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Soll Nofretete zurück nach Ägypten?

Elizabeth Grenier
6. November 2025

Warum hält Nofretete noch immer in Berlin Hof? Mit der Eröffnung des "Grand Egyptian Museum" in Gizeh werden erneut Forderungen laut, sie an ihre ägyptische Heimat zurückzugeben. Auch von deutschen Historikern.

Die Büste der Nofretete im Scheinwerferlicht, umgeben von Menschen
Eines der bekanntesten Exponate der Berliner Museumsinsel: die Büste der NofreteteBild: Maurizio Gambarini/IMAGO

Sie ist wohl eine der ikonischsten Figuren des alten Ägypten: Königin Nofretete, weltweit ein Symbol für Schönheit und Macht - und zugleich ein Mysterium. Es gibt nur wenig gesicherte Erkenntnisse über sie und ihr Leben, dafür aber zahlreiche Theorien und Vermutungen.

Nofretete, deren Name übersetzt "die Schöne ist gekommen" bedeutet, lebte im 14. Jahrhundert v. Christus und war die Hauptgemahlin des Pharaos Echnaton - der die ägyptische Religion radikal veränderte.

Pharao Echnaton und seine Königin NofreteteBild: Paul Schemm/AP Photo/picture alliance

Nofretetes heutige Berühmtheit aber ist vor allem auf die Entdeckung einer bemalten, mit Stuck überzogenen Kalksteinbüste im Jahr 1912 zurückzuführen. Sie wurde bei einer Ausgrabung unter der Leitung des deutschen Ägyptologen Ludwig Borchardt (1863–1938) im äygptischen Tell el Amarna gefunden - und zeigt die Königin in ihrer Pracht.

Die Büste wurde zusammen mit anderen Funden nach Berlin verschifft. Heute ist sie im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der "unangefochtene Star des Neuen Museums", wie es auf der Seite der Staatlichen Museen zu Berlin heißt. Das Neue Museum ist Teil der Berliner Museumsinsel, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. 

Ruf nach Restitution wird lauter

Die ersten Rückgabeforderungen gab es bereits kurz nach Entdeckung der Büste und seither immer wieder. Mit der Eröffnung des Grand Egyptian Museum in Gizeh haben sie nun erneut Dynamik bekommen: Die Besucherinnen und Besucher des Museums werden gebeten, eine Petition zu unterzeichnen, die im vergangenen Jahr von dem Archäologen Zahi Hawass, ehemaliger Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, initiiert wurde. 

Nofretete: Das schönste Gesicht Ägyptens

02:35

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"Diese Petition soll - trotz der vielen nicht beachteten Aufrufe zu einem echten Dialog und trotz der wiederholten Bitte anzuerkennen, unter welchen Umständen dieses einzigartige Artefakt nach Deutschland gelangte - die Debatte neu entfachen, die Rückgabe der Büste an Kairo anstoßen und eine würdige Reaktion der deutschen Behörden hervorrufen", heißt es in der Petition, die das deutsche Kulturministerium und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auffordert, sich mit der Angelegenheit zu befassen.

Ein Sprecher des deutschen Kulturministers erklärte gegenüber der DW in einer schriftlichen Stellungnahme: "Fragen des Kulturgutschutzes im Verhältnis zu Ägypten, somit auch die Nofrete, liegen in der Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes."

Aus dem Auswärtige Amt aber heißt es, dass "keine Forderung nach der Rückgabe der Nofretete-Büste von offiziellen ägyptischen Stellen" vorliege und auch nicht bekannt sei, "dass solche Forderungen jemals gegenüber der Bundesregierung erhoben wurden".

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz reagierte nicht auf die Anfrage der DW. Doch ihre Haltung zu dem Thema hat sich in den letzten Jahren nicht geändert.

Nofretete - legal nach Berlin gebracht?

"Die Büste der Nofretete wurde im Rahmen einer von der ägyptischen Altertumsverwaltung genehmigten Ausgrabung gefunden", erklärte Stefan Müchler, Sprecher der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im Oktober 2024 in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Deutschen Welle. "Sie kam aufgrund einer - damals üblichen - Teilung des Fundes, die viele weitere Objekte umfasste, nach Berlin. Die Büste wurde legal außer Landes gebracht und es gibt keinen Rückgabeanspruch der ägyptischen Regierung", so Müchler.

Die ägyptische Forscherin und Kulturerbe-Aktivistin Monica Hanna bestreitet diese Behauptung. Ihren Recherchen zufolge hat Ludwig Borchardt den Wert der Büste bei der Aufteilung der Funde absichtlich und in betrügerischer Absicht heruntergespielt. Er habe sie als "bemalte königliche Prinzessin" beschrieben, während seine eigenen Notizen zeigten, dass er wusste, um wen es sich handele. "Beschreiben nützt nichts, ansehen" ist ein Zitat aus dem Grabungstagebuch Borchardts, das häufig zitiert wird.

