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Politik

Nord-Mazedonien zwischen Zuversicht und Angst

Teri Schultz
6. April 2019

Das jüngste Abkommen hat den mazedonisch-griechischen Streit geschlichtet. Die Bevölkerung Nord-Mazedoniens hofft nun auf eine bessere Zukunft - viele bleiben den Änderungen gegenüber allerdings skeptisch.

Nordmazedonien, Skopje: Mazedonien Namensänderung
Nächster Schritt NATO- und EU-Mitgliedschaft? Einige Nordmazedonier hoffen auf eine Annäherung an den WestenBild: picture-alliance/dpa/D. Perkovksi

In der Republik Nord-Mazedonien geraten viele Menschen immer noch ins Stottern, wenn sie versuchen, sich daran zu gewöhnen, wie sie ihr Land heute nennen müssen.

Nun, nicht jeder versucht es.

"Nicht ich - nicht ich. Nein, auf keinen Fall", sagt der ehemalige Diplomat Martin Trenevski, der als Gesandter seiner Nation in Schweden, Kanada und bei der NATO tätig war, als sie noch vorläufig "Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien" (EJRM) genannt wurde. Trenevski zog sich zurück, bevor die derzeitige Regierung das Prespa-Abkommen annahm, und er weigert sich, sich an die Namensänderung zu halten – eine persönliche Angelegenheit: "Zum Glück bin ich jetzt Rentner", sagt er mit einem Lächeln, "also muss ich es nicht - und werde es auch nicht."

Seine Frau, die am anderen Ende des Esstisches sitzt, schüttelt den Kopf. Vasilka Poposka war Skopjes Botschafterin in Österreich, als  das Prespa-Abkommen verhandelt wurde. Sie moderierte die Verhandlungstreffen oft und sah aus nächster Nähe, wie hoch die Einsätze waren. "Es gab keinen anderen Weg", sagte sie mit Überzeugung. "Ich sah, dass es für beide Seiten nicht einfach war. Ich bin sicher, dass niemand damit zufrieden ist, aber wir wussten, dass wir das tun müssen.", sagt sie und zuckt mit den Schultern. "'Nord-Mazedonien' ist für mich nicht so schlecht".

Martin Trenevski und Vasilka PoposkaBild: privat

Änderungen an Denkmälern und in Schulbüchern

Das Prespa-Abkommen wurde im vergangenen Sommer nach jahrelangem Streit zwischen Griechenland und damals noch der Republik Mazedonien geschlossen. Es sieht einerseits die Namensänderung der Republik in "Nord-Mazedonien" vor, die im Februar dieses Jahres umgesetzt wurde. Gleichzeitig verzichtet der Staat mit dem neuen Namen auf Gebietsansprüche gegenüber der nördlichen griechischen Provinz Makedonien.

An nationalen Denkmälern im Land werden zudem neue Schilder angebracht, auf denen stehen soll, dass es unterschiedliche Interpretationen von historischen Ansprüchen gibt. Das ist etwas, was die beiden ehemaligen Diplomaten Poposka  und Treneveski und auch die Bürger noch nicht ganz verstanden haben. Jeder macht sich Sorgen darüber, was unter dem neuen Abkommen noch erlaubt ist und was nicht, wie streng es ausgelegt wird, welche Symbole als Verletzung angesehen werden können.

Das Ende der "Vergina-Sonne"

Darüber hinaus sieht das Abkommen vor, dass die legendäre "Vergina-Sonne" nicht mehr offiziell genutzt werden soll; ein Ausschuss wird zudem Schulbücher, historische Dokumente und Karten in beiden Ländern überprüfen. Inhalte, die als "irredentistisch" gelten oder die Wiederherstellung der Republik Mazedonien fordern, sollen entfernt werden.

Die "Vergina-Sonne" wird von allen offiziellen Dokumenten oder Gegenständen entferntBild: picture-alliance/dpa/M. Antonov

Das ist ein Problem für Trenevski. Als ehemaliger Journalist und Autor mehrerer historischer Bücher glaubt er, dass das in der Grenzregion um Prespa ausgehandelte Abkommen mit seinen Veränderungen große Teile der Vergangenheit seines Landes auslöscht. "Ich habe eine Karte aus dem frühen 17. Jahrhundert an der Wand", erklärt er. "Da steht Mazedonien! Aber in den neuen Ausgaben der Geschichtsbücher soll es etwas anderes sein."

