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Politik

Spielt Nordkorea auf Zeit?

19. September 2018

Nordkorea hat zugesagt, sein Nuklearprogramm herunterzufahren und möchte sich dem Süden wieder annähern. Experten sind allerdings skeptisch, ob die großen Versprechen zu einem echten Wandel führen werden.

Nordkorea Moon trifft zu drittem Korea-Gipfel in Pjöngjang ein
Bild: Reuters/Pyeongyang Press Corps

Kim Jong Un hat in Pjöngjang den roten Teppich für den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In ausgerollt. Die beiden Staatschefs der koreanischen Halbinsel trafen sich bereits zum dritten Mal - und es wirkte tatsächlich so, als gebe es Fortschritte in der Denuklearisierung des Nordens. Doch trotz aller positiven Zeichen glauben Experten, dass Kim sein Nuklearprogramm nicht aufgeben wird. Für ihn ist es ein wichtiges Mittel der Abschreckung - und entscheidend für das Überleben seines Regimes.

Moon kam am Dienstagmorgen in Pjöngjang an. Der erste Tag des Gipfels, auf den erneut die ganze Welt blickte, bestand hauptsächlich aus symbolischen Gesten der Freundschaft und der innerkoreanischen Verbundenheit. Kim empfing Moon am Flughafen der nordkoreanischen Hauptstadt. Anschließend fuhren die beiden Männer in einem offenen Mercedes durch die Stadt, vorbei an Tausenden jubelnden Nordkoreanern, die den Staatschefs mit Plastikblumen zuwinkten. Moon und Kim sollen ein zweistündiges Vorgespräch geführt haben. Berichten zufolge sagte Kim seinem Gast, er erwarte Fortschritte in den nächsten Gesprächen mit den USA.

Dritter Gipfel zwischen Moon und Kim: Durch die jubelnde Menge von PjöngjangBild: Getty Images/Pyeongyang Press Corps

"Vertrauen und Freundschaft"

Südkoreas Präsident Moon sprach von "Vertrauen und Freundschaft", die zwischen Kim und ihm entstanden seien. Beide würden sich für eine Zukunft einsetzen, "die niemand zuvor erlebt hat", sagte Moon. In einer gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Ende der Gespräche verkündeten Moon und Kim eine Reihe von Vereinbarungen. Darunter auch, so erklärte Kim, "entscheidende Schritte" zur Denuklearisierung Nordkoreas - die Voraussetzung für US-Präsident Trump, um internationale Sanktionen gegen Kims Regime aufzuheben.

Kim hat zugestimmt, eine Anlage für Raketentests in Dongchang Ri "dauerhaft" stillzulegen. Internationale Beobachter sollen überprüfen, ob Kim sein Versprechen einhält. In den Gesprächen einigten sich die beiden Staatschefs aber auch darauf, alle nuklearen Waffen auf der koreanischen Halbinsel loszuwerden. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es darüber hinaus, der Norden werde "zusätzliche Schritte unternehmen, wie zum Beispiel die Stilllegung des Atomkraftwerks Yongbyon, sollten auch die USA entsprechend reagieren."

In einer Reihe von Tweets antwortete US-Präsident Donald Trump positiv auf die Vereinbarungen von Pjöngjang. Auch der Vorschlag, dass Nord- und Südkorea 2032 gemeinsam die Olympischen Spiele austragen könnten, schien ihm zu gefallen.

In Südkorea wurden die Ergebnisse des Treffens ebenfalls positiv aufgenommen. Viele werteten sie als echten Fortschritt in der Denuklearisierung der Halbinsel. Dennoch bleiben Analysten skeptisch, ob Kim Jong Un wirklich seine ultimative militärische Abschreckung, sein Atomprogramm, aufgeben wird. Der Aufstieg Nordkoreas zu einer Atommacht hat schließlich viel Zeit und Ressourcen in Anspruch genommen.

Im Juni trafen sich Kim Jong Un und Donald Trump zu einem historischen Gipfel in SingapurBild: picture-alliance/AP Images/E. Vucci

Kim ist schwer zu glauben

"Natürlich haben wir noch Bedenken", sagt Ahn Yinhay, Professorin für Internationale Beziehungen an der Korea University in Seoul. "Moon hat viel Zeit und Arbeit in die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Norden und humanitäre Themen gesteckt. Aber die USA möchten alles über Nordkoreas Atomwaffen wissen, also auch, welche es sind und wo sie gelagert werden."

Ahns Kontaktpersonen in den USA hätten ihr erzählt, dass Washington die Sanktionen nicht zurücknehmen werde, bis die Regierung sicher ist, dass Nordkorea keine Atomwaffen mehr besitzt. Kims Versprechen würden die USA nicht dazu bewegen, die Sanktionen zu lockern. "Niemand in Südkorea möchte Krieg, aber das alles bleibt trotzdem in den Köpfen der Menschen hier", erklärt Ahn. "80 Prozent der Menschen im Süden glauben nicht, dass Kim seine Atomwaffen komplett überprüfbar und unwiederbringlich beseitigen wird." Sie würden es gerne glauben, aber sie tun es nicht, fügt die Professorin hinzu.

Garren Mulloy, Dozent für internationale Beziehungen an der Daito Bunkyo Universität in Japan, stimmt zu, dass Kim zu viel zu verlieren hätte, wenn er sein Atomprogramm aufgebe. "Kims einziges Ziel ist es, zu überleben. Er braucht nicht einmal die Nation hinter sich, solange sein Regime überlebt", sagt Mulloy der DW. Ein Teil von Kims Strategie sei es, Zwietracht zwischen seinen Feinden zu sähen, um Sanktionen abzuschwächen, die eigentlich Nordkorea isolieren sollen.

Verfolgen Südkorea und die USA dieselbe Strategie? Bei einem Treffen zwischen Moon und Trump im Mai schien es noch soBild: Getty Images/AFP/S. Loeb

Sicherheitsgarantie unwahrscheinlich

"Der einzige denkbare Weg, dass Kim seine Waffen aufgeben könnte, wäre eine Sicherheitsgarantie dafür, dass er nicht gestürzt wird", sagt Mulloy, fügt aber hinzu, dass Kim wahrscheinlich keinen Versprechen zu seiner Sicherheit trauen würde. "Da der US-Präsident wechselt, werden Versprechen der letzten Regierung nicht unbedingt von der nächsten übernommen", erklärte er. Kim wisse das und sogar eine Garantie, die von den Vereinten Nationen oder China mitgetragen würde, wäre wohl nicht genug, um ihn zu überzeugen. "Darum bin ich so pessimistisch, was eine Denuklearisierung angeht."

Ein anderes Szenario wäre, laut Ahn Yinhay, dass Nord- und Südkorea ihre Beziehungen so sehr verbessern, dass der Süden Abstand von den USA nimmt - mit eventuell schlimmeren Folgen. "Südkorea und die USA scheinen im Moment verschiedene Richtungen einzuschlagen", so Ahn. "Meine Intuition sagt mir, dass Kim seine Atomwaffen nicht aufgeben wird, was die Beziehungen zwischen Südkorea und den USA belasten würde."

"Meine Befürchtung ist, dass Südkorea und die USA an einen Punkt kommen werden, an dem sie sich gegenseitig ignorieren", erklärt Ahn. Wenn die USA entscheiden würden, dass nur eine militärische Lösung Kim zur Denuklearisierung zwingt, würde die Regierung Südkorea nicht mehr informieren. "Aus Angst, sie könnten es dem Norden verraten", meint Ahn. In der Vergangenheit sei es immer um das mangelnde Vertrauen zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt gegangen. "Die größere Gefahr ist jetzt aber das fehlende Vertrauen zwischen Südkorea und den USA."

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