niederlanden und meinen Steuerzahlern", sagte der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra in Brüssel. "Wir werden das genau prüfen. Es gibt noch eine Reihe von Fragen. Ich bin noch nicht überzeugt." Die "Hanse"-Staaten, so benannt nach einem mittelalterlichen Bund von wohlhabenden Handelsstaaten in Europa, wollen vor allem Belastungen für die eigenen Kassen und Transfers nach Südeuropa vermeiden.

Neue "Hanse": Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra zweifelt am Sinn der Euro-ReformBild: picture-alliance/dpa/T. Monasse

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire räumte auf Nachfrage ein, dass natürlich nicht alle Eurozonen-Staaten begeistert sind. Aber: "Niemand war total dagegen. Es war eine produktive Debatte", so Le Maire. "Sicherlich gibt es noch einiges an Arbeit zu erledigen." Der Druck sich zu einigen, dürfte wachsen. Der französische Präsident will unbedingt mit positiven Leistungen der EU in den Wahlkampf für das Europäische Parlament gehen, das Ende Mai gewählt wird. Eine Stärkung und Vertiefung der Eurozone gehört für Macron dazu, der zu Hause gerade heftigen Gegenwind in Form von Protesten gegen seine Umwelt- und Steuerpolitik spürt.

Skeptisch reagierte das "Centrum für Europäische Politik" (CEP), eine Denkfabrik in Freiburg, auf den speziellen Eurozonen-Haushalt, der bisher nur in Umrissen zu erkennen ist. Matthias Cullas vom CEP meint: "Es fehlt nach wie vor ein überzeugendes Argument für die Einrichtung eines Eurozonen-Budgets. Denn die Stabilität der Eurozone kann am besten dadurch gewährleistet werden, indem die Euro-Staaten ihre nationalen Haushalte in Ordnung bringen und notwendige Strukturreformen durchführen. Hierfür braucht es kein Geld, sondern die Einsicht der nationalen Regierungen."

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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