Er bezieht sich auf den Teil der Prespa-Vereinbarung, der besagt, dass ein gemeinsamer Ausschuss von interdisziplinären Experten Lehrbücher, Lehrbücher, Atlanten und andere offizielle Dokumente prüfen wird, um herauszufinden, was geändert werden sollte. Skopje hatte sich bereits bereit erklärt, die von 1992 bis 1995 verwendete Flagge zu ändern, weil Athen darauf bestand, dass das darin enthaltene Vergina-Sonnensymbol griechisch sei.

Ein hoher Preis für Prespa

Trenevski glaubt, dass der Preis für Prespa zu hoch war. "Wir hätten ein besseres Geschäft machen sollen", betont er.

"Vielleicht bin ich pragmatischer", sagte Poposka. Es sei ihr unmissverständlich klar gemacht worden, dass sich die Beziehungen zu Griechenland verschlechtert hätten, wenn ihre Regierung dieses Abkommen abgelehnt hätte. Sie sagt, dass jeder in der internationalen Gemeinschaft Skopje helfen wollte - aber nur, wenn es sich selbst hilft. "Der Preis ist hoch", stimmt sie zu, "aber wir müssen damit leben."

Das Entgegenkommen wurde belohnt. Das Abkommen öffnete die verschlossene Tür zur NATO, für deren Öffnung Trenevski selbst jahrelang in Brüssel gekämpft hatte. Jetzt hoffen die Nord-Mazedonien, vor allem die jüngere Generationen, dass auch die Europäische Union die Arme öffnet und dem Land einen reibungslosen Weg zur Mitgliedschaft ebnet.

Reisepass in die Vergangenheit

Die Tochter von Poposka und Trenevski ist mit ihrem kanadischen Ehemann kürzlich nach Nord-Mazedonien zurückgekehrt und hat dort ein Kind bekommen. Galena Cunningham sagt, sie betrachte die Situation mit gemischten Gefühlen.

Als das ausgehandelte Abkommen beschlossene Sache war und die Namensänderung unmittelbar bevorstand, beeilten sich die Cunninghams, den Pass für ihre Tochter Sophia zu beantragen. Darin sollte "Republik Mazedonien" stehen und nicht "Nord-Mazedonien". "Rein gefühlsmäßig wollte ich wirklich, dass zumindest in ihrem ersten Pass 'Republik Mazedonien' steht", sagte Cunningham. "Es ist okay, dass ihr nächster Pass aus Nord-Mazedonien sein wird, aber das bedeutet mir viel."

Für viele ein emotional bedeutendes Dokument: ein Reisepass der "Republik Mazedonien"Bild: DW/T. Schultz

Gleichzeitig räumte sie ein, dass es keinen anderen Weg gebe, vom bisherigen Kurs Nord-Mazedonien abzuweichen. "Das war der einzige Schritt nach vorne", sagt sie. "Wir werden nicht auf magische Weise so werden wie die westlichen Länder, aber es bringt uns einen Schritt näher." Nach dem letzten Treffen mit Nord-Mazedoniens Regierung sagte EU-Außenministerin Federica Mogherini, es sei nach wie vor der Wunsch - und Plan - der EU, in diesem Jahr Verhandlungen mit Skopje aufzunehmen.

Cunningham glaubt zwar, dass auch in Zukunft sich immer noch einige Leute über die Änderungen bei Schildern, Denkmälern und in Lehrbüchern ärgern werden, aber das wird eine Minderheit sein. "Die Namensänderung war das größte Problem der Menschen", sagt sie. "Aber da das so gut akzeptiert wurde, denke ich, dass alles gut wird."

Außer vielleicht im Haus ihrer Eltern, wo ihr Vater weiterhin über die Bedingungen von Prespa klagt. "Wenn ich um meine Geburtsurkunde bitte, wird es heißen, dass ich in Nord-Mazedonien geboren wurde, was nicht der Fall ist", beklagte TrenevskI. "Ich bin in der Republik Mazedonien geboren."

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