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Politik

Nord Stream 2: Russlands politische Waffe?

Rahel Klein
21. Februar 2018

Gegen die geplante Gaspipeline Nord Stream 2 regt sich parteiübergreifend immer mehr Widerstand. Europa- und Bundestagsabgeordnete wollen die Trasse verhindern. Fragen und Antworten zu einem höchst umstrittenen Projekt.

Erdgas - Rohre für Nord Stream 2
Bild: picture alliance/dpa/J. Büttner

Bis Ende 2019 will der russische Gazprom-Konzern die Gaspipeline Nord Stream 2 fertiggestellt haben. Parallel zur schon 2011 eröffneten Pipeline Nord Stream soll die Trasse Erdgas von Russland über die Ostsee direkt nach Deutschland leiten.

Wer steht hinter dem jüngsten Widerstand?

Sieben Europa- und Bundestagsabgeordnete von CDU, CSU, FDP und Grünen, darunter Elmar Brok (CDU) und Manfred Weber (CSU). In einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) haben sie die Bundesregierung am Dienstag aufgefordert, "Farbe zu bekennen". Sie schreiben, Nord Stream 2 spalte die EU politisch. "Europäische Energiepolitik und Solidarität mit unseren Nachbarn sprechen gegen die Nord Stream 2", heißt es.

Der Aufruf soll die Gegner des Projektes mobilisieren. "Wir hoffen, dass es nochmal eine breite Diskussion in Deutschland und in anderen europäischen Ländern gibt", so Mitautor Brok zur DW.

Wieso könnte die Pipeline Europa spalten?

Die Pipeline würde Deutschlands Macht auf dem Erdgasmarkt stärken. Vor allem Länder aus Osteuropa fürchten den Wegfall von Transitgebühren und Einbußen in Milliardenhöhe, wenn die bestehenden Pipelines in ihren Ländern weniger genutzt würden. Außerdem fürchten viele Länder eine wachsende Abhängigkeit von russischem Gas. Dass Deutschland den Bau der Pipeline trotz der Bedenken seiner europäischen Partner vorantreibt, stößt vielen daher bitter auf.

Auch die EU hat Bedenken: Sie sieht die angestrebte Energieunion gefährdet. Die soll eine einseitige Abhängigkeit von russischem Gas eigentlich verhindern, vielfältige Lieferwege vorsehen und die Versorgungssicherheit gewährleisten.

Wie lautet die offizielle deutsche Position zu der Pipeline?

Die Bundesregierung verteidigt die geplante Ostseepipeline. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich in der Vergangenheit immer wieder für das Projekt ausgesprochen und Russland als zuverlässigen Energielieferanten verteidigt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte erst am vergangenen Freitag erklärt, Nord Stream 2 sei ein rein wirtschaftliches Projekt und eine unternehmerische Entscheidung.

Welche deutschen Stimmen gibt es zu Nord Stream 2 sonst?

Viele Politiker widersprechen Merkel und betonen die durchaus vorhandene politische Komponente. "Energie ist auch immer eine politische Waffe gewesen. Das hat Putin selbst zum Ausdruck gebracht", sagt Elmar Brok. "Deswegen ist diese Trennung von Politik und Wirtschaft hier höchst gefährlich."

Elmar Brok stimmt nicht immer mit der Kanzlerin übereinBild: Imago

Die deutsch-russischen Beziehungen sind derzeit schlecht, unter anderem wegen der Ukrainekrise, aber auch wegen Russlands Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Kritiker fordern deshalb, die Beziehungen zu Russland vorerst nicht auszubauen. Deutschland könnte sich politisch und ökonomisch erpressbar machen, so die Befürchtungen.

Die Grünen lehnen die Pipeline auch aus Umweltaspekten ab. Sie sagen, eine weitere Gaspipeline könnte die Nutzung fossiler Brennstoffe zementieren.

Welche konkreten Vorbehalte gibt es im Ausland?

Zu den aktivsten Gegnern gehören Polen, die baltischen Staaten, die Slowakei und die Ukraine. Einige Länder sehen ihre Sicherheitsinteressen bedroht, andere fürchten zudem wirtschaftliche Nachteile.

Durch die zusätzliche direkte Verbindung nach Deutschland könnten bestehende Gaspipelines durch Polen, die Slowakei oder die Ukraine zunehmend umgangen und damit überflüssig werden. Mit Nord Stream 2 könnte doppelt so viel Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland geleitet werden wie bisher. Polen hat seit 2015 außerdem ein eigenes Flüssiggas-Terminal und kein Interesse an noch mehr preiswertem russischem Gas auf dem europäischen Markt.

Vorhandene Gasleitungen in Europa (hellblau) könnten durch Nord Stream 2 an Bedeutung verlieren

Befürchtet wird außerdem eine weitere Destabilisierung der Ukraine. Russlands Präsident Waldimir Putin hat in der Vergangenheit angekündigt, die Ukraine bewusst umgehen zu wollen. Zwei Milliarden Euro an Durchleitegebühren könnte die Ukraine dadurch verlieren. Andriy Kobolev, Vorstandsvorsitzender des ukrainischen Gaskonzerns Naftogaz, fürchtet sogar eine umfassende russische Militäroperation gegen die Ukraine, sobald kein russisches Gas mehr durch das Land fließt.

Auch die USA sind gegen die Pipeline - das betonte zuletzt Außenminister Rex Tillerson. Auch sie fürchten, Russland könnte die Gaslieferungen als Druckmittel nutzen. Außerdem wollen die USA ihr Flüssiggas zunehmen auf dem europäischen Markt verkaufen.

Braucht es überhaupt eine weitere Ostseepipeline?

Dazu gibt es verschiedene Meinungen. Die Bundesregierung betont, die Pipeline erhöhe die Versorgungssicherheit in Europa. Kirsten Westphal, Energieanalystin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, sagt: "Das Projekt macht von der energiewirtschaftlichen Seite aus sehr viel Sinn." Denn die Fördermengen innerhalb der EU würden weiter schrumpfen, außerdem lägen Russlands neue Gasfelder weiter im Norden. Die kurze Verbindung nach Deutschland sei also nachvollziehbar, so die Energieexpertin.

Gegner wie Brok sehen das anders. "Es gibt keine ökonomische Notwendigkeit für Nord Stream 2", so der CDU-Politiker. Brok plädiert dafür, die bestehenden Pipelines zu nutzen, andere Gasquellen auszubauen oder auf amerikanisches Flüssiggas zu setzen.

Kann Nord Stream 2 noch verhindert werden?

Theoretisch ja. Die Pipeline soll durch die Gewässer von Russland, Finnland und Schweden, vorbei an der dänischen Insel Bornholm nach Deutschland verlaufen. Jedes Land muss Genehmigungen erteilen. In Deutschland wurden erste Teilgenehmigungen erteilt. Dänemark hatte zuletzt Widerstand angekündigt; ob hier das Go erfolgt, ist fraglich. Auch die EU-Kommission versucht noch, mit einer Änderung der Gasrichtlinie Einfluss auf das Projekt zu nehmen. Und bei den USA könnten die Russland-Sanktionen europäische Unternehmen treffen, die den Bau mitfinanzieren.

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