Der deutsche Historiker Sebastian Conrad, Autor der Publikation "The Making of a Global Icon: Nefertiti's Twentieth-Century Career", fügt hinzu, dass neben der Frage der Aufteilung des Fundes die ethische Gültigkeit des Gesetzes selbst in Frage gestellt werden sollte: "Es ist ein Gesetz, das unter den ungleichen Machtverhältnissen des imperialistischen Zeitalters nur möglich war, weil Ägypten damals im Grunde ja eine englische Kolonie war. Das heißt also, die eigentliche Frage meines Erachtens ist, ob man sich zurecht auf so ein Gesetz berufen kann", so Conrad gegenüber der DW. "Ich würde es so formulieren: Es ist formal legal gewesen, ist aber aus heutiger Perspektive nicht legitim."

Kulturerbe der Kolonialzeit für alle

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Der Historiker Jürgen Zimmerer, dessen Schwerpunkt auf Kolonialismus- und Völkermordstudien liegt, weist darauf hin, dass es in Deutschland eine ganz ähnliche Debatte gebe in Bezug auf NS-Raubkunst -  also Kunstwerke, die während des Dritten Reiches von den Nazis aus jüdischem Besitz beschlagnahmt wurden. "Da stellt man sich ja auch nicht hin und sagt: 'Das war damals ja Recht, also haben die keinen Anspruch'." Vielmehr sehe man es als moralische Errungenschaft, sagen zu können, dass es "unrechtmäßige Gesetze" waren, mit denen Jüdinnen und Juden enteignet worden seien und dass man davon nicht profitieren wolle. "Und ich frage mich, welchen Grund es geben könnte, im kolonialen Kontext anders zu verfahren“, so Zimmerer gegenüber der DW. 

Adolf Hitler blockierte Restitution

Die Ägyptologin Monica Hanna stellt auch die Position Deutschlands in Frage, dass es keinen Rückgabeanspruch seitens der ägyptischen Regierung gebe. Sie weist darauf hin, dass die ägyptischen Behörden bereits nach der ersten öffentlichen Ausstellung der Büste in Berlin im Jahr 1924 deren Rückgabe gefordert hatten, und fügt hinzu: "Muss die Regierung wirklich erst darum bitten? Die öffentliche Meinung in Ägypten ist eindeutig: 'Wir wollen die Büste der Nofretete zurück. Was uns gehört, gehört uns'."

1925 drohte Ägypten, deutsche Ausgrabungen im Land zu verbieten, wenn die Büste nicht zurückgegeben würde. Auch James Simon, Berliner Kaufmann und Mäzen, der die Ausgrabungen Ludwig Borchardts finanziert hatte, setzte sich für die Rückgabe der Nofretete an Ägypten ein, wie die Forscherin Ruth E. Iskin in ihrem Artikel "The Other Nefertiti: Symbolic Restitutions" darlegt. 

Simons geplanter Austausch aber kam nicht zustande, ebenso wenig wie ein weiterer Versuch im Jahr 1933: Der führende Nazi-Politiker Hermann Göring wollte durch die Rückgabe der Büste die politische Loyalität Ägyptens gegenüber Deutschland sichern. Hitler aber - ein großer Bewunderer Nofretetes - blockierte das Projekt. "Ich werde den Kopf der Königin niemals aufgeben“, soll Hitler damals verkündet haben.

Ikone des Protestes: das während des Arabischen Frühlings entstandene Straßenkunstwerk "Nofretete mit Gasmaske"Bild: Yonhap News/IMAGO

Eine Grundsatzfrage für Deutschland

Ein Argument, das von deutscher Seite kommt, ist, dass die Büste zu zerbrechlich sei, um nach Ägypten zurücktransportiert zu werden. Der Historiker Sebastian Conrad räumt zwar ein, dass er kein Experte in dieser Frage sei, weist jedoch zugleich darauf hin, dass sie während des Zweiten Weltkrieges "in eine Plastiktüte gesteckt und dann in einem Bergwerk in Thüringen untergebracht" worden sei und später nach Wiesbaden transportiert. "Also, sie hat schon eine ganze Reihe von Reisen hinter sich, nicht nur die von Kairo nach Berlin."

Anders als bei der Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria, Ergebnis eines langen Prozesses, in dem vereinbart wurde, dass ein Teil der Sammlung zunächst als Leihgabe in Berlin bleibt, ist die Nofretete ein Unikat. 

Die Historiker Conrad und Zimmerer glauben dennoch, dass es Alternativen zum Festhalten am Original gibt, beispielsweise eine Reproduktion der Büste - ausgestellt zusammen mit der Geschichte des Fundes und den Rückgabebemühungen. "Was fehlen würde, ist die sogenannte Aura der Authentizität", so Zimmerer. Die Frage aber sei, ob ein Berliner Museum mit dem Original werbe solle, wenn "die Art und Weise, wie dieses Original nach Berlin kam, im Kontext kolonialen Unrechts geschehen ist. Und ich bin der Meinung: Nein."

Adaption aus dem Englischen: Petra Lambeck

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