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Nordkorea: Auftakt einer Säuberungswelle?

Esther Felden13. Dezember 2013

Erst vor wenigen Tagen wurde er entmachtet, jetzt wurde kurzer Prozess gemacht: Wie die nordkoreanischen Staatsmedien melden, wurde der einst mächtige Onkel von Diktator Kim Jong Un exekutiert. Vorwurf: Hochverrat.

Porträt des hingerichteten Kim-Onkels Jang Song Thaek (Foto: REUTERS/KCNA)
Bild: Reuters

Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA geizte wie üblich nicht mit deutlichen Worten, gab sich rhetorisch kriegerisch, als sie in der Nacht auf Freitag (13.12.2013) den Tod Jang Song Thaeks bekannt gab: Dieser sei "verabscheuungswürdiger menschlicher Abschaum", er sei "schlimmer als ein Hund", habe sein "wahres Gesicht als schlimmster Verräter aller Zeiten" gezeigt. Außerdem werden ihm "unangemessene Beziehungen zu mehreren Frauen", Drogenkonsum und "kapitalistischer Lebensstil" vorgeworfen. Er habe zugegeben, einen Umsturz geplant zu haben. Am Donnerstag wurde die ehemalige Nummer Zwei im nordkoreanischen Machtgefüge von einem Militärtribunal zum Tode verurteilt, das Urteil wurde umgehend vollstreckt.

Schon seit mehreren Tagen hatte es Gerüchte in diese Richtung gegeben. So hatte der von nordkoreanischen Flüchtlingen in Südkorea betriebene Radiosender "Free North Korea" bereits Mitte der Woche gemeldet, Jang und mehrere seiner Gefolgsleute seien hingerichtet worden. Anfang der Woche hatten die nordkoreanischen Medien die Entmachtung des ehemaligen Spitzenfunktionärs gemeldet. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder, auf denen die öffentliche Festnahme Jangs während eines Treffens des Politbüros der herrschenden Arbeiterpartei zu sehen sein soll. Ob die Bilder manipuliert oder echt sind, ist aber nicht klar.

Ausschalten von Widersachern

Die Hinrichtung Jangs wird von Beobachtern als stärkste Erschütterung im nordkoreanischen Machtgefüge seit dem Tod Kim Jong Ils vor zwei Jahren angesehen. Aus Sicht von Eric Ballbach, Nordkorea-Experte an der Freien Universität Berlin, ist dabei vor allem das Wie entscheidend. "Politische Säuberungen haben wir in Nordkorea in der Vergangenheit immer wieder beobachtet, das ist leider Bestandteil eines totalitären Regimes. Aber was mich überrascht hat, war die Art und Weise, wie öffentlich das Ganze geschehen ist", so Ballbach gegenüber der Deutschen Welle. So etwas habe es in diesem Ausmaß noch nicht gegeben.

Unmittelbar nach dem Gerichtsurteil wurde Jang hingerichtetBild: Reuters

Auffällig ist seiner Meinung nach die Wortwahl der nordkoreanischen Medien, die Jang Song Thaek Fraktionenbildung unterstellen. "Das ist für nordkoreanische Verhältnisse ungewöhnlich, weil man damit dem üblichen Gerede einer einheitlichen und nicht antastbaren Führung widerspricht." Das Regime gebe also zu, dass innerhalb des Regimes Fraktionen existieren, die sich gegen Kim Jong Un gestellt hätten.

Diese Auffassung teilt auch Cai Jian, Direktor des Korea-Forschungsinstituts an der Fudan-Universität in Shanghai. "Auch in Nordkorea gibt es innerhalb der Führung diverse Meinungen und 'oppositionelle Gruppen', was die Entwicklung des Landes betrifft", so Jian im Gespräch mit der DW. "Wahrscheinlich hat Jang Song Thaek die Meinung vertreten, dass die Politik von Kim Jong Un das Land in den Abgrund führte."

Bei der Beerdigung Kim Jong Ils eskortierte Jang Song Thaek den Wagen mit dem Sarg des Verstorbenen - ging direkt hinter Kim Jong UnBild: picture-alliance/dpa/KCNA

Vom Vertrauten zum Todfeind

Lange Zeit galt Jang Song Thaek als eigentlicher Strippenzieher im Staatsapparat, als graue Eminenz des Regimes mit engsten Verbindungen zur Kim-Familie. Der 67-jährige war nicht nur verheiratet mit Kim Kyong Hui, der Schwester von Ex-Diktator Kim Jong Il. Er galt außerdem als Mentor des noch jungen Sohnes und jetzigen Machthabers Kim Jong Un, war maßgeblich daran beteiligt, den jungen und politisch unerfahrenen Nachfolger nach dem Tod des Vaters Ende 2011 aufzubauen.

Außerdem war er Vizevorsitzender der mächtigen Verteidigungskommission und führte für Pjöngjang die Verhandlungen mit dem großen Verbündeten China. "Die Hinrichtung wird große Auswirkungen auf das bilaterale Verhältnis zwischen China und Nordkorea haben", erklärt Cai Jian von der Shanghaier Fudan-Universität. Jang Song Thaek habe für die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder gestanden, mit ihm "hat China einen zuverlässigen Ansprechpartner in Nordkorea verloren".

Weitere Säuberungen zu erwarten?

Bedeutet die Hinrichtung Jang Song Thaeks einen Ausbau der Macht Kim Jong Uns? Diese Frage beschäftigt derzeit die Experten. Eine einfache Antwort gibt es nach Ansicht des Berliner Nordkorea-Experten Eric Ballbach nicht. "Kurzfristig stärkt er seine Position. Der Schritt ist ein Abschreckungsversuch, um potenziellen Widerstandsgruppen ein deutliches Zeichen zu senden. Die Frage ist, ob ihm die Konsolidierung dieser Machtposition mittel- und langfristig gelingt."

Korea-Experte Eric Ballbach im Interviw

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Da Jang Song Thaek eine Person war, die viele Gefolgsleute um sich geschart hatte, geht Ballbach davon aus, dass die Hinrichtung des Kim-Onkels den Auftakt einer Entwicklung darstellt. "Wenn ich eine Einschätzung abgeben sollte, würde ich sagen: Das war der Beginn einer Säuberungsaktion und nicht das Ende."

Reaktionen aus dem Ausland

International werden die jüngsten Entwicklungen in Nordkorea mit Sorge beobachtet. Die Vereinigten Staaten stünden in engem Kontakt mit ihren Verbündeten in der Region, hieß es beispielsweise aus Washington. Das südkoreanische Kabinett kam unterdessen zu einer Sondersitzung zusammen. "Die Regierung ist zutiefst besorgt und beobachtet die Lage genau", so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul. Man werde sich auf "alle Eventualitäten vorbereiten".

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