Nordkorea versteckt den Ukraine-Krieg nicht mehr
26. August 2025
Ungewöhnliche Szenen ereigneten sich kürzlich in Pjöngjang.Kim Jong Un kniete vor den Porträts von 101 nordkoreanischen Soldaten, die im Krieg Russlands gegen die Ukraine fielen. Er heftete Abzeichen an ihre gerahmten Fotos, die an einer Wand hingen, und umarmte weinende Angehörige. Mit den Bildern von der Gedenkzeremonie am 21. August bekräftigte Nordkoreas Regime öffentlich seine Beteiligung an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es nahmen Mitglieder einer Einheit teil, die in der Region Kursk für Russland kämpfte.
Kim würdigte die Gefallenen laut der nordkoreanischen Staatsagentur KCNA als "große Helden und Patrioten" und "Märtyrer". Sein Herz schmerze, weil er die toten Männer nur auf ihren Fotos sehen könne. "Wenn ich vor den Hinterbliebenen der gefallenen Soldaten stehe, weiß ich nicht, wie ich meine Reue und Entschuldigung dafür ausdrücken soll, dass ich ihr kostbares junges Leben nicht schützen konnte", sagte Kim, obwohl er die Männer selbst nach Russland geschickt hatte. Zurückgekehrte Soldaten und Offiziere ehrte er mit Medaillen.
"Kampfausbildung" als Todesursache
Das Regime nutzte die Trauerfeier, um den Einsatz seiner Truppen im fernen Westen Russlands zu rechtfertigen. Diese Soldaten folgten einer Bitte Russlands und trugen zur Freundschaft mit Moskau bei. Kim betonte "die langjährige Allianz mit Russland" auch durch einen Besuch der russischen Botschaft in Pjöngjang. Moskau unterstützte das Regime propagandistisch: Präsident Wladimir Putin lieferte eine Dankeserklärung, die Nordkoreas Staatsmedien veröffentlichten. Schon bei der Militärparade auf dem Roten Platz im Mai hatte Putin einen nordkoreanischen General umarmt, der die Truppen befehligte.
Nordkorea entsandte nach inoffiziellen Angaben aus Südkorea, der Ukraine und den USA bisher 14.000 bis 15.000 Soldaten nach Russland. Es schickte auch Millionen Artilleriegranaten, Dutzende Selbstfahrgeschütze und Hunderte Kurzstreckenraketen. Beide Staaten wollten diese Unterstützung lange nicht bestätigen. Das nordkoreanische Militär hielt selbst die Angehörigen im Dunkeln. In den Sterbeurkunden der Gefallenen stand "Kampfausbildung" als Todesursache.
Doch am 28. April lobte die Parteizeitung Rodong Sinmun plötzlich auf der Titelseite die "Heldentaten" von nordkoreanischen Soldaten in Russland. Zwei Tage zuvor hatte Russlands Generalstabschef Waleri Gerasimow die "bedeutende Hilfe" aus Nordkorea erstmals öffentlich gemacht. Der nächste Schritt erfolgte Ende Juni. Da zeigte das Staatsfernsehen Kim Jong Un, wie er mit ernster Miene die Särge toter Soldaten berührte, die aus Russland überführt wurden.
Bis zu 30.000 Soldaten nach Russland?
Durch die Offenlegung des Militäreinsatzes kann Kim leichter weitere Kontingente nach Russland schicken. Die Bevölkerung ist nun darauf vorbereitet, dass einige Soldaten in Särgen zurückkehren. Laut einem Bericht der russischen Staatsagentur TASS kündigte Ex-Verteidigungsminister Sergei Schoigu bei seinem Besuch in Nordkorea am 17. Juni an, dass Nordkorea weitere 1.000 Pioniere und 5.000 Bausoldaten nach Russland schicken werde. Sie sollen Minen räumen und die zerstörte Infrastruktur in der Region Kursk wiederaufbauen.
Darüber hinaus bereitet Nordkorea laut ukrainischen Geheimdienstquellen gerade die Entsendung von zusätzlichen 25.000 bis 30.000 Soldaten zu Kampfeinsätzen in die Ukraine vor. Jenny Town, Leiterin des Korea-Programms am Stimson Center in Washington, hält diese Schätzung für "hoch". Aber die Zahl könnte erreicht werden, da es sich nicht um Elitesoldaten handele. Doch "10.000 bis 20.000 klingt realistischer", sagte sie dem US-Sender CNN. Die Zahl hänge vom russischen Bedarf ab. Kim werde liefern, da er Putin volle Unterstützung zugesagt habe. Es gebe Gerüchte, dass russische Generäle bereits in Nordkorea seien und dort Truppen ausbildeten, berichtete die Korea-Expertin.
Kims Kasse klingelt
Die Veröffentlichung der Trauerfeier dürfte auch innenpolitische Gründe haben. Selbst in dieser totalitären Diktatur, die sich gegen ungefilterte Informationen abschottet wie kein anderes Land, ließ sich der Einsatz der Soldaten anscheinend nicht mehr verbergen. "Gerüchte über die tatsächliche Zahl der Opfer verbreiteten sich in Nordkorea, die öffentliche Unzufriedenheit wuchs", sagt der Ostasien-Experte Khang Vu an der privaten US-Universität Boston College. Südkoreanische Geheimdienstbeamte schätzten die nordkoreanischen Verluste in Russland auf 600 tote und 4.100 verletzte Soldaten.
Auf diese Unruhe in der Bevölkerung reagierte Kim Ende April mit der Anordnung, in der Hauptstadt ein Denkmal für die getöteten Soldaten zu errichten. "Diese Geste stellt die Soldaten auf die gleiche Stufe wie die Nordkoreaner, die im Zweiten Weltkrieg gegen Japan und im Koreakrieg fielen", betonte Vu. Außerdem gewährte Kim den Familien der gefallenen Soldaten offenbar das Privileg, in die gut versorgte Hauptstadt Pjöngjang umzuziehen, was als Versuch einer Besänftigung gilt.
Angesichts massiver Vorteile kann es sich Führer Kim nämlich nicht leisten, keine Soldaten mehr nach Russland zu schicken. Seine Streitkräfte sammeln wertvolle Kampferfahrung im modernsten Krieg des 21. Jahrhunderts, testen ihre Waffensysteme unter Schlachtfeldbedingungen und erhalten Zugang zu russischen Militärtechnologien. Die Entsendung lässt auch Kims Kasse klingeln: Unbestätigten Informationen des südkoreanischen Geheimdienstes zufolge kassiert das Regime 2.000 Dollar pro Monat für jeden entsandten Soldaten. Zudem verbessert der Machthaber durch die russischen Lieferungen von Ölprodukten und Nahrungsmitteln am UN-Embargo vorbei die Versorgungslage für die Partei- und Militärelite in Pjöngjang.