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Politik

Nord-Mali: Sicher ist nur die Unsicherheit

Bettina Rühl
8. Dezember 2016

Der Norden Malis hat sich etwas stabilisiert. Doch die Menschen dort erleben noch immer Gewalt. Meist sind die Täter Kriminelle, keine Islamisten. Die Bevölkerung versteht nicht, warum die UN-Blauhelme nicht eingreifen.

UN-Soldat auf Patrouille in der Stadt Gao Mali
Bild: Bettina Rühl

Zwischen den Auslagen auf dem Markt von Gao ist kaum ein Durchkommen. Händlerinnen und Händler bieten ihre Ware an, Kunsthandwerk genauso wie Lebensmittel. Ayouba Touré verkauft Bananen, Süßkartoffeln und Maniok. "Wir verdienen genug zum Überleben", sagt der 23-jährige Händler. "Die Lage ist insgesamt etwas besser geworden. Aber sie ist immer noch schlechter als vor der Krise."

Mit Krise meint Ayouba Touré den Militärputsch im Jahr 2012 und dessen Folgen: Mehrere islamistische Gruppen und Tuareg-Rebellen besetzten den Norden des Landes, erklärten ihn zu einem eigenen Staat und Gao zur Hauptstadt. Die Vertreter des malischen Staats flohen nach Süden. Seitdem fühlt sich die Bevölkerung von Politikern, Polizei und Sicherheitskräften im Stich gelassen. Zwar eroberten französische und malische Truppen 2013 den Norden Malis zurück. Aber die Islamistischen Terrorgruppen verüben immer noch regelmäßig schwere Anschläge.

Straßenszene in Gao, der größten Stadt im Norden Malis. "Wir haben Durst" steht auf der MauerBild: Bettina Rühl

Gefährliche Fahrt in den Süden

Zu ihren Zielen gehören die etwa 11.000 Soldaten der UN-Blauhelm-Mission MINUSMA. Sie sollen helfen, das Land zu befrieden und zu stabilisieren, zum Beispiel durch regelmäßige Patrouillen. "Sie müssten noch viel mehr tun als im Moment", kritisiert der Straßenhändler Ayouba Touré. Zwar erkennt er an, dass sich die Lage in Gao dank der Bemühungen der MINUSMA und der französischen Militäroperation Barkhane in den vergangenen Monaten deutlich verbessert hat. Er sagt, dass sich die Menschen in Gao sicherer fühlten. Aber jenseits der Stadtgrenze sei das ganz anders: "Auf den Fernstraßen werden ständig Fahrzeuge überfallen", erzählt er. Immer wieder würden Reisende und Händler komplett ausgeraubt.

Ayouba Touré kauft sein Obst und Gemüse im Süden, in Sikasso - auf dem Landweg 1000 Kilometer entfernt. "Wir brauchen mehr Sicherheit", fordert der Händler. "Vor allem auf der Strecke von hier nach Süden. Diese Achse ist im Moment sehr gefährlich." Das hat auch wirtschaftliche Folgen. Viele Händler, die ihre Waren bisher im Süden Malis oder den Nachbarstaaten kauften, meiden mittlerweile die Tour in den Süden. Dasselbe gilt für manche Fahrer von Bussen und LKW.

Kalaschnikows für den Notfall

Angesichts dieser Gefahren wollen die Bewohner der Gegend nicht untätig bleiben. Während der islamistischen Besatzung sind ohnehin viele Selbstverteidigungsmilizen entstanden. Die bestehen weiter - nicht zuletzt, weil auch der Friedensvertrag, den die Regierung mit etlichen bewaffneten Gruppen 2015 unterzeichnete, nur äußerst schleppend umgesetzt wird.

Die Selbstverteidigungsgruppe "Compus 15" beim Exerzieren in der Nähe von GaoBild: Bettina Rühl

Neben den alten entstehen neue Gruppen, so wie "Compus 15" in Gao. An diesem Morgen exerzieren zwei Dutzend ihrer Mitglieder im Innenhof eines Lehmhauses, in einem Dorf unweit von Gao. Kaum jemand trägt eine Waffe. Aber wenn es ernst werde, versichert Mohamed Younessa Touré, hätten sie schon genug Kalaschnikows. Er ist der politische Kopf von "Compus 15" und sagt: "Wenn sich jemand bewaffnet um dich anzugreifen, bist du gezwungen, dir auch Waffen zu suchen, um dich zu verteidigen. Das geht nicht anders."

Lieber Hirte als Kämpfer

Mohamed Younessa Touré versichert, dass er selbst keine Waffe trage - jedenfalls zur Zeit nicht. "Compus 15" gehört zum Lager der Regierung. Der Leiter der Gruppe versichert, dass die Mitglieder und etliche andere Milizionäre ihre Waffen der Regierung am liebsten sofort übergeben würden - um wieder Händler oder Hirten zu sein, ohne nebenbei exerzieren, patrouillieren und vielleicht sogar kämpfen zu müssen. Aber dafür sei es zu früh, weil weder die malische Armee noch die französischen Soldaten noch die MINUSMA sie ausreichend beschütze.

"Die MINUSMA und die Mitglieder der französischen Militäroperation Barkhane sagen, dass sie gegen Islamisten kämpfen", erklärt er. "Gegen die anderen, die uns bestehlen, unternehmen sie nichts. Die können uns berauben und ausplündern. Aber auf diese Weise wird es nie Frieden geben."

Ein gepanzertes Fahrzeug der UN-Mission MINUSMA bei einer Patrouille im Zentrum von GaoBild: Bettina Rühl

Vorwürfe gegen die UN-Mission

Diese Kritik an der MINUSMA ist weit verbreitet. Tatsächlich gehört es zu den Aufgaben der Blauhelme, Menschen zu schützen, die in unmittelbarer Lebensgefahr sind. Aber der Kampf gegen Kriminalität gilt als Aufgabe des Staates und gehört nicht zu ihrer Mission. Mohamed Younessa Touré und viele andere Malier finden diese Unterscheidung nicht überzeugend. "Wenn jemand zur Waffe greift, will er damit etwas Schlechtes tun", argumentiert er. "Eine Waffe gehört nicht in die Hände von Zivilisten. Und wenn ein Soldat bewaffnete Zivilisten sieht, ohne ihnen die Waffen abzunehmen, dann bedeutet das, dass sie Komplizen sind."

Ein hartes Urteil über die UN-Mission, an der sich Deutschland mit derzeit etwa 530 Soldaten beteiligt. Die meisten von ihnen sind in Gao stationiert. Aber der Frieden, sagen die Bewohner der Stadt, sei immer noch fern. Sie fühlen sich von den Vereinten Nationen und ihrer Regierung allein gelassen.

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