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Politik

"Nordkorea will nicht wie die DDR sein"

Michael Knigge jc
17. Mai 2018

Pjöngjangs Drohung, das Treffen von Trump und Kim Jong Un abzusagen, hat nicht nur mit Militärmanövern in Südkorea zu tun. Es geht um Augenhöhe, Garantien und US-Sicherheitsberater John Bolton, berichtet Michael Knigge.

Berlin Maueröffnung - Graffiti - Erst Deutschland nun auch Korea
Bild: picture alliance/akg-images/G. Schaefer

Waghalsige politische Manöver im Vorfeld des Gipfels zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Führer Kim Jong Un waren zu erwarten - sowohl aus Washington als auch aus Pjöngjang. Nun aber steht die Drohung Nordkoreas im Raum, den Gipfel zwischen Trump und Kim Jong Un gleich ganz platzen zu lassen. Offiziell protestiert das kommunistische Regime damit gegen gemeinsame Militärübungen der USA mit Südkorea. Hochrangige Versöhnungsgespräche mit Vertretern des Südens, die eigentlich diese Woche stattfinden sollten, fielen auf Betreiben Pjöngjangs bereits aus. 

"USA sollten Gipfel nicht als gesetzt ansehen"

"Wenn die Vereinigten Staaten den Forderungen Nordkoreas nicht nachkommen sollten, kann dieses Gipfeltreffen tatsächlich ausfallen", sagt Han Park im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der ehemalige inoffizielle US-Verhandlungsführer mit Nordkorea arrangierte die Freilassung von zwei inhaftierten amerikanischen Journalisten im Jahr 2009 und ermöglichte 1994 den Besuch des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter in Pjöngjang.

"Es ist keine Überraschung, dass Nordkorea auf diese Übungen reagiert, indem es Trump zeigt, dass die Verhandlungen ein komplexer Prozess sein werden und die Vereinigten Staaten die Teilnahme Nordkoreas nicht als selbstverständlich ansehen sollten", meint Kelsey Davenport, Direktor für Nichtverbreitungspolitik bei der Arms Control Association.

Nordkoreas Blick auf Trumps Iran-Politik   

Nordkoreas Drohung, das Treffen mit Trump abzusagen, kann auch als Antwort auf die Selbstdarstellung des US-Präsidenten gelesen werden. Dass Trump die Annäherung Pjöngjangs seiner Politik des "maximalen Drucks" zuschreibt, gefällt dem Regime dort gar nicht. Die USA sähen "irrigerweise den Großmut und die großzügigen Initiativen der Volksrepublik als Zeichen der Schwäche und verkaufen dies als Produkt von Sanktionen und Druck", erklärte Vize-Außenminister Kim Kye Gwan, ein erfahrener Unterhändler im Atomstreit. 

Jetzt hat Nordkorea mit Trump praktisch gleichgezogen. Statt wie der US-Präsident  aus einem "schlechten Geschäft" - dem von ihm so beschimpfen Atomabkommen mit dem Iran - wieder auszusteigen, macht Kim Jong Un klar, dass er noch nicht einmal zu einem Treffen erscheinen will, welches für ihn ein "schlechtes Geschäft" werden könnte.

Ein Ausstieg Nordkoreas aus seinem Atomprogramm dürfte ein langer Weg sein, sagen Experten Bild: Getty Images/AFP/E. Jones

"Es fehlen Sicherheitsgarantien für Nordkorea"

"Wir brauchen eine realistische Einschätzung Nordkoreas in Bezug auf seine Wünsche und Pläne", sagt Han Park, der Nordkorea mehr als 50 Mal besucht hat. Jenseits des Mantras von der Denuklearisierung des Landes fehle den USA jedoch eine Strategie zum langfristigen Umgang mit Pjöngjang. So werde Nordkorea ohne Friedensgarantien seine nuklearen Bestrebungen nicht aufgeben, stellt der Nordkorea-Experte fest. "Aber wir haben noch gar nicht besprochen, was wir Nordkorea für Frieden und Denuklearisierung geben können."  

ACA-Direktor Davenport ergänzt: "Die nordkoreanische Führung betrachtet die US-Militärpräsenz in der Region als Bedrohung, und Washington wird diese Bedrohung reduzieren müssen, wenn es will, dass Nordkorea Schritte unternimmt, um sein Atomwaffenprogramm zu stoppen und umzukehren."

Die USA müssten sich außerdem klarmachen, dass ernsthafte Verhandlungen über eine Denuklearisierung Nordkoreas Zeit bräuchten und nicht einfach bei einem Treffen zweier Staatchefs unter Dach und Fach gebracht werden könnten. "Ein Treffen zwischen Trump und Kim kann bestenfalls ein Anfang sein", meint Nordkorea-Kenner Park. Und Davenport rät Washington, auch Zwischenschritte auf dem Weg zur Denuklearisierung zu honorieren. Schließlich käme alles, was die Atombedrohung aus Nordkorea verringere, auch der nationalen Sicherheit der USA zugute, betont der ACA-Direktor.

John Bolton - der wahre Grund für Nordkoreas Drohung? 

Die Drohung Pjöngjangs, den Gipfel platzen zu lassen, könnte nicht zuletzt auf Trumps obersten Sicherheitsberater John Bolton abzielen. Bolton ist als wenig zimperlich im Umgang mit Pjöngjang bekannt und hatte sich bislang für eine sofortige Abgabe der Nuklearwaffen Nordkoreas ausgesprochen. 

"Wir verbergen unsere Abneigung gegen ihn nicht", beschrieb Nordkoreas Vize-Außenminister unmissverständlich Pjöngjangs Einstellung zu Bolton. Deutlich kritisierte Kim Kye Gwan die Bemerkung des US-Sicherheitsberaters, das "libysche Modell" könne auch im Falle Nordkoreas angewandt werden.

Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi hatte vor 15 Jahren einer Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen zugestimmt. Im Gegenzug waren die internationalen Sanktionen gegen sein Land aufgehoben worden. Das hinderte die USA und die europäischen Atommächte Frankreich und Großbritannien nicht daran, nach landesweiten Aufständen militärisch in Libyen zu intervenieren und den Sturz al-Gaddafis zu unterstützen. Seitdem befindet sich Libyen im Chaos.

John Bolton (m.) beriet George W. Bush beim ersten Nordkorea-AbkommenBild: AP

Atomabkommen, das niemals Wirklichkeit wurde

Was Kim nicht ausdrücklich erwähnte, aber was Nordkoreas Ablehnung gegenüber Bolton ebenfalls erklärt, ist dessen Rolle bei einem früheren Atomabkommen zwischen den USA und Pjöngjang. "Nordkorea hat einen berechtigten Grund, John Bolton zu misstrauen", erklärt ACA-Direktor Davenport. "Bolton war maßgeblich daran beteiligt, das ausgehandelte Abkommen zwischen den USA und Nordkorea zu verhindern, als George W. Bush Bill Clinton als Präsident ablöste." Dieses sogenannte Agreed Framework, das 1994 von Bill Clinton unterzeichnet wurde, war äußerst umstritten und wurde nie vom Kongress ratifiziert. Präsident Bushs Beschreibung von Nordkorea als Teil der sogenannten Achse des Bösen markierte de facto das Ende des Abkommens.

Der frühere US-Nordkorea-Unterhändler Park, der Bolton persönlich kennt, attestiert Trumps Sicherheitsberater eine anachronistische Sicht auf globale Angelegenheiten: "Er glaubt, dass die Dinge mit militärischen Mitteln geregelt werden. Aber diese Zeit ist vorbei. Wir können keinen militärischen Druck gegen Nordkorea einsetzen." 

"Nordkorea will nicht wie die DDR werden"

Doch auch US-Außenminister Mike Pompeo habe noch kein passendes Angebot für Pjöngjang parat, meint Park. Pompeo hatte kürzlich gesagt: "Wenn Pjöngjang mutige Maßnahmen zur schnellen Entnuklearisierung ergreift, sind die Vereinigten Staaten bereit, mit Nordkorea zusammenzuarbeiten, um Wohlstand auf Augenhöhemit unseren südkoreanischen Freunden zu erreichen".

Diese Worte aber hätten keinen große Wirkung auf Pjöngjang, ist sich Park sicher. "Pompeo bietet Nordkorea die Unterstützung der USA an, um wie Südkorea zu werden - aber das ist nicht das, was Nordkorea will. Es will kein kleines Südkorea sein. Es will zwar Geld, aber nicht durch kapitalistisches, privates Eigentum. Es will nicht wie die DDR werden."