Nordkoreas Propaganda: "Martyrium" für Russland
10. September 2025
Die Verluste sind enorm: Circa 2.000 der 13.000 entsandten nordkoreanischen Soldaten sollen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Soldaten bislang ums Leben gekommen sein. Das geht aus einer aktualisierten Schätzung des südkoreanische Geheimdienst NIS hervor, die Anfang September veröffentlicht wurde.
Um diese Verluste vor der eigenen Bevölkerung in ein positives Licht zu rücken, greift das Regime auf das bewährte Mittel der Propaganda zurück. Diese funktioniert in dem isolierten Land so gut, weil die Menschen in keinen Zugang zu alternativen Darstellungen haben, die von den heimischen, staatlich zensierten Medien in Nordkorea abweichen.
Jungen Menschen werden darin aufgefordert, sich zum Militär zu melden, um "Selbstmordkommandos mit Kugeln und Bomben" zu werden. Am 31. August strahlten die nordkoreanischen Staatsmedien eine Dokumentation über die in der Ukraine stationierten Truppen aus. Gezeigt werden dabei auch zwei Soldaten, der 20-jährige Yun Jong-hyuk und der 19-jährige Woo Wi-hyuk. Wie es in dem TV-Betrag heißt, hätte die beiden nicht von den ukrainischen Soldaten gefangen werden wollen und zündeten stattdessen eine Granate. Diesen Freitod bezeichneten die Staatsmedien als "heldenhaft".
"Heroisches Martyrium"
Auf dem Bildschirm präsentierte sich auch der Machthaber Kim Jong Un, als er sich vor Porträts toter Soldaten verneigte und ihnen damit seine Ehre erweis. Die Bilder zeigten ihn dann, wie er verzweifelte Familienangehörige umarmt.
"Das ist typisch für Nordkorea", sagt Min Seong-jae, Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Pace University in New York. Mit der ideologischen Indoktrination sollen die Soldaten und die nächsten Generationen zum Patriotismus erzogen werden.
"Sie zeigen Aufnahmen von Soldaten, die Selbstmord begehen, weil dies genau in das seit Langem bestehende Narrativ des Regimes von ultimativer Loyalität und Opferbereitschaft passt", sagt Min im DW-Interview. Die Heldentaten der verstorbenen Soldaten werden in Nordkorea als "heroisches Martyrium" dargestellt, nicht als "sinnloser Verlust".
Regime hat Dauerangst vor dem Zusammenbruch
Erwin Tan, Professor für internationale Politik an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul, hat noch eine andere Theorie. Die toten Soldaten aus Nordkorea seien nach einem Desertionsversuch oder schlechten Leistungen im Krieg zum Selbstmord gezwungen worden. "Solche Videoaufnahmen könnten dazu gedacht gewesen sein, anderen Mitgliedern des nordkoreanischen Militärs zu signalisieren, dass 'Feigheit und Inkompetenz' nicht toleriert werden."
Das nordkoreanische Regime setzt Propaganda und strenge interne Staatssicherheitsdienste ein, um Loyalität seiner Bürger einzufordern. Denn die politische Führungsriege lebt in Dauerangst: Sie fürchtet einen Zusammenbruch wie in der UdSSR und den osteuropäischen Ländern in den 1990er-Jahren.
Besonders alarmierend sei dabei das Schicksal des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu. Er hatte in Rumänien von 1965 bis 1989 regiert, als er zusammen mit seiner Frau Elena nach einem Volksaufstand in Bukarest hingerichtet wurde. "Das nordkoreanische Regime ist sich der Fragilität seiner Machtposition voll bewusst", sagt Tan.
Umwidmung: Krieg gegen Ukraine als Verteidigung Nordkoreas
Das Regime in Nordkorea flicht dabei auch die Feindschaft zu den USA, Japan und Südkorea in die Propaganda ein. Der Krieg gegen die Ukraine werde „als eine weitere Front in diesem Kampf darstellt", so Min. "Damit verwandelt man ihn von einem Kampf im Namen Russlands in eine direkte Verteidigung des Heimatlandes."
"Die Behauptung der nordkoreanischen Staatsmedien, dass ihre Soldaten gegen Amerikaner, Südkoreaner und Japaner kämpfen, dient dazu, einen fernen, verwirrenden Krieg unmittelbar und ideologisch konsistent erscheinen zu lassen." Das wecke vertraute Gefühle wie Stolz, Rache und Widerstand und helfe dabei, die unangenehme Realität zu verschleiern, dass Nordkoreaner für Moskaus Interessen sterben und nicht für ihre eigenen.
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan