1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Nord Stream 2 - eine sterbende Pipeline?

21. November 2020

Donald Trump und Joe Biden haben wenig gemeinsam. Doch das deutsch-russische Ostsee-Pipeline-Projekt ist den USA parteiübergreifend ein Dorn im Auge. So wird der Sanktionsdruck auf beteiligte Firmen derzeit erhöht.

Deutschland Mukran | Rohre für Nord Stream 2 Pipeline (Imago Images/D. Sattler)
Rohre für die Erdgas-Pipeline lagern im Fährhafen Sassnitz-Mukran Bild: Imago Images/D. Sattler

"Diese Pipeline findet nicht statt", stellte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter in Washington im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) klar. "So sieht eine sterbende Pipeline aus." Nach seinen Worten hat die Regierung mehrere Unternehmen und Personen identifiziert, denen nach dem Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2 erste Strafmaßnahmen drohten.

Die Betroffenen - so schilderte er weiter - würden derzeit kontaktiert und über die sich abzeichnenden Sanktionen informiert. "Die USA wollen keine Strafmaßnahmen gegen europäische Unternehmen verhängen müssen. Wir machen diese Anrufe, um sie zu warnen und ihnen Zeit zum Aussteigen zu geben", erklärte der Regierungsvertreter. Er nannte Nord Stream 2 "ein geopolitisches Projekt, das Russland dazu nutzen wird, europäische Länder zu erpressen".

Von Moskau abhängig?

Sowohl die Republikaner des Noch-Staatschefs Donald Trump als auch viele Demokraten des gewählten Präsidenten Joe Biden argumentieren, dass sich Deutschland mit der Erdgas-Pipeline in Abhängigkeit von Moskau begeben würde. Der US-Kongress hatte im vergangenen Dezember das "Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit" (Peesa) mit parteiübergreifender Unterstützung verabschiedet. Trotz scharfer Kritik aus Deutschland und Russland setzte Trump das Gesetz am 20. Dezember in Kraft.

Die Sanktionen zielen auf die Betreiberfirmen der Spezialschiffe ab, die die Rohre für die Pipeline verlegen. Durch Peesa wurde der Bau zunächst gestoppt. Die Schweizer Firma Allseas, die mit Spezialschiffen Rohre in der Ostsee verlegte, stellte die Arbeiten wegen der drohenden US-Sanktionen Ende vergangenen Jahres ein.

Damals waren nach Angaben des Betreiberkonsortiums von Nord Stream 2 bereits 2300 der rund 2460 Kilometer langen Gasleitung von Russland nach Deutschland verlegt.

Noch keine Sanktionen verhängt

Bislang wurden noch keine US-Strafmaßnahmen verhängt. Im August drohten allerdings drei amerikanische Senatoren unverhohlen in einem Schreiben den Betreibern des Ostseehafens Sassnitz-Mukran auf der Insel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) mit schweren Sanktionen. Dort ankert das russische Verlegeschiff "Akademik Tscherski", das die Arbeiten abschließen soll.

Showdown in Sassnitz

04:58

This browser does not support the video element.

Im Oktober legte Washington noch einmal nach. Laut einer vom US-Außenministerium veröffentlichten Richtlinie muss jetzt auch derjenige mit Strafen rechnen, der durch Bereitstellung von Finanzmitteln, Material oder Räumlichkeiten dazu beiträgt, die Verlegungsschiffe auszurüsten.

Ein Sprecher von Nord Stream 2 bekräftigte, die Anteilseigner und die fünf Finanzinvestoren stünden ebenso wie die Zulieferer zu dem Projekt. Die Kosten durch Verzögerungen und Sanktionsdrohungen seien derzeit nicht bezifferbar. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Herbst betont, die Arbeiten notfalls eigenständig zu Ende zu bringen - unabhängig von ausländischen Partnern.

Bei der Nord Stream 2 AG mit Sitz im schweizerischen Zug ist der russische Konzern Gazprom formal einziger Anteilseigner. Dazu kommen als Finanzpartner die deutschen Konzerne Wintershall Dea - ein Gemeinschaftsunternehmen von BASF und LetterOne - und Uniper (eine Abspaltung von Eon) sowie die niederländisch-britische Shell, Engie (einst GDF Suez) aus Frankreich und OMV aus Österreich.

Nord-Stream-Aufsichtsratschef ist Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), bei Nord Stream 2 ist er Präsident des Verwaltungsrats.

Uniper stellte "mit Bedauern fest, dass die USA weiterhin versuchen, ein wichtiges Infrastrukturprojekt zu untergraben, das unserer Meinung nach für die Energiesicherheit Europas notwendig ist". Dies sei ein klarer Eingriff in die europäische Souveränität.

Uniper-Chef Andreas Schierenbeck gab sich vor wenigen Tagen vor Journalisten zuversichtlich, dass die Pipeline auch fertig gebaut wird. Er wies darauf hin: "Es fehlen ja nur noch wenige Kilometer."

Wintershall Dea hat nach eigenen Angaben noch keine Warnung seitens der US-Regierung erhalten.

Der US-Regierungsvertreter betonte, Befürworter von Nord Stream 2 sollten sich keine Hoffnungen auf einen Regierungswechsel in Washington machen. "Die Sanktionen werden unabhängig davon umgesetzt, wer im Oval Office sitzt."

Das russische Verlegeschiff "Akademik Tscherski" wartet in Sassnitz auf Rügen auf seinen Einsatz Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

"Europas Energieversorgung entscheidet sich nicht in den USA"

Dessen ungeachtet will die deutsche Politik nicht klein beigeben. "Die Kraftmeierei und Sanktionsdrohungen von US-Regierungsvertretern sind im Ton und in der Sache vollkommen unangemessen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post. "Über Deutschlands und Europas Energieversorgung wird nicht in Washington und auch nicht in Moskau entschieden, sondern in Berlin und Brüssel." Wichtig sei nun, möglichst frühzeitig mit der neuen US-Administration den Austausch zu suchen, um eine weitere Eskalation abzuwenden.

Am 20. Januar wird der neue US-Präsident vereidigt. Allerdings steht auch Joe Biden dem Projekt mehr als kritisch gegenüber. Bereits als US-Vizepräsident unter Barack Obama nannte er die Pipeline "einen fundamental schlechten Deal für Europa".

se/uh (dpa, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen