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PolitikEuropa

Nordeuropas erfolgreiche Sozialdemokraten

Marina Strauß
14. September 2021

In Norwegen gewinnt die Arbeiterpartei die Parlamentswahl. Und reiht sich damit ein in die Erfolge der Sozialdemokraten in Europas Norden. Warum sie ausgerechnet dort so stark sind und was trotzdem besser laufen könnte.

Norwegen Parlamentswahl | Jonas Store von der Arbeiterpartei
Bild: Javad Parsa/NTB/AP/picture alliance

Norwegen: Die Machtrückkehrer

In Norwegen feiern die Sozialdemokraten gerade, dass sie bei der Parlamentswahl mit rund 26 Prozent die meisten Stimmen erlangen konnten.

Es ist damit wahrscheinlich, dass der Vorsitzende der Arbeiterpartei, der 61-jährige Jonas Gahr Støre, die konservative Ministerpräsidentin ablösen und sein Land bald mit einem Mitte-links-Bündnis regieren wird. Damit stünde der Norden Europas - mit Dänemark, Finnland und Schweden - unter der Ägide der Sozialdemokratie.

Was auf den ersten Blick wie ein großer Erfolg aussieht, betrachtet Peter Egge Langsæther, politikwissenschaftlicher Forscher an der Universität Oslo, nüchterner:

"Es ist ein Sieg, aber kein großer Sieg. Es wäre eher ein Desaster gewesen, wäre die größte Oppositionspartei nicht wieder an die Macht gekommen nach acht Jahren." In Norwegen sei es sehr unüblich, dass sich eine Partei länger als zwei Wahlperioden an der Spitze halte, fügt Langsæther hinzu.

Tatsächlich haben die Sozialdemokraten sogar einen Prozentpunkt eingebüßt im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren. Und dennoch ist klar, dass eine sozialdemokratisch geführte Regierung Norwegen auf einen anderen Weg führen könnte - das einzige skandinavische Land, welches im Vergleich zu den in diesem Text erwähnten Nachbarn nicht der Europäischen Union angehört.

Im Wahlkampf spielte etwa der Klimaschutz eine zentrale Rolle. In Norwegen, das mit Öl und Gas reich wurde, geht es dabei vor allem um die Zukunft dieser Industrien. Da die Arbeiterpartei traditionell eng mit den Gewerkschaften der Branche verbandelt ist, ist es keine Überraschung, dass ihr Chef Jonas Gahr Støre sich ausdrücklich nicht als Öl-Gegner bezeichnet.

Einer der möglichen Koalitionspartner, die Sozialistische Linkspartei, könnte die Sozialdemokraten bei diesem Thema allerdings gehörig unter Druck setzen. Und auch wenn die Arbeiterpartei sich nicht dagegen stemme, neue Ölfelder zu erschließen, sei sie auf anderen Feldern klimafreundlicher unterwegs, forderte zum Beispiel eine höhere CO2-Steuer, sagt Politikwissenschaftler Peter Egge Langsæther von der Uni Oslo. Er hält die Debatte um den Klimaschutz für die, die wahrscheinlich die größten Konflikte birgt für die nächste Regierung seines Landes.

Schweden: Die wankende Traditionspartei

In Schweden ist der Sozialdemokrat Stefan Löfven seit 2014 Ministerpräsident. "Die Tatsache, dass in allen nordischen Ländern Sozialdemokraten an der Macht sind, zeigt, dass die Sozialdemokratie nicht tot ist", so Langsæther. Doch obwohl sie in Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland die stärkste linke Kraft darstellten, seien sie schwächer als früher. "Das trifft vor allem auf die schwedischen und die norwegischen Sozialdemokraten zu".

Ein Grund dafür ist laut Langsæther, dass die Linke fragmentierter sei. Es sei schwieriger geworden, große Gruppen hinter einer Partei zu versammeln. In der Wählerschaft der Sozialdemokraten etwa drifteten die Meinungen auseinander, was Klima- und Migrationspolitik angehe.

Stefan Löfven: Macht bald Platz für einen Nachfolger oder eine NachfolgerinBild: STINA STJERNKVIST/TT/AFP

Der Erfolg der Sozialdemokratie in Schweden hängt maßgeblich damit zusammen, dass die "Socialdemokraterna" seit einem Jahrhundert die dominierende Partei des Landes ist und ganz entscheidend das Bild von einem Wohlfahrtsstaat geprägt hat, der sich um seine Bürgerinnen und Bürger kümmert. Schweden unterscheidet sich dahingehend deutlich von anderen europäischen Ländern, deren sozialdemokratische Parteien in den vergangenen Jahren von Umfragetief zu Umfragetief wankten.

Dennoch war die Regierung des 64-jährigen Stefan Löfven in letzter Zeit stark in die Kritik geraten. Im Sommer stürzte sie über ein Misstrauensvotum zur Liberalisierung des Mietmarktes. Inzwischen hat Löfven für den Herbst seinen endgültigen Rücktritt angekündigt.

Dänemark: Die Migrationsskeptiker

"Als wirklich neue Erfahrung" bezeichnet Lykke Friis, Co-Vorsitzende des Thinktanks European Council on Foreign Affairs und Direktorin der dänischen Denkfabrik Europa, die Machtübernahme der derzeitigen dänischen Premierministerin Mette Fredriksen im Jahr 2019.

Mette Frederiksen hat für ihre dänischen Sozialdemokraten einen Weg gewählt, den europäische Parteifreunde hart kritisierenBild: picture-alliance/Ritzau Scanpix/L. Sabroe

Die Besonderheit bei den "Socialdemokraterne" ist, dass sie sich bewusst entschieden haben in der Migrationspolitik nach rechts zu rücken, um der rechtspopulistischen "Dänischen Volkspartei" Stimmen abzujagen. "Das war eine klare strategische Entscheidung", sagt Lykke Friis.

Im Gegensatz dazu stünde die Partei der 43-Jährigen Fredriksen für eine linkere Wirtschaftspolitik und für Klimaschutz, erklärt Peter Egge Langsæther. "Der dänische Fall ist eine Art Labor", sagt er. Überall in Europa hätten Sozialdemokraten Schwierigkeiten, sich zu positionieren, wenn es um das Thema Migration geht. "Mit der Zeit wird sich zeigen, ob der dänische Weg erfolgreich ist oder letztendlich scheitern wird."

Finnland: Die Pragmatiker

Als die 1985 geborene Sanna Marin 2019 Premierministerin in Finnland wurde, ging ein Bild um die Welt: Die jüngste amtierende Regierungschefin der Welt, umringt von drei anderen jungen Frauen, die den Parteien vorstehen, mit denen ihre Sozialdemokraten koalieren.

Finnlands Premierministerin Sanna Marina (2.v.r.) im Dezember 2019Bild: picture-alliance/dpa/Lehtikuva/V. Moilanen

Für viele Beobachter und Kommentatorinnen war dies schon vor allem deswegen erfrischend und neu, weil es mit der traditionellen Vorstellung vom männlichen Politiker im schwarzen Anzug brach.

Doch hinter dem Foto verbirgt sich noch ein anderes Rezept, das die finnischen Sozialdemokraten auszeichnet: ihr Pragmatismus, ihr Wille, mit Parteien unterschiedlichster Ausrichtung zusammenzuarbeiten. "Das ist wahrscheinlich ihre Erfolgsformel", sagt Dag Einar Thorsen, Politikwissenschaftler an der University of South-Eastern Norway.

In Finnland sei die politische Landschaft - schon alleine historisch gesehen - anders, so Dag Einar Thorsen. Während es in den anderen nordischen Länder eher die traditionelle Rechts-Links-Aufteilung gebe, formten in Finnland seit jeher viele verschiedene Parteien große Koalitionen.

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